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Schauprozess gegen Pussy Riot Putin lässt die Maske fallen

Im Käfig: Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina.

Im Käfig: Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina.

(Foto: REUTERS)

Brachial geht Russlands Präsident Putin gegen die Opposition vor. Vorläufiger Höhepunkt ist der Prozess gegen die Punkband Pussy Riot, der die Verlogenheit und die Unerbittlichkeit des Systems entlarvt. Die Botschaft ist deutlich: "Ihr könnt die nächsten sein."

In Russland sagt ein Strafprozess häufig mehr über die Ankläger aus als über die Angeklagten. Das gilt auch für das Verfahren gegen drei der Mitglieder der Punkband Pussy Riot, das den tiefen Zynismus und die schonungslose Brutalität des Systems Putin zeigt. Die jungen Frauen, davon zwei Mütter kleiner Kinder, werden zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt – wegen eines politischen Protests.

Russlands Präsident Wladimir Putin ist dabei, auch die allerletzten Reste liberaler Maskerade aufzugeben. Seit seiner manipulierten Wiederwahl gehen die Sicherheitsapparate massiv gegen die Opposition vor. Einschüchterungen, Durchsuchungen, Verhaftungen sind in Moskau und St. Petersburg an der Tagesordnung. Und nun als vorläufiger Höhepunkt dieser Prozess, der eine absurde Inszenierung von Rechtsstaatlichkeit ist. Die Vorwürfe sind im Grunde lächerlich – doch die Konsequenzen für die drei Frauen sind üble Realität.

Aus "Parasiten" werden "Hooligans"

Nicht nur deshalb erinnern Szenen im Gerichtssaal an die Schauprozesse in der Sowjetunion. Das Urteil steht schon vorher fest, Richter und Anklage versuchen nicht einmal, ihre Parteilichkeit zu verschleiern. Die Vorwürfe sind absurd. In den 60er Jahren wurde der Dichter Joseph Brodsky wegen "Parasitentums" zur Zwangsarbeit verurteilt. Heute wird den Frauen "Hooliganismus" und "religiöser Hass" zur Last gelegt - wegen einer schrillen, kurzen Performance in der Moskauer Erlöserkathedrale. Die Angeklagten erscheinen mutig, aufrecht, mit innerer Würde. Richter und Staatsanwälte erweisen sich dagegen als verlogene, unmoralische, unerbittliche, eifernde Untertanen.

Doch bei allen Parallelen: Russland unter Putin unterscheidet sich von der Sowjetunion unter Stalin oder Breschnew. Das Land ist viel freier und offener. Der Prozess findet öffentlich statt, russische und ausländische Journalisten sind im Gerichtssaal und berichten. Es gibt Demonstrationen gegen das Verfahren - auch wenn die Protestierenden mit Konsequenzen rechnen müssen.

Christliche Fassade

Aber der wichtigste Unterschied ist: Zu Sowjetzeiten gab es eine vermeintlich höhere Sache namens Kommunismus. Unter Putin fehlt es in Russland an einer vergleichbaren, sinnstiftenden Idee, in dem Land gibt es keine verbindende Ideologie. Die orthodoxe Kirche erweist sich als willfähriger Handlanger, um diese Leere zu füllen. Genau gegen diese scheinheilige Fassade eines zutiefst unmoralischen Systems hat Pussy Riot demonstriert.

Und deshalb ist dieser Prozess nichts als eine zynische Travestie von Justiz. Auf die Liberalen, die Mittelschicht wirkt diese Inszenierung befremdlich. Und exakt darum geht es dem System Putin: Dass sich die Oppositionellen im eigenen Land fremd fühlen, als Minderheit, als Außenstehende.

Dieser Prozess zeigt ihnen, dass sie allen Grund haben, Angst zu haben - vor Razzien, willkürlichen Verhaftungen. Es spielt keine Rolle, wie lange die drei jungen Frauen in ein Lager gesperrt bleiben. Wer sich gegen das System stellt, soll sich davor fürchten, der nächste im Käfig zu sein.

Quelle: ntv.de

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