Wachstumspakt und BörsensteuerMerkel löst Versprechen ein

Mit einem konkreten Ergebnis des Spitzentreffens von Angela Merkel und den Regierungschefs von Frankreich, Italien und Spanien rechnete eigentlich niemand. Doch jetzt überrascht die Kanzlerin mit einem symbolträchtigen Schritt. Sie boxt beim EU-Vierer-Treffen ausgerechnet die Forderungen der Opposition in Deutschland durch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel löst ihre Versprechen an die Opposition prompt ein. Einen Tag nach dem Fiskalpakt-Deal wirbt sie bei ihren europäischen Partnern erfolgreich für die Forderungen von SPD und Grünen. Die CDU-Politikerin einigte sich mit den führenden Volkswirtschaften der EU auf ein Wachstumspaket von rund 130 Milliarden Euro und eine Finanztransaktionssteuer.
Mit Investitionen im Umfang von einem Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts solle in der Finanzkrise "ein Zeichen" gesetzt werden, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten François Hollande und den Regierungschefs Italiens und Spaniens, Mario Monti und Mariano Rajoy. Alle Teilnehmer des Treffens unterstützten zudem laut Merkel die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die Märkte seien an den Kosten der Krise "noch nicht ausreichend beteiligt", so die Kanzlerin. Als sicher gilt allerdings jetzt schon, dass sich nicht alle 27 EU-Staaten an der Steuer beteiligen werden.
in der italienischen Hauptstadt Rom diente eigentlich der Vorbereitung des EU-Gipfels am 28. und 29. Juni in Brüssel. "Wir müssen politisch enger zusammenrücken, insbesondere im Euroraum", sagte Merkel. Dazu solle "an einer stärkeren politischen Union" gearbeitet werden. "Die Lehre aus der Krise ist nicht weniger Europa, sondern mehr Europa", sagte die Kanzlerin. Doch dank des überraschenden Ergebnisses des Treffens muss es nun auch als Signal an die Opposition eingeschätzt werden.
Nach wochenlangen Verhandlungen und erst nach vielen Zugeständnissen von Schwarz-Gelb hatte sich die Regierungskoalition , der vom 1. Januar 2013 an für mehr Haushaltsdisziplin in der EU sorgen soll. Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich darin, zu Schuldenbremsen und automatisierten Strafmechanismen bei Verstößen. Fast alle EU-Staaten wollen sich daran beteiligen.
Bei dem Vorhaben drängt die Zeit. Bundestag und Bundesrat sollten dem Vertrag noch im Juni zusammen mit dem Euro-Rettungsschirm ESM zustimmen, der schon am ersten Juli in Kraft treten soll. Merkel pochte auf eine Gemeinsame Abstimmung von Fiskalpakt und ESM noch in diesem Monat, um ein Signal der Handlungsfähigkeit und Stärke an die Finanzmärkte zu senden und sicherzustellen, dass kriselnde Euro-Staaten nicht weitere Rettungsmillionen bekommen, ohne sich zu mehr Haushaltsdisziplin zu bekennen.
Mit ihrer symbolträchtigen Einigung in Rom wollte Merkel womöglich nicht nur sicherstellen, dass auch SPD und Grüne bei den Abstimmungen Wort halten. Sie wollte vielleicht auch kaschieren, dass ihr Zeitplan schon kurz nach der Einigung von Regierung und Opposition ins Wanken geriet. Bundespräsident Joachim Gauck will den Vorhaben vorerst seine Unterschrift verweigern, weil er dem Bundesverfassungsgericht Zeit geben will, die Gesetze zu prüfen. Unter anderem die Linke hatte dagegen geklagt. Sie forderte eine Volksabstimmung für die Einführung des Fiskalpakts. Die Öffentlichkeit solle darüber aufgeklärt werden, "worum es bei dem Fiskalpakt geht und wie er sämtliche Staaten zu Kürzungsprogrammen verpflichtet", sagte Parteichefin Katja Kipping in der ARD.
Welche Folgen die Klage hat, ist noch völlig unklar. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier geht davon aus, dass der ESM in Karlsruhe bestehen wird. "Ich rechne, wenn Sie mich so fragen, nicht damit, dass der Mechanismus insgesamt gekippt wird", sagte er dem Deutschlandfunk.
Die Bundesregierung erwartet auch trotz der Verzögerung nicht, dass der Rettungsschirm dadurch geschwächt wird. Wenn Bundestag und Bundesrat die entsprechenden Gesetze am nächsten Freitag beschließen, "ist das ein ganz klares Signal", sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter. Ob nach dem Bundestag aber auch der Bundesrat zustimmt, ist noch ungewiss. Die Koalition will am Sonntag mit den Ländern verhandeln. Vielleicht soll das Überraschende Ergebnis des Vierer-Gipfels auch die Grundlage für diese Gespräche sichern.