Politik

Separatisten nehmen weitere Gebäude ein Präsident der Ukraine beschimpft Polizei

Schwer bewaffnete Separatisten greifen die Polizeizentrale von Lugansk an.

Schwer bewaffnete Separatisten greifen die Polizeizentrale von Lugansk an.

(Foto: REUTERS)

Prorussische Aktivisten besetzen im Osten der Ukraine weiterhin öffentliche Gebäude und greifen sogar eine Polizeizentrale an. Übergangspräsident Turtschinow geht nun mit der seiner Meinung nach untätigen Polizei ins Gericht. Er will sie austauschen.

Nach der Erstürmung und Besetzung weiterer Verwaltungsgebäude in der Ostukraine durch prorussische Milizen hat der ukrainische Übergangspräsident Oleksander Turtschinow Polizisten im Osten des Landes als "Verräter" bezeichnet und ihnen Untätigkeit vorgeworfen. "Die große Mehrheit der Sicherheitskräfte im Osten ist nicht in der Lage, ihre Pflicht zu erfüllen und unsere Bürger zu schützen", erklärte Turtschinow.

Zuvor hatten Aktivisten bereits die Regionalverwaltung von Lugansk gestürmt.

Zuvor hatten Aktivisten bereits die Regionalverwaltung von Lugansk gestürmt.

(Foto: REUTERS)

Die Ereignisse im Osten des Landes zeigten die "Machtlosigkeit und in einigen Fällen kriminelle Niedertracht" der Polizei, beklagte Turtschinow. Er forderte "ukrainische Patrioten" aus den Regionen Donezk und Lugansk dazu auf, sich bei der Polizei als Freiwillige zu melden. Die Regierung werde dafür eine Hotline einrichten, bei der sich vor allem Freiwillige mit militärischer Vorausbildung melden sollten.

Nach der Einnahme eines Verwaltungsgebäudes und eines Gebäudes der Staatsanwaltschaft in Lugansk stürmten derweil rund tausend prorussische Aktivisten die dortige Polizeizentrale. Unter den Angreifern waren etwa 50 schwer bewaffnete Männer in schwarzen Kampfanzügen oder Uniformen, die auf die Fenster des Gebäudes schossen. Die Polizei setzte Blendgranaten und Tränengas ein.

Ein Berater des Innenministeriums in Kiew räumte ein, dass den Separatisten in Luhansk zunächst kein Widerstand entgegengesetzt worden sei. "Die Regionalregierung kontrolliert ihre Polizeitruppe nicht", sagte Ministeriumsberater Stanislaw Retschinski. "Die Polizei vor Ort tat nichts."

US-Botschafter spricht von Terrorismus

Zuvor hatten etwa 3000 Angreifer die Regionalverwaltung in Lugansk gestürmt. Sie holten die ukrainische Flagge herunter und hissten die russischen Farben. Die Polizei verhielt sich passiv. Das örtliche Gebäude des Geheimdiensts SBU war bereits vor drei Wochen gestürmt worden. Dabei hatten die Aktivisten ein großes Waffenarsenal erbeutet. Sie fordern eine Volksabstimmung über eine weitreichende Föderalisierung bis hin zu einem möglichen Anschluss an Russland nach dem Vorbild der Halbinsel Krim. Die in der Nähe der russischen Grenze gelegene Stadt Lugansk hat 465.000 Einwohner.

Laut ukrainischen Medienberichten besetzten prorussische Kämpfer auch das Rathaus der Stadt Perwomajsk nahe Lugansk. Zu Wochenbeginn war das Rathaus von Kostjantiniwka besetzt und dort die Flagge der selbsternannten "Republik Donezk" gehisst worden. Insgesamt halten die Milizen inzwischen Verwaltungsgebäude in rund einem Dutzend ostukrainischen Städten in ihrer Gewalt.

US-Botschafter Geoffrey Pyatt bezeichnete das Vorgehen der Aufständischen im Osten der Ukraine als "Terrorismus". In einer modernen, demokratischen Gesellschaft gebe es keinen Raum für solch "unmenschliches Benehmen".

Angeschossener Bürgermeister ausgeflogen

Der durch Schüsse schwer verletzte Bürgermeister der ostukrainischen Stadt Charkiw, Gennadi Kernes, wurde unterdessen zur medizinischen Behandlung nach Israel gebracht. Israelische Ärzte hätten Kernes für transportfähig erklärt, woraufhin er ausgeflogen worden sei, teilte die Stadtverwaltung mit. Demnach wird der Politiker in einer Privatklinik in der Hafenstadt Haifa behandelt. Diese teilte mit, die bisherige Behandlung schlage an, weitere Operationen seien voraussichtlich nicht nötig. Kernes war am Montag von Schüssen in den Rücken getroffen und schwer verletzt worden. Laut der Stadtverwaltung verübten Unbekannte ein "Attentat".

Kernes ist in seiner Heimat eine schillernde Persönlichkeit mit dem Ruf eines Kriminellen. Unter anderem geht es dabei um Diebstahl und Betrug, aber auch um Entführungs- und Foltervorwürfe. Kernes unterstützte bis zuletzt den im Februar gestürzten prorussischen Staatschef der Ukraine, Viktor Janukowitsch. Die Übergangsregierung in der Hauptstadt Kiew erkennt er nicht an. Allerdings strebt er auch keine Angliederung der östlichen Ukraine an Russland an, sondern wirbt für die Einheit des Landes.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen