Quantität ja, Qualität vielleicht Piraten blasen ihr Programm auf
12.05.2013, 02:58 Uhr
Bunte Mischung: Piraten tagen mit Stofftieren in der Oberpfalz.
(Foto: dpa)
Auf den Vorwurf, dass die Piratenpartei kein Programm habe, gibt sie in Neumarkt eine deutliche Antwort: Sie beschließt einen riesigen Block an Positionen, ohne darüber zu diskutieren. Darunter ist viel Bekanntes, aber auch Überraschendes. Lücken gibt es trotzdem noch.
Mit einem einzigen Beschluss haben die Piraten ihr Wahlprogramm erheblich erweitert. Der Parteitag in Neumarkt beschloss einen Text, der in einem Rundumschlag Themen vom Bundestrojaner über das Wahlrecht bis hin zu einer Reform der Vereinten Nationen behandelt. Ohne inhaltliche Debatte fügte die Partei ihrem Programm Texte mit einer Länge von fast 15.000 Wörtern hinzu. Allein der Abschnitt "Arbeit und Soziales" hat über 4200 Wörter. Der entsprechende Antrag trug den Titel "massiver Wahlprogrammantrag".
Auf diese Weise spricht sich die Partei nun etwa für konkrete Schritte zur Einführung eines Grundeinkommens aus, das ohne Einschränkung an alle Bürger au sgezahlt werden soll. Im Programm stehen viele Details dazu, zu denen sich die Partei noch vor einem halben Jahr nicht hatte durchringen können.
Eine Positionierung zu aktuellen Fragen der Euro-Krise fehlt weiterhin. Obwohl die Politik der Euro-Staaten von vielen Piraten immer wieder kritisiert wird, klammerte die Versammlung das Thema wieder einmal aus.
"Wir haben nichts zu verlieren"
Der Bundesvorstand versuchte, die mehr als 1100 Teilnehmer auf den Wahlkampf einzustimmen. Der stellvertretende Vorsitzende Sebastian Nerz sprach von "schwierigen Monaten" bis zur Wahl, sagte aber: "Wir haben nichts zu verlieren, wir können nur gewinnen." Derzeit liegt die Piratenpartei im "Stern"-RTL-Wahltrend bei 2 Prozent und ist damit weit von einem Einzug ins Parlament entfernt.
Mit vielen weiteren Beschlüssen positionierten sich die Piraten im Sinne ihrer bekannten Grundsätze für stärke Rechte von Urhebern, für einen Mindestlohn und gegen staatliche Überwachung von Kommunikation im Internet. Die Nutzung von Bussen und Bahnen soll kostenlos möglich sein, der Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis soll nicht bestraft werden.
Beim spontan eingebrachten Sonstigen Antrag "Unvereinbarkeitserklärung AfD" zeigten sich die Piraten einig. Der Chef der Piratenpartei, Bernd Schlömer, begrüßte die Entscheidung, diesem Antrag zuzustimmen. Er nannte die Vorschläge der Alternative für Deutschland "alten Wein in neuen Schläuchen: einfallslos, kleinkariert und wenig zukunftsweisend". Die AfD baue ihren Erfolg auf die Verunsicherung der Bürger statt eine Perspektive aufzuzeigen.
Meinungsverschiedenheiten gab es etwa bei einem Antrag zum Thema Fraktionsdisziplin: Landesabgeordnete aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wollen, dass Abgeordnete einzig ihrem Gewissen verpflichtet sind. Der Berliner Fraktionsvorsitzende Christopher Lauer bezeichnete es dagegen als "bizarr", dass die Abgeordneten nicht dem Programm ihrer Partei verpflichtet sein sollten. Der Antrag wurde dennoch angenommen.
Der Begriff "Ehe" soll in den Gesetzen nach dem Willen der Piraten durch "eingetragene Lebenspartnerschaft" ersetzt werden. Diese soll für hetero- wie auch homosexuelle Paare offen sein, genauso wie für Verbindungen von mehr als zwei Personen.
Noch immer ringen die Piraten um einen Durchbruch für mehr Online-Beteiligung ihrer Mitglieder. Am Samstagabend vertagten sie das Dauerstreitthema zum zweiten Mal. Nun soll am Sonntag über eine "Ständige Mitgliederversammlung" entschieden werden.
Quelle: ntv.de