Politik

Ausgelassene Stimmung und Tränengas Türken feiern gegen Polizeigewalt an

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In Istanbul versammeln sich wieder Tausende, um gegen den Regierungschef Erdogan zu protestieren. Zunächst bleibt es friedlich. Der Präsident versucht, mit versöhnlichen Tönen die Menschen zu erreichen. Als die Demonstranten weiterziehen wollen, kippt die Lage.

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(Foto: REUTERS)

In Istanbul sind in der Nacht wieder Regierungsgegner und Polizei aneinandergeraten. Als eine Gruppe von Demonstranten nach einer friedlichen Kundgebung auf dem zentralen Taksim-Platz in den Stadtteil Besiktas gezogen sei, habe die Polizei sie mit Hilfe von Wasserwerfern und Tränengas gestoppt, meldet ein türkischer Nachrichtensender. In Besiktas befindet sich auch das Istanbuler Büro von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. "Regierung, Rücktritt", forderten die Demonstranten.

Auf dem Taksim-Platz hatten zuvor Zehntausende friedlich gegen die Regierung protestiert. Nach Angaben von Augenzeugen herrschte Feierstimmung. Viele Menschen hätten selbst gemalte Plakate, auf denen sie Erdogan und seine islamisch-konservative Partei kritisierten oder veralberten, gezeigt. Die Polizei habe sich zurückgehalten.

Gül versucht Deeskalation

Zusammenstöße wurden in der Nacht auch aus anderen Städten gemeldet. Aktivisten und türkische Medien berichteten, in der östlichen Stadt Tunceli habe die Polizei sich schwere Straßenkämpfe mit Demonstranten geliefert. Die Polizei habe Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt.

Der Sender CNN Türk berichtet, in Izmir habe die Polizei 16 Menschen festgenommen, weil diese sich auf Twitter geäußert hätten. Die eine Zeitung berichtet zudem, dass in Ankara ein Iraner festgenommen worden sei, der verdächtigt werde, zu Protesten aufgestachelt zu haben.

Am Dienstag, dem fünftem Tag der landesweiten Protestwelle, hatte sich die türkische Regierung erstmals um Deeskalation bemüht. Vizeregierungschef Bülent Arinc entschuldigte sich nach einem Treffen mit Staatspräsident Abdullah Gül für die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten im Istanbuler Gezi-Park. An diesem Einsatz hatten sich die Proteste entzündet, bei denen bisher mindestens zwei Menschen getötet mehr als 2300 weitere verletzt wurden.

Westerwelle: "Zeitpunkt, sich zu beweisen"

Inzwischen richten sich die Demonstranten vor allem gegen den als immer autoritärer empfundenen Kurs Erdogans, der Extremisten für die Demonstrationen verantwortlich gemacht hatte. Vize-Regierungschef Arinc warnte, die Protestierer sollten sich nicht mit illegalen Gruppen einlassen. Arinc will heute mit Vertretern der Demonstranten zusammenkommen berichtet CNN Türk. Erdogan selbst ließ sich von den Protesten in seiner Heimat nicht von einer Arabien-Reise abbringen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sieht in der Protestwelle in der Türkei eine Bewährungsprobe für Erdogan. "Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die türkische Regierung beweisen kann und muss, dass sie es mit der Modernisierung der Türkei ernst meint", sagte Westerwelle. Die Proteste zeigten, dass es dort "in zunehmendem Maße eine lebendige Zivilgesellschaft gibt", die ihre Stimme erhebe und ihre Rechte einfordere. Eine erfolgreiche und moderne Türkei sollte sich "auch durch das gelebte Bekenntnis zu Pluralismus und Bürgerrechten beweisen" und nicht nur durch wirtschaftliche Dynamik glänzen.

Quelle: ntv.de, dpa

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