Politik

Tripolis prangert "Brutalität" an NATO bedauert Fehlschlag

Aufständische feuern bei Misrata mit Grad-Raketen auf die Truppen des Regimes.

Aufständische feuern bei Misrata mit Grad-Raketen auf die Truppen des Regimes.

(Foto: AP)

Ein Fehler in einem NATO-Waffensystem verursacht offenbar einen Fehlschlag bei Luftangriffen auf Libyen. Dabei wird ein Wohnhaus in Tripolis bombardiert, drei Menschen sollen getötet worden sein. Das Regime sieht die "Brutalität" der NATO bewiesen. Auch die Rebellen üben scharfe Kritik an dem Militärbündnis.

Die NATO hat eingeräumt, versehentlich ein Wohnhaus in der libyschen Hauptstadt Tripolis bombardiert und dabei allem Anschein nach mehrere Menschen getötet zu haben. Der Oberkommandeur des NATO-Einsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, bedauerte in einer Erklärung den Vorfall. Das Regime des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi hatte dem Militärbündnis vorgeworfen, bei dem Angriff mindestens drei Menschen getötet zu haben, darunter auch ein Kleinkind. Ob die drei Leichen aus dem zerstörten Gebäude stammten, konnte nicht unabhängig bestätigt werden.

"Obwohl wir die Einzelheiten des Zwischenfalls noch ermitteln, scheint es so, dass ein Fehler in einem Waffensystem diesen Zwischenfall verursacht hat", erklärte Bouchard in seinem Hauptquartier in Neapel. Es sehe so aus, als ob eine Bombe nicht das beabsichtigte Ziel getroffen habe. "Die NATO bedauert den Verlust unschuldiger Menschenleben und sie geht sehr sorgsam vor im Kampf gegen ein Regime, das entschlossen ist, Gewalt gegen seine eigenen Bürger anzuwenden", teilte das Militärbündnis weiter mit.

"Beweis für die Brutalität der NATO"

Westlichen Journalisten wird ein zerstörtes Wohnhaus gezeigt, in dem drei Menschen durch einen NATO-Angriff getötet worden sein sollen.

Westlichen Journalisten wird ein zerstörtes Wohnhaus gezeigt, in dem drei Menschen durch einen NATO-Angriff getötet worden sein sollen.

(Foto: AP)

Kurz nach dem Luftangriff in der Nacht zum Sonntag waren ausländische Journalisten von den libyschen Behörden zu dem zerstörten Wohnhaus gebracht worden. Sie beobachteten, wie eine Leiche aus den Trümmern geborgen wurde. Zahlreiche Nachbarn halfen bei den Bergungsarbeiten. Später wurde den Reportern in einem Krankenhaus auch die Leiche eines Kleinkindes gezeigt. "Dies ist ein weiterer Beweis für die Brutalität der NATO", erklärte der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim.

Der internationale Militäreinsatz in Libyen stützt sich auf ein UN-Mandat, das zum Schutz von Zivilisten den Einsatz militärischer Gewalt zulässt. In einer Erklärung der NATO hieß es, das Bündnis tue "alles, um die libysche Bevölkerung vor der Gewalt des Regimes von Gaddafi zu schützen". Die NATO plane die Einsätze "mit Präzision und mit einer hohen Genauigkeitsrate". Seit Übernahme der Führung des Militäreinsatzes durch die NATO am 31. März seien mehr als 4400 Kampfeinsätze gegen militärische Ziele in Libyen geflogen worden, hieß es weiter.

"Alles geht zur Neige"

Zudem sieht sich die NATO mit Kritik der Aufständischen konfrontiert. Die Rebellen warfen den westlichen Verbündeten mangelnde Unterstützung im Kampf gegen Gaddafi vor. "Alles geht zur Neige", sagte Ali Tarhuni, der bei den Aufständischen für Finanzen und Öl zuständig ist. Die westlichen Länder begriffen dies entweder nicht oder es sei ihnen egal. Mit Blick auf versprochene Zahlungen aus den eingefrorenen Konten Gaddafis im Ausland sagte er: "Da ist bislang nichts geschehen. Und ich meine wirklich nichts."

Ein Rebell steht vor einem Krankenwagen mit Einschusslöchern aus Kämpfen mit Gaddafis Truppen.

Ein Rebell steht vor einem Krankenwagen mit Einschusslöchern aus Kämpfen mit Gaddafis Truppen.

(Foto: AP)

Er sei es inzwischen leid, die Politiker aus Europa und den USA wieder und wieder auf ihre Zusagen anzusprechen, sagte Tarhuni. "Wir reden mit so vielen Menschen in all diesen Ländern und auf all diesen Konferenzen und sie halten großartige Reden", sagte Tarhuni. "Politisch wissen wir das zu schätzen, aber was die Finanzen anbetrifft, sind sie ein kompletter Ausfall. Unsere Leute sterben." Der Militäreinsatz koste die Rebellen umgerechnet täglich geschätzte 60 Millionen Euro, sagte Tarhuni. Woher das Geld kommen soll, ist nicht klar. Das Öl in der von den Aufständischen kontrollierten Region falle gegenwärtig als Einnahmequelle aus. "Ich rechne nicht damit, dass wir demnächst Öl produzieren. Die Raffinerien haben kein Rohöl, also laufen sie nicht", sagte Tarhuni.

Militärfahrzeug der Rebellen beschossen

Wenige Stunden vor der Attacke auf das Wohnhaus hatte die Brüsseler NATO-Zentrale bereits einen anderen Fehler eingeräumt. Am Donnerstag hatten NATO-Flugzeuge nahe der ostlibyschen Stadt Al-Brega versehentlich Panzer und andere Militärfahrzeuge der Gaddafi-Gegner beschossen. In einer "besonders komplizierten und dynamischen Gefechtsfeldsituation" habe man sie irrtümlich für eine Fahrzeugkolonne der Gaddafi-Truppen gehalten. Nach Rebellen-Angaben waren 16 Aufständische verletzt worden.

Gaddafi-Truppen griffen derweil am Wochenende Rebellenstellungen nahe der westlichen Stadt Nalut an. Ein Reporter des Fernsehsenders Al-Dschasira berichtete von schweren Kämpfen am Rand der strategisch wichtigen Stadt unweit der Grenze zu Tunesien. Die Aufständischen hätten ihre Positionen aber behauptet, sagte der Reporter.

Die Rebellen kontrollieren den gesamten Kamm des Nafusa-Gebirges, der von der tunesischen Grenze bis 80 Kilometer vor die Hauptstadt Tripolis reicht. Die Gaddafi-Truppen versuchen seit Wochen, bei Nalut eine Bresche in das Aufständischen-Gebiet zu schlagen. Damit wollen sie die für die Rebellen lebenswichtige Nachschublinie aus Tunesien unterbrechen.

Quelle: ntv.de, dpa

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