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Linke verlieren an Akzeptanz Rückwärts immer

Bei den Linken wird der Führungsstreit immer heftiger; ihre Umfragewerte gehen nach unten. Fraktionschef Gysi stößt mit seiner Bemerkung einer möglichen Rückkehr von Oskar Lafontaine für das erfolglose Duo Lötzsch/Ernst an die Parteispitze in ein Wespennest.

Gregor Gysi hat eine heftige Debatte losgetreten.

Gregor Gysi hat eine heftige Debatte losgetreten.

(Foto: dpa)

22. September 2002: Die Bundestagswahl ist gelaufen und die von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführte rot-grüne Koalition noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Am linken Rand des politischen Spektrums bricht dagegen ein großes Wehklagen aus, denn die PDS erreicht mit 4,3 Prozent keinen Fraktionsstatus mehr. Die direkt gewählten Berliner Abgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch sitzen in den folgenden drei Jahren verloren und isoliert in der hintersten Reihe.

Zuvor hatten heftige Flügelkämpfe die Sozialisten erschüttert. Parteichefin Gabriele Zimmer hatte die PDS auf knallharten Linkskurs gebracht. Während der größten Krise warf die Thüringerin im Jahr 2003 auf Druck der Altvorderen Lothar Bisky und Gregor Gysi die Brocken hin. Bisky musste wieder ins Berliner Karl-Liebknecht-Haus einziehen und die PDS-Scherben zusammenfegen.

Nun ist wieder Unruhe in der Partei, die sich nun Die Linke nennt. Und erneut ist es die Parteispitze, die in der Kritik steht und Gysi, der dem aus Lötzsch und Klaus Ernst bestehenden Führungsduo durch die Blume deutlich macht, dass er nicht viel von ihm hält, entfesselt eine Führungsdebatte. Nur sind diesmal die Rollen vertauscht. Statt Bisky, der wie Zimmer nun im Europaparlament sitzt,  wünscht sich der Fraktionschef nun Oskar Lafontaine zurück - in einer "Notsituation" natürlich.

Westausdehnung stockt

Die Linken schlittern wieder in eine tiefe Krise. Der Streit zwischen realpolitischem und linkem Flügel spitzt sich zu. Auch beim Streit zwischen Ost- und West-Landesverbänden, was das Regieren in Koalitionen angeht, ist man keinen Schritt vorangekommen. Die Linke, die vom Wähler bei der Bundestagswahl 2009 mit 11,9 Prozent der abgegebenen Stimmen ordentlich ausgestattet worden war, ist drauf und dran, ihren Kredit zu verspielen. In den meisten Umfragen liegt ein zweistelliges Ergebnis bereits in weiter Ferne.

Wechselt Oskar Lafontaine wieder von der Saar an die Spree?

Wechselt Oskar Lafontaine wieder von der Saar an die Spree?

(Foto: dpa)

Nach den Wahlpleiten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist auch das große Projekt Westausdehnung ins Stocken geraten. Die Linke kam nicht mal annähernd an die Fünf-Prozent-Hürde heran. Man habe nicht viel falsch gemacht, sagte Parteichef Ernst in einem Anflug von Realitätsverdrängung sinngemäß. Die Atomkatastrophe in Japan habe schlichtweg den Grünen in die Hände gespielt.

Es ist augenscheinlich, dass die Deutschen den Linken trotz - oder vielleicht wegen - deren Forderung nach sofortigem Ausstieg aus der Atomenergie in Umweltfragen keinerlei Kompetenz zubilligen. "Unsere atom- und umweltpolitischen Vorstellungen werden nicht ausreichend zur Kenntnis genommen", klagte Ernst nach dem Wahldebakel im Südwesten. Er hat zweifellos recht. Allerdings erinnern sich viele Bundesbürger auch immer noch an die rauchenden Schlote von Bitterfeld und die verdreckten Flüsse in der DDR - das SED-Erbe lastet schwer. Zudem kann die Linke in Zeiten des ökonomischen Aufschwungs mit Parolen wie "Hartz IV muss weg!" nur wenig punkten.

Noch immer kein Programm

Damit wird allerdings auch deutlich, dass die Linke, was die Zukunftsgestaltung in Deutschland angeht, inhaltlich nicht aufgestellt ist. Bereits seit Jahren wird über das Parteiprogramm diskutiert - wie gesagt: diskutiert.

Sehr umstritten: Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

Sehr umstritten: Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

(Foto: picture alliance / dpa)

So hat Gysi mit seiner Lafontaine-Bemerkung in ein Wespennest gestoßen. Die Bundesvorsitzende Lötzsch fühlt sich entsprechend getroffen und keilt mit ihrer Bemerkung, der Fraktionschef müsse seinen Spieltrieb zügeln, ordentlich zurück.

Unrecht hat Gysi allerdings nicht. Die Linke beschäftigt sich wieder mit sich selbst; Inhaltliches tritt in diesen Tagen wieder völlig in den Hintergrund. Allerdings gibt auch er seit Monaten keine überzeugende Figur ab. In der von Gysi geführten Bundestagsfraktion wird sich heftig gezofft.   

Lötzsch und Ernst werden wohl - wenn sie ihren Führungsstil beibehalten - nicht mehr lange der Partei vorstehen. Eine Rückkehr Lafontaines ist daher so unwahrscheinlich nicht. In Anbindung an den Honecker-Spruch "Vorwärts immer, rückwärts nimmer" muss bezüglich der Personalpolitik der Linken wohl konstatiert werden: "Rückwärts immer."

Quelle: ntv.de

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