Politik

"Erhebliche Bedenken" Union gegen Türkei-Beitritt

Der umstrittene Auftritt des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan in Köln hat die Union in ihrer Auffassung bestätigt, einen Beitritt der Türkei zur EU abzulehnen. "Ich habe erhebliche Bedenken gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei", sagte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach bei n-tv. Erdogan müsse sich in Deutschland nicht "als Schutzmacht der türkischen Landsleute aufspielen", fügte er hinzu. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei würde die "Integrationskraft der EU weit überdehnen". Auch aus der CSU kamen kritische Töne. "Erdogan hat türkischen Nationalismus auf deutschem Boden gepredigt. Das ist antieuropäisch und belegt unsere Bedenken hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei", sagte CSU-Chef Erwin Huber.

Man müsse "jetzt überlegen und prüfen, ob unter diesen Umständen die Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei überhaupt noch sinnvoll ist", so Huber. Die Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei gehört zum Kernbestand der CSU-Europapolitik.

Erdogan hatte am Sonntag bei einem Auftritt vor Landsleuten in Köln unter anderem die in Deutschland lebenden Türken zur Integration aufgefordert, zugleich aber vor völliger Aufgabe ihrer kulturellen Identität (Assimilation) gewarnt.

Einmischung in innere Angelegenheiten

"Diese Rede war höchst unerfreulich", sagte Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) der "Nürnberger Zeitung". Erdogan stelle die türkische Sprache und Kultur eindeutig über die deutsche, so Beckstein. Es sei zwar nicht verboten, wenn sich der Premier bei seinem Deutschland-Besuch an die türkische und türkischstämmige Gemeinschaft wende, die Art und Weise aber, wie er es getan habe, sei "aus deutscher Sicht höchst problematisch".

Unions-Fraktionschef Volker Kauder warf Erdogan vor, sich in die inneren Angelegenheiten Deutschlands einzumischen. Die Türken, die die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, müssten loyal zu Deutschland sein, betonte Kauder. Kauder warnte "dringend" davor, die in Deutschland geborenen Türken als eine Bevölkerungsgruppe zu verstehen, die lediglich auf der Durchreise in das Land ihrer Eltern seien.

Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck reagierte mit scharfen Worten auf die Vorstellung Erdogans, der auch türkisch-sprachige Universitäten und Schulen in Deutschland verlangt hatte. "Wir wollen keine Parallelgesellschaften in Deutschland", sagte Struck zur Begründung seiner Ablehnung von Erdogans Position. "Ich finde die Aussagen von Herrn Erdogan sehr unglücklich."

Gysi hat Verständnis

Der Chef der Linken Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, versteht die Aufregung um die Erdogan-Rede hingegen nicht. Schließlich müsse man doch sehen, dass Erdogan versucht hat, hier Wahlkampf zu machen, sagte er bei n-tv. Gleichzeitig müsse allerdings auch festgehalten werden, dass die Integrationspolitik in Deutschland zweifellos nicht erfolgreich gewesen sei. "Wenn man in einem anderen Land lebt, muss man auch die Sprache und die Kultur annehmen und trotzdem sich seine eigene Sprache und seine eigene Kultur bewahren", so Gysi. Er habe im Übrigen auch nichts gegen ein türkisches Gymnasium in Deutschland: "Wir haben ja auch ein französisches Gymnasium."

Integrationskurse kommen gut an

Unterdessen berichtete die "Süddeutsche Zeitung", dass die Integrationskurse der Regierung auf bemerkenswerte Resonanz stoßen. Nach Zahlen des Innenministeriums hätten von Januar 2005 bis Ende September 2007 rund 350.000 Migranten solche Kurse belegt, in denen ihnen die deutsche Sprache und das Gesellschaftssystem vermittelt werden. 498.000 Zuwanderer wären demnach zur Teilnahme berechtigt gewesen. 101.530 hätten die Prüfung abgelegt, davon hätten 70 Prozent bestanden.

Quelle: ntv.de

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