Abhörspezialisten: Assad war dagegen Kommandeure drängten auf C-Waffen-Einsatz
08.09.2013, 05:09 Uhr
Hat Baschar al-Assad seine Militärs nicht im Griff?
(Foto: picture alliance / dpa)
Hat Syriens Präsident Assad den Giftgaseinsatz vom 21. August gar nicht genehmigt? Einem Bericht zufolge orteten Abhörspezialisten Forderungen von Armeekommandeuren nach einem Chemiewaffeneinsatz. Dieser sei aber abgelehnt worden. Die USA bereiten indes ihren Militärschlag vor.
Syrische Divisions- und Brigadekommandeure haben nach Informationen der "Bild am Sonntag" (BamS) seit rund vier Monaten immer wieder den Einsatz von Chemiewaffen beim Präsidentenpalast in Damaskus gefordert. Das würden Funkgespräche belegen, die das Flottendienstboot "Oker" abgefangen habe, berichtete das Blatt unter Berufung auf Informationen aus deutschen Sicherheitskreisen. Das Spionageschiff der deutschen Marine kreuze vor der Küste Syriens.
Den Erkenntnissen der Abhörspezialisten zufolge seien die von den Kommandeuren verlangten Giftgasangriffe aber stets abgelehnt und der Einsatz vom 21. August wahrscheinlich nicht von Syriens Präsident Baschar al-Assad persönlich genehmigt worden. Bei dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff nahe Damaskus, den die Regierung in Washington dem syrischen Regime anlastet, starben nach US-Angaben mehr als 1400 Menschen.
Wie die Zeitung weiter berichtet, geht der Bundesnachrichtendienst (BND) davon aus, dass sich Assad noch lange an der Macht halten kann - unabhängig von einem Militärschlag der USA gegen Syrien. BND-Präsident Gerhard Schindler habe am vergangenen Montag dem Verteidigungsausschuss des Bundestages in geheimer Sitzung berichtet, der blutige Bürgerkrieg werde sich noch lange hinziehen. "Das kann noch Jahre dauern", habe Schindler gesagt.
Laut "BamS" berichtete der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, den Ausschuss-Mitgliedern von einer dramatischen Machtverschiebung innerhalb der Rebellen. Danach hat die vom Westen unterstützte Freie Syrische Armee (FSA) ihre einstige militärische Führungsrolle eingebüßt. Der Zusammenschluss von Deserteuren der Assad-Truppen sei de facto nicht mehr existent. Stattdessen werde der Einfluss des Terrornetzwerks Al-Kaida auf die Rebellen-Bewegung immer stärker.
Zitterpartie für Obama
Wenige Tage vor Beginn entscheidender Kongress-Abstimmungen startet US-Präsident Barack Obama eine Großoffensive, um Zustimmung zu seinem geplanten Militärschlag gegen Syrien zu erreichen. Dem Weißen Haus zufolge plant Obama am Montag Interviews mit sechs Fernsehsendern, bevor er sich dann am Dienstag aus dem Oval Office an die Nation wenden wird.
Zugleich wollen der Präsident und sein Sicherheitsteam ihre Serie von Einzeltelefonaten und Hintergrundgesprächen hinter verschlossenen Türen mit Kongressmitgliedern fortsetzen. Die "New York Times" sprach vom größten Einsatz dieser Art seit 2009, als Obama seine Gesundheitsreform im Kongress durchboxen musste.
Der Zeitung und anderen Medien zufolge muss Obama derzeit befürchten, dass der Kongress einen Waffengang als Antwort auf den mutmaßlichen Giftgasangriff des syrischen Regimes gegen Zivilisten nicht billigen wird. Demnach zeichnet sich vor allem im Repräsentantenhaus breiter Widerstand ab. Im Senat stehen die Chancen zwar besser, aber auch hier muss Obama zittern. Senat und Abgeordnetenhaus kehren am Montag aus den Sommerferien nach Washington zurück. Noch in der laufenden Woche könnte dann zumindest der Senat über eine Resolution abstimmen, die einen begrenzten Militärschlag gegen das Assad-Regime billigt. Wie der Zeitplan im Repräsentantenhaus aussieht, blieb zunächst unklar.
Deutschland unterschreibt nun doch
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich vor den Beratunge n im US-Kongress über einen Militärschlag gegen Syrien nachdrücklich für politische Lösung aus. "Es muss sichergestellt werden, dass sich ein Einsatz dieser schrecklichen Massenvernichtungswaffen nicht wiederholt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte sie der Zeitung. Der Untersuchungsbericht der UN-Inspekteure solle so schnell wie möglich vorgelegt werde. "Der Sicherheitsrat könnte dann eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen für den Giftgasanschlag durch den Internationalen Strafgerichtshof in Gang bringen", meinte Merkel weiter.
Deutschland hat sich im Ringen um eine gemeinsame Position im Syrien-Konflikt erst nachträglich einer von den USA eingebrachten Erklärung angeschlossen. Vorausgegangen war die Einigung der EU-Außenminister in der litauischen Hauptstadt Vilnius auf eine gemeinsame Haltung zu den Angriffsplänen der USA gegen das Assad-Regime. Die Europäer fordern Washington auf, mit einem Militärschlag bis zur Vorlage eines UN-Berichts über den Einsatz von Chemiewaffen zu warten. Aus Sicht der USA ist die Verantwortung des Regimes allerdings schon jetzt ausreichend belegt. Washington hatte bereits angekündigt, ohne den UN-Sicherheitsrat zu agieren.
Hollande wendet sich an Franzosen
Frankreichs Staatspräsident François Hollande dankte Deutschland dafür, dass es eine Erklärung des G20-Gipfels zu Syrien doch noch unterzeichnet. Deut schland habe dazu beigetragen, dass "Europa geeint sein kann", sagte Hollande nach einem Treffen mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman in Nizza.
Zugleich betonte Hollande, dass es bei dem anvisierten Militärschlag um eine "Bestrafung des Regimes" in Damaskus gehe. Unter keinen Umständen solle der Konflikt dadurch weiter über die Grenzen Syriens hinaus getragen werden. Hollande kündigte überdies an, sich Ende kommender Woche in einer Ansprache an das französische Volk zu wenden. Frankreich will die USA bei ihrem Militärschlag unterstützen. Anfangs hatte dies auch Großbritannien geplant, das britische Parlament stimmte aber gegen die Pläne von Premierminister David Cameron.
Die Vereinigten Staaten können nach Angaben ihres Außenministers John Kerry auf Unterstützung im "zweistelligen Bereich" für einen Militärschlag in Syrien setzen. Es gebe mehr Interessenten für eine Beteiligung, als nach dem jetzigen Stand der Planung gebraucht würden, sagte Kerry nach einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius in Paris. Die USA drohen dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad mit einem "begrenzten" Militärschlag.
Papst beklagt "eingeschlafenes Gewissen"
Mit einem flammenden Appell vor Zehntausenden Gläubigen hat Papst Franziskus in Rom ein Ende der Gewalt und des Kriegsgetöses verlangt. Er hatte die Katholiken zu einer zentralen Gebetswache für den Frieden weltweit auf dem Petersplatz aufgerufen. "Möge das Waffenrasseln aufhören! Krieg bedeutet immer das Scheitern des Friedens, er ist immer eine Niederlage für die Menschheit", sagte er bewegt der Menschenmenge auf dem Platz.
Franziskus rief die Christen, die anderen Religionen und alle Menschen guten Willens nachdrücklich auf: "Gewalt und Krieg sind niemals der Weg des Friedens. Vergebung, Dialog, Versöhnung sind die Worte des Friedens - in der geliebten syrischen Nation, im Vorderen Orient, in der ganzen Welt." Er forderte auf der Gebetswache dazu auf, für Frieden zu beten, und kritisierte: "Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen."
Quelle: ntv.de, wne/dpa/AFP/rts