Politik

Polen in Trauer vereint Kaczynski in Warschau aufgebahrt

Tausende bringen Blumen und Kerzen zum Präsidentenpalast in Warschau.

Tausende bringen Blumen und Kerzen zum Präsidentenpalast in Warschau.

(Foto: AP)

Zehntausende stehen am Straßenrand, als der Sarg mit dem Leichnam des polnischen Präsidenten durch Warschau fährt. Am Mittag hatte ganz Polen für zwei Minuten innegehalten. In Berlin trägt Bundeskanzlerin Merkel sich in das Kondolenzbuch der polnischen Botschaft ein.

Der Leichenwagen mit dem Sarg Kaczynskis auf dem Weg zum Präsidentenpalast.

Der Leichenwagen mit dem Sarg Kaczynskis auf dem Weg zum Präsidentenpalast.

(Foto: REUTERS)

Einen Tag nach dem tragischen Flugzeugabsturz in Westrussland ist der Leichnam des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski nach Warschau gebracht worden. Der in die weiß-rote Nationalflagge Polens gehüllte Sarg wurde nach einer einstündigen Fahrt durch die Stadt in der Kapelle des Präsidentenpalastes aufgebahrt.

Bei der Fahrt des Leichenwagens vom Warschauer Militärflughafen zum Präsidentenpalast bildeten Zehntausende ein kilometerlanges Spalier. Menschen klatschten Beifall und warfen Blumen vor das schwarze Auto, das von einer Eskorte aus neun Motorrädern begleitet wurde.

Zu der Kapelle hatte zunächst nur die Familie Zugang. Später sollte auch der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben werden, von dem Präsidenten am aufgebahrten Sarg Abschied zu nehmen. Über den Beisetzungstermin will die Warschauer Regierung an diesem Montag beraten. In Polen gilt eine einwöchige Staatstrauer.

Mutter nicht informiert

Kaczynskis Tochter Marta Kaczynska, ihr Mann Marcin Dubieniecki (l.), Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw und Jan Maria Tomaszewski, ein Cousin des Staatsoberhaupts, auf dem Weg in den Präsidentenpalast.

Kaczynskis Tochter Marta Kaczynska, ihr Mann Marcin Dubieniecki (l.), Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw und Jan Maria Tomaszewski, ein Cousin des Staatsoberhaupts, auf dem Weg in den Präsidentenpalast.

(Foto: dpa)

Die Mutter Kaczynskis ist über den Tod ihres Sohnes nicht informiert worden. Angesichts des Gesundheitszustandes von Jadwiga Kaczynska habe Jaroslaw Kaczynski entschieden, dass ihr nichts gesagt werden solle, sagte ein Sprecher des Militärkrankenhauses von Warschau. Die 83-Jährige wird dort seit Mitte März wegen Herzproblemen auf der Intensivstation behandelt.

Kaczynskis Leichnam war zuvor mit militärischen Ehren auf dem Militärflughafen der Hauptstadt empfangen worden. Die Tochter des Staatsoberhauptes, Marta, und Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw knieten minutenlang schweigend vor dem Sarg. An der Zeremonie nahmen auch Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski und Regierungschef Donald Tusk sowie weitere Regierungs- und Parlamentsmitglieder teil.

Am Sonntagmittag war bereits in ganz Polen mit zwei Trauerminuten der Opfer des Flugzeugabsturzes gedacht worden. Als am Sonntag um Punkt 12.00 Uhr die Sirenen heulten, blieben überall die Menschen stehen, auf den Straßen stoppten Autos. Vor dem Parlament in Warschau würdigte Tusk seinen früheren politischen Widersacher mit einem Kniefall. Auf der Prachtallee vor dem Präsidentenpalast im Zentrum Warschaus sammelten sich tausende Trauernde zu Gebeten und sangen patriotische Lieder.

Ehrung durch Putin

Russlands Ministerpräsident Putin verabschiedete den Leichnam Kaczynskis in Smolensk.

Russlands Ministerpräsident Putin verabschiedete den Leichnam Kaczynskis in Smolensk.

(Foto: AP)

In der westrussischen Stadt Smolensk war der Sarg mit Kaczynskis Leichnam im Beisein des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin mit militärischen Ehren verabschiedet worden. Putin und der polnische Botschafter in Russland, Jerzy Bahr, legten rote Rosen vor dem Sarg nieder. Ein Militärorchester spielte die polnische und die russische Nationalhymne.

Tusk und Putin hatten noch am Samstag in einem demonstrativen Schulterschluss Blumen am Unglücksort niedergelegt. "Die moderne Welt hat noch nie eine solche Tragödie erlebt", hatte Tusk zuvor gesagt. Russland teile die Trauer der Polen, sagte Putin.

Der Leichnam der Präsidentengattin Maria Kaczynski konnte nach Angaben der polnischen Präsidentschaft noch nicht identifiziert werden. Er sei deshalb nicht wie ursprünglich geplant nach Warschau überführt worden. Die Leichen der anderen Opfer waren nach Moskau überführt worden, wo sie von ihren Angehörigen in Empfang genommen werden sollen. Insgesamt starben bei dem Unglück 96 Menschen. Eine Frau, die auf der Passagierliste stand und zunächst als 97. Opfer gezählt worden war, war dann doch nicht mitgeflogen.

Mit dem polnischen Präsidentenpaar starben bei der Flugzeugkatastrophe zahlreiche ranghohe Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Polen sowie nahezu die gesamte Armeeführung. Auch viele Angehörige der Opfer des Massakers von Katyn sowie der letzte polnische Exil-Präsident, Ryszard Kaczorowski, kamen ums Leben. Die russische Staatsanwaltschaft schließt eine technische Ursache für den Absturz des Flugzeugs aus. Der Pilot von Kaczynskis Maschine sei mehrfach auf die schlechte Wetterlage und den Nebel hingewiesen worden und habe trotzdem mehrere Landeversuche unternommen.

Trauerbeflaggung in Deutschland

Kanzlerin Merkel und ihr Ehemann tragen sich in das Kondolenzbuch der polnischen Botschaft in Berlin ein.

Kanzlerin Merkel und ihr Ehemann tragen sich in das Kondolenzbuch der polnischen Botschaft in Berlin ein.

(Foto: dpa)

In Berlin besuchten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Mann Joachim Sauer die polnische Botschaft, um sich in das Kondolenzbuch einzutragen. Am Brandenburger Tor versammelten sich rund hundert Menschen zu einer Schweigeminute. Auch in den Kirchen der Hauptstadt wurde in Gottesdiensten der Toten gedacht. Bundesinnenminister Thomas de Maizière ordnete Trauerbeflaggung am Tag der offiziellen Trauerfeier für Kaczynski an. Die Flaggen an allen Bundesbehörden sollen dann "als Zeichen des tiefen Mitgefühls und der besonderen Solidarität mit dem polnischen Volk" auf Halbmast gesetzt werden, teilte das Innenministerium mit.

Einen Termin für eine offizielle Trauerfeier für Kaczynski und die anderen bei dem Flugzeugabsturz in Russland getöteten Menschen gibt es noch nicht. Die Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Cornelia Pieper (FDP), hatte eine Trauerbeflaggung in Deutschland angeregt. "Es sind so viele Menschen ums Leben gekommen, die politische Verantwortung in schweren Zeiten für Polen getragen haben und sich verdient gemacht haben, dass es ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit mit unserem polnischen Nachbarland wäre", sagte sie.

Kerzen in Katyn

Vor dem Amtssitz des Präsidenten in Warschau legten Tausende Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Auch Katyn wurde erneut ein Ort tiefer Trauer. Zahlreiche Angehörige der Absturzopfer stellten Kerzen auf. Kaczynski und seine Delegation waren auf dem Weg nach Katyn gewesen, um 22.000 Polen zu gedenken, die dort im Zweiten Weltkrieg vom sowjetischen Geheimdienst ermordet worden waren. Am Eingang der Gedenkstätte wehten die mit Trauerbändern versehenen russische und polnische Fahne auf Halbmast.

Kirche ruft zu nationaler Versöhnung auf

Bei Trauergottesdiensten, die am Samstagabend in Warschau, Krakau und vielen anderen Städten Polens stattfanden, riefen die Bischöfe zur nationalen Versöhnung auf. Im Warschauer Dom sagte Erzbischof Kazimierz Nycz, der tragische Flugzeugabsturz habe ganz Polen getroffen. Die Tragödie müsse zur Einheit der Nation beitragen. Die polnische Politik war bislang geprägt vom Streit zwischen den Liberalkonservativen um Tusk und den Nationalkonservativen um die Kaczynski-Zwillinge. Lech Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw war von 2006 bis 2007 polnischer Ministerpräsident.

Polens Ex-Präsident Lech Walesa wischt sich während einer Messe in Danzig die Augen.

Polens Ex-Präsident Lech Walesa wischt sich während einer Messe in Danzig die Augen.

(Foto: AP)

Spätestens am 20. Juni werden die Polen einen neuen Präsidenten wählen. Ursprünglich sollten die Präsidentenwahlen im Herbst stattfinden. Der polnische Parlamentspräsident Komorowski, der gemäß der Verfassung bis zur Neuwahl die Geschäfte des tödlich verunglückten Staatsoberhauptes übernommen hat, kündigte am Samstagabend an, er werde innerhalb von 14 Tagen über den Wahltermin entscheiden. Der Urnengang muss dann an einem Sonntag innerhalb von 60 Tagen nach dieser Entscheidung stattfinden. Komorowski wird nach derzeitigem Stand selbst bei der Präsidentenwahl antreten. Er war bereits Ende März von der liberalen Regierungspartei Bürgerplattform PO zu ihrem Kandidaten ernannt worden.

"Angesichts eines solchen Dramas ist unsere Nation geeint", sagte Komorowski in einer Fernsehansprache. "Es gibt keine Trennung zwischen links und rechts; unterschiedliche Ansichten spielen keine Rolle."

Quelle: ntv.de, rts/AFP/dpa

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