"Nicht die Meinung der Regierung" Streit um Röttgens Atom-Ideen
08.02.2010, 08:55 UhrDer Bundesumweltminister will die deutschen Atomkraftwerke maximal 40 Jahre am Netz lassen. Mehrere Vertreter von FDP und Union können mit Röttgens Vorstoß allerdings nichts anfangen. Das offenbart weiteren Beratungsbedarf in der Koalition, zumal der Minister auch seine Fürsprecher findet.

Für viele Konservative ist Röttgens Politik nicht konservativ genug.
(Foto: AP)
CDU-Umweltminister Norbert Röttgen steht mit seinem Vorstoß für eine nur geringfügig längere Atomkraftnutzung nicht nur in der eigenen Partei in der Kritik, sondern auch beim Koalitionspartner FDP. Für Vizekanzler Guido Westerwelle wäre es "ein absolut schwerer Fehler", jetzt aus der Kerntechnik auszusteigen, wie der Außenminister und FDP-Chef im ZDF sagte. "Was der Umweltminister gesagt hat, ist nicht die Auffassung der Bundesregierung." FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisierte, dass die energiepolitische "Linie der Koalition verunklart worden" sei. "Es macht keinen Sinn unsere sicheren Kernkraftwerke jetzt schneller abzuschalten als bisher vereinbart", kritisierte er am Abend in Berlin.
Röttgen hatte gesagt, die Laufzeit der Atomkraftwerke solle zwar wie im Koalitionsvertrag vereinbart verlängert werden, 40 Jahre jedoch nicht überschreiten. Der von Rot-Grün vereinbarte Atomausstieg sah etwa 32 Jahre vor. Bei Unionspolitikern war das auf heftige Kritik gestoßen. Vereinzelt erhielt Röttgen aber auch Unterstützung.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), sagte der "Financial Times Deutschland": "Acht Jahre mehr reichen nicht aus. 60 Jahre Laufzeit sind international üblich."
Zukunft ohne Kernenergie erfinden
Röttgen erhielt aber auch Unterstützung von CDU-Ministerpräsidenten. Die Thüringer Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass sie "den Äußerungen Röttgens zur Energiepolitik voll und ganz" zustimme. Die Kernenergie sei eine Übergangstechnologie, Laufzeiten für Atomkraftwerke sollten "nicht über die Maßen verlängert werden". Unterstützung erhielt der Minister auch vom saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU). "Wir müssen eine Zukunft ohne Kernenergie erfinden", sagte er der "SZ". Änderungen, die das Ziel haben, die Laufzeiten zu verlängern, werde das Saarland im Bundesrat nicht zustimmen.
Auch die Bundeskanzlerin stellte sich in der Debatte hinter ihren Parteifreund. Röttgen argumentiere auf der Grundlage des Koalitionsvertrages, nach dem die Kernenergie eine Brückentechnologie sei, bis sie verlässlich durch erneuerbare Energie ersetzt werden könne, sagte Angela Merkels Sprecher, Ulrich Wilhelm. Die konkrete Ausgestaltung, welche Energieträger in einem Energiemix für welchen Zeitraum eine Rolle spielen würden, werde wie vereinbart bis Herbst im Rahmen des geplanten Energiekonzepts der Regierung erarbeitet.
Die hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) wies derweil Röttgens Kritik an der Idee zurück, die aus einer Laufzeitverlängerung entstehenden Zusatzgewinne der Energiekonzerne teilweise abzuschöpfen. Es sei richtig, dieses Geld in die Erforschung erneuerbarer Energien und besserer Netze zu stecken, sagte sie der "Frankfurter Rundschau".
Quelle: ntv.de, dpa