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Freiwillige Öko-Abgabe Merkel erreicht Klassenziel nicht

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(Foto: REUTERS)

Die Bundeskanzlerin will das "Zeitalter der neuen Energien" einläuten, den Industriestandort Deutschland erhalten und die Umweltverträglichkeit sichern. Soweit das Ziel. Der Weg der Bundesregierung führt jedoch in eine andere Richtung.

Die AKW-Betreiber sind der große Gewinner, und die Bundeskanzlerin steht da wie ein begossener Pudel. Auf ihrer "Lernreise", wie Eon-Chef Johannes Teyssen despektierlich die Energiereise Angela Merkels durch Deutschland bezeichnete, hat die Kanzlerin offensichtlich wenig dazu gelernt. Wie immer laviert sie sich durch die Krise und versucht, am Ende allen gerecht zu werden: Dem Koalitionspartner, der Atomlobby, dem Finanzminister, dem Umweltminister und der Ökoenergie-Branche. Das kann nicht funktionieren.

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(Foto: dpa)

Seit Wochen wird gestritten, wie die Einkünfte aus einer Brennelementesteuer und einer Öko-Stromabgabe verteilt werden könnten. Es wird gefeilscht und am Fell des Bären gezerrt, bevor dieser erlegt ist. Wegen des Streits wurde das Thema Laufzeitverlängerung nur noch am Rande behandelt. Dieser Schritt scheint schon längst gemacht, ohne überhaupt die rechtliche Seite geklärt zu haben. Oder sich gar mit den Bundesländern ins Einvernehmen zu setzen. Die Atomlobby bekommt ihre Laufzeitverlängerung. Um wie viel länger ist noch unklar. Die Industrie erhält weiter Subventionen, kann – wenn sie denn möchte – in die Ökostrombranche investieren, um mit staatlichem Segen eine weiße Weste tragen zu dürfen.

Für die empfohlene Laufzeitverlängerung kann sich die Bundesregierung schließlich auf "unabhängige wissenschaftliche Expertisen" stützen. Allerdings weist der Urheber dieser Expertisen, das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI) selbst daraufhin, dass es von den Energiekonzernen und Akw-Betreibern mitfinanziert wird.

Subventionen seit 1950

Nur dank Staatshilfen gilt die Atomindustrie heute als der günstigste Energieträger. Seit 1950 sind nach Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) mindestens 165 Milliarden Euro an Subventionen in die Atomindustrie geflossen. Auch die Stein- und Braunkohle hat in derselben Zeit von über 430 Milliarden Euro staatlichen Förderungen profitiert. Trotz Haushaltkrise gibt der Staat derzeit jährlich 48 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen aus. Im krassen Widerspruch dazu werden wichtige Förderungen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz stark beschnitten, das Marktanreizprogramm (MAP) für die Erneuerbaren wird deutlich gekürzt. Auch die Förderprogramme zur energetischen Gebäudesanierung werden in diesem Jahr auf 1,35 Milliarden Euro zurückgefahren. Für das kommende Jahr wird die Förderung sogar auf nur noch 400 Millionen Euro begrenzt.

Welche Selbstverpflichtungen?

Jetzt kommt Merkel also mit der Idee der Selbstverpflichtung um die Ecke. Als ob dies jemals Erfolg haben könnte: Bislang waren alle freiwilligen Selbstverpflichtungserklärungen der deutschen Industrie Schall und Rauch. Weder wurde die Selbstverpflichtung zum Klimaschutz der Wirtschaft erfüllt, noch die Erklärung der Industrie zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, noch die Erklärung der Automobilwirtschaft zur Absenkung des CO2-Ausstoßes von PKW. Und die Atomindustrie zeigt aktuell mit dem Bruch des Atomkonsenses aus dem Jahr 2000, wie sie es mit der Verbindlichkeit von Absprachen hält.

An der Strombörse in Leipzig machen Eon, RWE und Co. die fetten Gewinne – jährlich 5 bis 6 Milliarden Euro. Gleichzeitig wälzen sie ihre milliardenschweren Folgekosten der Erzeugung von Atomstrom auf die Steuerzahler ab. Diese Gewinnmitnahmen gehören abgeschöpft! Oder dürfen Sie etwa entscheiden, ob Sie Steuern zahlen möchten oder nicht?

Atomkraft ist keine Brücke, sondern ein Irrweg, der Deutschland in eine gefährliche energiepolitische Sackgasse führt. Die Laufzeitverlängerung blockiert den nötigen Fortschritt bei Wind und Sonne. All das hat Angela Merkel nicht gelernt auf ihrer "Lernreise". Sie hatte wahrlich schlechte Lehrer. Das Erreichen des Klassenziels ist gefährdet.

Quelle: ntv.de

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