Politik

Krim-Invasion Russland baut seine Position weiter aus

Bewaffnete russische Nationalisten haben den Zugang zum Hauptquartier der ukrainischen Grenztruppen in Sevastopol abgeriegelt.

Bewaffnete russische Nationalisten haben den Zugang zum Hauptquartier der ukrainischen Grenztruppen in Sevastopol abgeriegelt.

(Foto: dpa)

Weltweit versuchen Diplomaten emsig, einen neuen Ost-West-Konflikt abzuwenden. Kreml-Chef Putin zeigt sich davon ungerührt. Moskau baut auf der ukrainischen Halbinsel Krim seine Position immer stärker aus. Kiew protestiert - der verbale Schlagabtausch tobt an der Schwelle eines Krieges. Unklarheit herrscht indes über ein russisches Ultimatum für einen Rückzug der ukrainischen Streitkräfte.

Russland schafft auf der ukrainischen Halbinsel Krim weiter Fakten. Bei unverändert massiver Militärpräsenz ordnete Moskau den Bau einer strategisch wichtigen Brücke zwischen Südrussland und der überwiegend von Russen bewohnten Halbinsel an. Unklarheit herrscht indes über ein russisches Ultimatum für einen Rückzug der ukrainischen Streitkräfte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer neuen Spaltung Europas. Angesichts der explosiven Situation werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU voraussichtlich am Donnerstag zu einem Sondergipfel treffen.

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Nach ukrainischen Angaben stellte Russland den dort stationierten ukrainischen Streitkräften ein Ultimatum für ihren Abzug. Sie würden aufgefordert, die neue Regierung der autonomen Teilrepublik anzuerkennen, ihre Waffen niederzulegen und von der Halbinsel abzuziehen, sagte der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums, Wladislaw Selesnew, in der Regionalhauptstadt Simferopol. Anderenfalls müsse man sich auf einen Angriff einstellen.

Einem Medienbericht zufolge dementierte die russische Schwarzmeerflotte aber, ein derartiges Ultimatum gestellt zu haben. "Das ist kompletter Unsinn", sagte ein Vertreter der Flotte laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. "Wir sind an tägliche Vorwürfe über den Einsatz von Gewalt gegen unsere ukrainischen Kollegen gewohnt." Bemühungen, Zusammenstöße zu provozieren, würden nicht funktionieren.

Unterschiedliche Zeiten für Ultimatum

Selesnew sagte, die genaue Frist zur Erfüllung der Forderungen sei unklar. Verschiedene Kommandeure hätten de m Ministerium unterschiedliche Zeiten genannt. Sämtliche ukrainischen Stützpunkte auf der Krim würden blockiert, seien aber weiterhin unter Kontrolle der Ukraine. Auf der Krim kontrollieren bereits seit Tagen bewaffnete Einheiten, bei denen es sich allem Anschein nach um russische Soldaten handelt, strategisch wichtige Orte.

Zuvor hatten ukrainische Medien unter Verweis auf einen Sprecher des Kiewer Verteidigungsministeriums berichtet, die Schwarzmeerflotte habe die Besatzung von zwei ukrainischen Kriegsschiffen vor der Stadt Sewastopol zur Aufgabe aufgefordert. In anderen Meldungen war von der angedrohten Erstürmung ukrainischer Stellungen auf der gesamten Krim die Rede gewesen.

Obama: Auf der falschen Seite der Geschichte"

US-Präsident Barack Obama kritisierte Russland scharf. Moskau habe sich "auf die falsche Seite der Geschichte" gestellt, sagte Obama nach einem Treffen mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in Washington.

Der US-Präsident warf der russischen Regierung erneut vor, mit der Entsendung von Truppen auf die ukrainische Halbinsel Krim gegen internationales Recht verstoßen zu haben. Die Weltgemeinschaft sei in dieser Einschätzung "weitgehend vereint", sagte er. Obama drohte der Regierung in Moskau mit Sanktionen. Sollte Russland den aktuellen Pfad fortsetzen, könnten "wirtschaftliche und diplomatische" Maßnahmen zur Isolierung des Landes ergriffen werden.

UN-Botschafter: Janukowitsch bat um Militärhilfe

Noch am Montagabend beschäftigte sich der UN-Sicherheitsrat mit der Krise. Nach Angaben des russischen Diplomaten Vitali Tschurkin hat der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch Moskau um Militärhilfe "zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung" gebeten. In einer Botschaft an Russlands Staatschef Wladimir Putin habe Janukowitsch erklärt, wegen der "Ereignisse in Kiew" befinde sich die Ukraine "am Rande des Bürgerkriegs". Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedjew bezeichnete Janukowitsch als rechtmäßigen Präsidenten der Ukraine.

Wie US-Präsident Barack Obama warf Bundeskanzlerin Angela Merkel Putin vor, mit der "unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben". Alle Seiten müssten jetzt verantwortungsvoll handeln, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es sei noch nicht zu spät, die Krise friedlich zu lösen.

Die Angst vor einer Eskalation trieb den Ölpreis und riss den russischen Aktienmarkt ins Minus. Am Montag gingen die Börsen weltweit auf Talfahrt. Am stärksten fielen die Verluste in Russland aus, dort verlor der Aktienmarkt zeitweise mehr als zehn Prozent. Der russische Rubel sank zum amerikanischen Dollar auf ein Rekordtief.

Prorussische Proteste in Donezk

Bei prorussischen Protesten in der ostukrainischen Stadt Donezk besetzten Hunderte Demonstranten Teile der Regionalverwaltung. Auf der Krim herrschte nach dem Machtwechsel hingegen gespannte Ruhe. Die Halbinsel, auch Sitz der russischen Schwarzmeerflotte, steht seit dem Wochenende voll unter Kontrolle moskautreuer Kräfte.

Zuvor hatten sich die Spannungen dort seit dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch am 22. Febru ar dramatisch verschärft. In der autonomen Republik gibt es Abspaltungsbestrebungen. Die Regierung ist abgesetzt, der moskautreue neue Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow hat Kremlchef Wladimir Putin um Beistand gebeten.

Einen offiziellen Marschbefehl aus Moskau gab es am Montag noch nicht. Das russische Militär hat nach US-Erkenntnissen aber inzwischen die "totale operative Kontrolle" auf der Krim. Nach Darstellung der neuen prorussischen Regierung sind in den vergangenen Tagen rund 6000 Angehörige der ukrainischen Streitkräfte übergelaufen.

Machtansprüche auf beiden Seiten

Der neue prorussische Krim-Regierungschef Aksjonow verteidigte die Machtübernahme. In Kiew auf dem Maidan hätten Politiker zuletzt das ukrainische Volk aufgerufen, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Was für die Hauptstadt gelte, müsse auch für die Autonome Republik Krim gelten, sagte Aksjonow der Zeitung "Rossijskaja Gaseta". Die Regierung in Kiew unterstrich ihren Gebietsanspruch. "Niemand wird die Krim an irgendjemanden abgeben", sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk.

Russlands Parlamentspräsident Sergej Naryschkin sagte, es gebe noch keinen Grund für eine Militärintervention in der Ukraine. Natürlich gebe es weiter eine Chance auf eine politische Lösung, sagte der Putin-Vertraute.

Die ehemalige ukrainische Ministerpräsident Julia Timoschenko rief die Staaten der Welt dazu auf, eine Annektierung der Krim durch Russland zu verhindern. "Wenn es Russland erlaubt ist, die Krim einzunehmen, dann wird sich die Welt verändern", sagte sie in einem Interview mit dem US-Sender CNN.

Steinmeier nennt Punkte zur Deeskalation

Bundesaußenminister Steinmeier forderte die ukrainische und die russische Regierung auf, wieder miteinander zu Reden. Nicht einmalige Gespräche, sondern "laufende Kontakte" müssten sich entwickeln, sagte er bei einer neuerlichen Pressekonferenz am späten Nachmittag in Brüssel. "Mindestens genauso dringlich" sei eine Fact-Finding-Mission auf der Krim, die Fakten unter OSZE-Führung darüber liefern soll, was tatsächlich auf der Halbinsel passiert. "Wir müssen eine verlässliche Übersicht über die Lage on the ground haben", sagte der SPD-Politiker. Außerdem solle eine internationale Kontaktgruppe mit Russland und Ukraine an der Deeskalation der Situation arbeiten.

Die EU verurteilte die russische Militäraktion, hofft aber nach wie vor auf eine politische Lösung des Konflikts. In einer Erklärung, über deren Entwurf die Außenminister in Brüssel berieten, droht die EU Moskau auch Sanktionen an, falls Russland weiterhin Militär in der Ukraine einsetze.

OSZE will Beobachter entsenden

Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte das Vorgehen Moskaus eine "Frage der Verteidigung unserer Bürger und Landsleute und der Sicherung ihrer Menschenrechte". Der Übergangsregierung in Kiew warf er vor, grundlegende Menschenrechte der Russen in der Ukraine zu missachten.

Mit der Zuspitzung des Konflikts wächst auch die Sorge in den Ex-Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen. "Dies ist die schwerste Krise in Europa in jüngster Zeit", sagte Estlands Staatspräsident Toomas Hendrik Ilves.

Die G7-Staaten und die EU riefen Moskau auf, eine Vermittlung oder auch Beobachtung der Vereinten Nationen oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu akzeptieren. Im Gespräch sind eine "Fact Finding Mission" der OSZE in der Ost-Ukraine und auf der Krim sowie eine internationale Kontaktgruppe, die Russland und die Ukraine zum Dialog bringen könnte. Russlands OSZE-Botschafter Andrej Kelin sprach sich allerdings gegen eine OSZE-Mission zum jetzigen Zeitpunkt aus.

n-tv Korrespondent Dirk Emmerich ist in Simferopol und twittert von dort über die aktuelle Entwicklung auf der Krim-Halbinsel.

Quelle: ntv.de, wne/dsi/dpa/AFP

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