Politik

Abschottungspolitik in Europa Von Pontius und Pilatus

Afrikanische Migranten im Hafen von Tripolis. Ihr Schiff wurde von der italienischen Küstenwache nach Libyen gebracht. Sie erhielten nie die Chance, einen Asylantrag in Europa zu stellen. Stattdessen werden sie wohl in eines der gefürchteten libyschen Flüchtlingslager gebracht.

Afrikanische Migranten im Hafen von Tripolis. Ihr Schiff wurde von der italienischen Küstenwache nach Libyen gebracht. Sie erhielten nie die Chance, einen Asylantrag in Europa zu stellen. Stattdessen werden sie wohl in eines der gefürchteten libyschen Flüchtlingslager gebracht.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Das deutsche Strafgesetzbuch kennt den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung: Wer bei Unglücksfällen oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und zumutbar wäre, erhält eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Die Menschenrechte kennen einen solchen Paragrafen nicht. Dennoch ist es genau der Punkt, bei dem die europäische und deutsche Menschenrechtspolitik so regelmäßig wie vorsätzlich versagt. Mehr noch: Sie führt diese Unglücksfälle sogar mutwillig herbei.

Zu Recht prangert Amnesty die "Abschottungspolitik der Europäischen Union" an, die den Menschenrechten widerspricht. Besonders krass ist das im Mittelmeer zu beobachten. Die französische Zeitschrift "L'Express" berichtete Anfang Dezember, französische Geheimdienste schätzten, dass im Schnitt jeder vierte Flüchtling ertrinkt, der den Weg über das Mittelmeer wagt. 2008 erreichten rund 70.000 Flüchtlinge Italien, Spanien, Malta oder Griechenland über das Mittelmeer. Legt man diese Zahl zugrunde, muss man von mehr als 17.000 Toten ausgehen. Doch viele Flüchtlinge erreichen Europa gar nicht, sie werden abgeschoben, ohne die Chance auf ein faires Asylverfahren zu bekommen.

"Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde", heißt es in der Genfer Flüchtlingskonvention. Den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist das egal. Deutschland ist über die europäische Grenzschutzbehörde Frontex unmittelbar an diesem Vorgehen beteiligt.

Die EU stiehlt sich aus ihrer Verantwortung

Ohne Verfahren schiebt Europa Flüchtlinge in Staaten wie Libyen und Mauretanien ab. "Keiner der nordafrikanischen Staaten hat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert, keiner der nordafrikanischen Staaten bekennt sich zum Flüchtlingsschutz", sagt Monika Lüke, die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, im Interview mit n-tv.de. Lüke findet es "ganz und gar unbegreiflich, wie die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Idee kommen können, die nordafrikanischen Staaten könnten ein angemessener Platz für Flüchtlinge sein - die EU stiehlt sich da komplett aus ihrer Verantwortung".

Das Gleiche gilt für Guantánamo: Jahrelang kritisierte Europa das amerikanische Gefangenenlager. Jetzt, wo US-Präsident Barack Obama Hilfe bei der Auflösung des Lagers braucht, schweigt Europa. 50 Gefangene gibt es in Guantánamo, die sofort freigelassen werden könnten, weil strafrechtlich gegen sie nichts vorliegt. Sie sind nur deshalb weiterhin dort, weil sie nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können. Wenn jeder EU-Staat nur zwei von ihnen aufnähme, wäre das Problem gelöst.

Schließlich die Roma. Ihre Situation in Europa ist schrecklich, beklagt Monika Lüke. Den deutschen Behörden ist das auch das egal, sie schieben Roma selbst in den Kosovo ab, wo ihnen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen. Unterlassene Hilfeleistung? Die deutschen Innenminister halten es mit Pontius Pilatus und waschen ihre Hände in Unschuld. Sie hatten einen Abschiebungsstopp für Roma bei ihrem jüngsten Treffen nicht einmal auf der Tagesordnung.

Quelle: ntv.de

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