Politik

Orban trotzt EU-Kritik Ungarn ändert Verfassung

Ungarns Präsident Viktor Orban ließ sich von den Protesten nicht beirren.

Ungarns Präsident Viktor Orban ließ sich von den Protesten nicht beirren.

(Foto: REUTERS)

Mit der Novellierung des Grundgesetzes droht dem Verfassungsgericht in Ungarn die Entmachtung. Die EU-Kommission will dem nicht tatenlos zusehen und äußert offene Kritik. Premier Orban nimmt den Konflikt mit Brüssel in Kauf.

Das Parlament in Budapest

Das Parlament in Budapest

(Foto: dpa)

Gegen Kritik und Widerstände aus dem In- und Ausland hat das ungarische Parlament weitreichende Verfassungsänderungen verabschiedet. Die Novelle beinhaltet unter anderen eine Beschneidung der Befugnisse des Verfassungsgerichts. Damit kann die Regierung künftig in die Tätigkeit der unabhängigen Justiz eingreifen. Kurz vor der Abstimmung im Parlament in Budapest hatte die EU-Kommission den Druck auf die rechtskonservative Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban verstärkt. Eine Sprecherin kündigte rechtliche Schritte an, falls die Änderungen in der angekündigten Form gebilligt werden sollten.

Für die Vorlage stimmten die 265 Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten), was die nötige Zweidrittelmehrheit ergab. Elf Abgeordnete stimmten dagegen, 33 weitere enthielten sich der Stimme. Die Delegierten der oppositionellen Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) boykottierten das Votum.

Die Verfassungsänderungen hatten schon im Vorfeld wegen ihrer möglicherweise demokratieschädigenden Stoßrichtung in Ungarn für Proteste und Besorgnis im Ausland gesorgt. Eine Anti-Terror-Einheit nahm etwa 20 Schüler fest, die mit einer Sitzblockade einen Zugang zum Parlament blockiert hatten.

Verfassungsgericht geschwächt

Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte die Einhaltung europäischer Grundwerte. "Wir sind in Europa eine Wertegemeinschaft. Und das muss sich auch nach innen in der Verfasstheit der Länder zeigen", sagte er vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel.

Die 4. Verfassungsnovelle ergänzt das erst seit Anfang 2012 geltende neue Grundgesetz. Unter anderen sieht sie vor, dass sich das Verfassungsgericht künftig nicht mehr auf seine Spruchpraxis aus der Zeit vor Inkrafttreten der neuen Verfassung stützen darf. Kritiker befürchten eine Marginalisierung des obersten Gerichts, das sich zuletzt häufig auf seine frühere Grundrechte-Interpretation berufen hatte, wenn es demokratisch bedenkliche Gesetze außer Kraft setzte.

Darüber hinaus darf das Verfassungsgericht künftig vom Parlament beschlossene Änderungen der Verfassung nur noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, nicht aber inhaltlich prüfen. Eine weitere Bestimmung sieht vor, dass die Präsidentin des Nationalen Justizamtes - eine von Orban eingesetzte loyale Funktionärin - bestimmte Fälle bestimmten Gerichten zuweisen kann. Diese Regelung war auch von der EU-Kommission ausdrücklich kritisiert worden.

"Die Verfassung ist kein Spielzeug"

Andere Bestimmungen erheben Gesetze in den Verfassungsrang, die zuvor vom Verfassungsgericht gekippt wurden. Darunter fallen die willkürliche Zuteilung des Kirchenstatus durch die Regierungsmehrheit im Parlament und das Verbot von Wahlwerbung im privaten Fernsehen. Außerdem wird Obdachlosigkeit unter Strafe gestellt.

Tausende Menschen hatten am Wochenende im Zentrum von Budapest unter dem Motto "Die Verfassung ist kein Spielzeug" gegen die Novelle demonstriert. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte in einem Telefonat mit Orban seine Sorge bezüglich der Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien geäußert. "Wir müssen schauen, ob unsere Sorgen berücksichtigt wurden", sagte eine Sprecherin der Kommission. "Wenn das nicht der Fall ist, steht uns eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung. Und wir werden nötigenfalls alle Instrumente nutzen."

Ungarns Staatspräsident Janos Ader wurde zum Auftakt eines zweitägigen Deutschland-Besuchs in Berlin von Bundespräsident Joachim Gauck empfangen. Ader kann die vom Parlament beschlossene Novelle theoretisch zur Prüfung an das Verfassungsgericht verweisen.

Quelle: ntv.de, dpa

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