Der lange Arm der russischen JustizRichter verurteilen einen Toten

Die russische Justiz lässt nicht so schnell locker. So befinden Moskauer Richter nun den früheren Anwalt und Kreml-Gegner Sergej Magnizki der Steuerhinterziehung für schuldig. Das Kuriose daran: Der Anwalt ist schon lange tot - gestorben unter mysteriösen Umständen in einem russischen Gefängnis. Aus dem Ausland hagelt es Kritik.
In einem umstrittenen Prozess hat ein Moskauer Gericht den im November 2009 im Gefängnis verstorbenen Anwalt Sergej Magnizki wegen Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Außerdem verurteilte das Gericht den früheren Mandanten Magnizkis, William Browder, in Abwesenheit zu neun Jahren Lagerhaft. Der in Großbritannien lebende Browder ist Chef des Investmentfonds Hermitage Capital Management, der sich stark in Russland engagiert hatte. Zusammen mit seinem Anwalt und Wirtschaftsprüfer Magnizki prangerte er Korruption in russischen Behörden an.
Magnizki wurde 2008 wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen, nachdem er einen Korruptionsskandal staatlicher Stellen aufgedeckt hatte. Ein Jahr später starb er im Alter von 37 Jahren in einem Moskauer Gefängnis. Offenbar wurde er von russischen Beamten misshandelt. Im März dieses Jahres stellte die russische Justiz ihre Ermittlungen zum Tod des Anwalts ergebnislos ein.
Erster Prozess gegen einen Toten
Die Behörden schlossen den Fall nach Magnizkis Tod, nahmen ihn aber 2011 wieder auf. Es war der erste Prozess in Russland wegen Steuerhinterziehung gegen einen Toten. Juristen halten das für illegal, weil sich der Tote sich nicht verteidigen kann und Hinterbliebene nicht zustimmten.
Aus dem Ausland gab es für das Urteil Kritik. "Einen Toten zu verurteilen, ist zynisch und menschenverachtend", erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Verurteilung zeige, dass Russland kein Rechtsstaat sei und erst Recht keine lupenreine Demokratie.
Menschenrechtlern zufolge zeigt der Prozess und der Tod Magnizkis die Gefahren, denen sich Kritiker aussetzen, die Korruption und Vetternwirtschaft ans Licht bringen. Das Urteil dürfte auch die Sorge in den USA und der Europäischen Union über Menschenrechte und das Rechtssystem in Russland verstärken. Browders Fondsgesellschaft erklärte: "Dieser Schauprozess zeigt, dass Wladimir Putin bereit ist, seine internationale Glaubwürdigkeit zu opfern, um korrupte Beamte zu schützen, die einen unschuldigen Anwalt ermordet und dem russischen Staat 230 Millionen Dollar gestohlen haben."
Internationale Verwerfungen
Magnizkis Schicksal hatte den US-Kongress im vergangenen Dezember zu Sanktionen gegen russische Funktionäre veranlasst, die für den Tod des Juristen verantwortlich sein sollen. Das russische Parlament beschloss als Reaktion darauf ein Gesetz zum Verbot von Adoptionen russischer Kinder durch US-Bürger.