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Zwischenruf Affenschande am Affenfelsen

In Portsmouth verlässt ein britisches Kriegsschiff den Hafen Richtung Gibraltar.

In Portsmouth verlässt ein britisches Kriegsschiff den Hafen Richtung Gibraltar.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der britisch-spanische Dauerkonflikt ist wieder einmal eskaliert. Doch zum ernst gemeinten Wink mit dem militärischen Zaunpfahl ist es seit dem Sturz der Franco-Diktatur 1975 nie gekommen. Für manch einen ist es Theaterdonner. Doch die Gefahr, dass es mehr wird, ist groß.

An der Grenze zu Gibraltar bilden sich kilometerlange Staus.

An der Grenze zu Gibraltar bilden sich kilometerlange Staus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Konflikt zwischen Spanien und Großbritannien um die Halbinsel Gibraltar kocht wieder in gefährlicher Weise hoch. Die Entsendung eines britischen Flottenverbandes vor die Küste des "Überseeterritoriums" auf dem Südzipfel der Iberischen Halbinsel weckt Erinnerungen an den Konflikt zwischen Marokko und Spanien um die vor der Küste der spanischen Exklave Ceuta gelegene Petersilieninsel im Jahre 2002. Manch einer in Spanien malt sogar das Gespenst des Krieges zwischen dem Vereinigten Königreich und Argentinien um die Falklandinseln/Malvinen 1982 an die Wand.

Zwar sind die britischen Manöver seit längerem geplant: Dem "Abstecher" nach Gibraltar folgt ein Besuch in Malta. Danach sollen Übungen mit der albanischen Marine stattfinden. Doch vor dem aktuellen Hintergrund gewinnt das Manöver eine neue, bedrohliche Dimension. Immerhin will eine spanische Fregatte die Fahrt der britischen Schiffe "begleiten".

Zugespitzt hatte sich der Konflikt, nachdem Gibraltar mehrere, mit Eisenstäben gespickte Betonblöcke im Golf von Algeciras versenkt hatte, um spanische Fischer am Auswerfen von Schleppnetzen vor der Küste zu hindern. Spanien erkennt die britische Herrschaft über Gibraltar zwar de facto an, gesteht dem Gebiet aber keine eigenen Küstengewässer zu. Madrid verschärfte daraufhin seine Kontrolle an der Grenze, was zu kilometerlangen Staus führte und Handel wie Tourismus erheblich beeinträchtigte. Die spanische Regierung sichert jetzt jedem betroffenem Fischer eine Entschädigung zu.

Eine Rolle spielt auch, dass Gibraltar – wie viele der britischen "Überseeterritorien" und Kanalinseln so wie die Isle of Man – eine Steueroase ist. Gibraltar wird auch als Durchgangsort für den Drogenschmuggel genutzt. Schon im Vertrag von Utrecht 1713, in dem die spanische Krone Gibraltar an die britische abtrat, war auf die Bedrohungen hingewiesen worden, die von der Konterbande ausgeht.

Sowohl Spanien als auch Großbritannien kommt die Zuspitzung gelegen. Bestechungsskandale bis in die königliche Familie hinein, der Fall "Bárcenas", bei dem es um illegale Parteienfinanzierung der regierenden rechtskonservativen Volkspartei geht und schließlich die Finanzkrise: Die Zustimmung für das Kabinett des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ist von anfänglich 45 auf 33 Prozent gesunken.

Großbritannien gilt bei vielen bereits als neuer kranker Mann Europas: Die Konservativen von Premierminister David Cameron sackten von 36 Prozent im Juni auf 32 im Juli ab und liegen damit deutlich hinter Labour, die 40 Prozent verbuchen kann. Wenngleich sich die Wirtschaft leicht erholt hat, ist die Arbeitslosigkeit unverändert hoch. Jeder Fünfte unter 25 Jahren hat keinen Job.

Wie so häufig schon in der Geschichte wird versucht, von innenpolitischen Problemen mit Hilfe von außenpolitischem Hyperaktionismus abzulenken. Häufig genug mündete dies in Kriegen. Das mögen der Realitätssinn der Kontrahenten und die NATO verhindern. Zumindest in Fällen von Spannungen zwischen den Mitliedern der Allianz hat das Bündnis sich als Instrument des Krisenmanagements bewährt. Siehe Griechenland und die Türkei.

Aber dass Eskalationen à la espagnole-britannique überhaupt möglich sind, zeigt, wie dünn das Eis der Partnerschaft ist. Auch politisches Eis kann in der Hitze des Gefechts schmelzen. Die von Spanien angedrohten Schritte – Wegzoll für Touristen und Arbeiter auf der jeweils anderen Seite der Grenze sowie Schließung des Luftraums - sind kaum dazu angetan, die Temperatur sinken zu lassen. Eine Affenschande, was da passiert.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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