Politik

"Die eher handwerkliche Version" Mit Christian Wulff auf Nummer sicher

Mit Christian Wulff entscheidet sich die Kanzlerin für eine eher "solide und handwerkliche Lösung, anstelle eines Überraschungscoups", meint Florian Hartleb, Professor für Politikmanagement, im Interview mit n-tv.de. Natürlich sei Wulff auch eine Konzessionsentscheidung. Zudem habe sich Merkel einen Konkurrenten vom Leib halten können.

n-tv.de: Herr Hartleb, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff soll neuer Bundespräsident werden. Sie hatten Arbeitsministerin von der Leyen für das Amt präferiert. Sind Sie jetzt enttäuscht?

Florian Hartleb: Ich bin sehr überrascht. Ich hatte gedacht, dass Bundeskanzlerin Merkel einen Überraschungscoup präsentieren wird und nicht eine solche solide handwerkliche Lösung.

Im vergangenen Sommar war Wulff zum Ehrenhäuptling "Offenes Wort" der Karl-May-Spiele Bad Segeberg ernannt worden.

Im vergangenen Sommar war Wulff zum Ehrenhäuptling "Offenes Wort" der Karl-May-Spiele Bad Segeberg ernannt worden.

(Foto: dpa)

Kann Christian Wulff einstecken, kann er austeilen, kann er dass, was Bundespräsident Horst Köhler vermissen ließ? Ist Christian Wulff der richtige Mann für das höchste Amt im Staat?

Wulff ist jemand, der bewusst seine Ambitionen zurückgehalten hat und der dennoch immer als Konkurrent von Merkel gehandelt wurde. Christian Wulff ist nicht für Ecken und Kanten und klare Positionen bekannt, wie es beispielsweise Roland Koch war. Er steht eher für Unauffälligkeit und wollte augenscheinlich nie anecken. Mit diesem Politikstil ist er sehr nahe am Politikverständnis von Angela Merkel dran. Deshalb wurde er wahrscheinlich auch als Kandidat vorgezogen.

Also eine Konzessionsentscheidung?

Ja, und vor allem auch eine Entscheidung, mit der Angela Merkel gut leben kann. Sie hat jemanden aus den Reihen der CDU durchgebracht, sie hat sich zudem eines Konkurrenten entledigt und sie hat auch eine schnelle Lösung präsentieren können.

SPD und Grüne werden Wulff in der Bundesversammlung nicht mittragen und wollen stattdessen Joachim Gauck, den früheren Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, als eigenen Kandidaten präsentieren. Ist das eine Absage an eine gemeinsame Politik mit der Linken?

Auf jeden Fall. Diese  Entscheidung ist eine ganz klare Provokation gegen die Linke und wird die Linke so verärgern, dass es von deren Seite keine Annäherungsversuche hin zu einer gemeinsamen Koalition mehr geben wird. Dieses Signal, mit einem ehemaligen Bürgerrechtler ins Rennen zu gehen, ist für eine Partei, die sich immer noch sehr schwer tut mit der DDR-Aufarbeitung und die DDR noch immer nicht als Unrechtsstaat bezeichnet, natürlich eine schallende Ohrfeige.

Florian Hartleb ist Professor für Politikmanagement an der Internationalen Hochschule für Exekutives Management in Berlin.

Florian Hartleb ist Professor für Politikmanagement an der Internationalen Hochschule für Exekutives Management in Berlin.

Herr Hartleb, mit Christan Wulff verlässt erneut ein von den Wählern als Landesvater bestimmter Politiker seinen Posten. Ist das politisch bedenklich?

Dieser Schritt, mit Christian Wulff einen amtierenden und indirekt über das Volk gewählten Entscheidungsträger noch während der Legislaturperiode herauszunehmen, ist demokratietheoretisch bedenklich und weist auf eine Entwicklung hin, die auch schon in anderen Bundesländern stattgefunden hat. Man denke an Horst Seehofer in Bayern, der nicht auf dem Wahlzettel stand sondern Günther Beckstein; die gleiche Aktion in Thüringen mit Peter Althaus und Christine Lieberknecht und jetzt auch in Hessen mit Roland Koch und seinem Nachfolger Volker Bouffier. Ich halte das wie gesagt für demokratietheoretisch sehr bedenklich, weil ja das Volk bei Landtagswahlen jemanden wählt, den es für vier Jahre an der Spitze der künftigen Landesregierung sehen will. Stattdessen läuft der Wähler Gefahr, dass sein gewählter Landesvater durch Rochaden ersetzt wird – oft durch einen Politiker, den er gar nicht auf seinem Merkzettel hatte.

Also Nahrung für die Politikverdrossenheit der Bürger?

Das ist schon eine bedenkliche Entwicklung, die der Bundespräsident Köhler als Staatsoberhaupt noch einmal dramatisch verstärkt hat.

Quelle: ntv.de, Mit Florian Hartleb sprach Peter Poprawa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen