Zwischenruf Spanien: Nieder mit der Monarchie
17.04.2012, 14:29 UhrDie Eskapaden von Spaniens König Juan Carlos und Mitgliedern seiner Familie werfen erneut die Frage nach dem Sinn von Monarchien in Europa auf. Eine Garantie gegen Dekadenz oder Korruption ist die Republik nicht. Aber ein gewähltes Staatsoberhaupt kann leichter zum Rücktritt gezwungen werden. Und billiger ist es allemal.

Sind Monarchien noch zeitgemäß? Sofia zusammen mit Juan Carlos, den ein Unfall bei der Elefantenjagd derzeit ans Klinikbett fesselt.
(Foto: REUTERS)
Dass nicht nur der Jäger im grünen Rock, sondern auch ein anderer mal einen Bock schießt, ist bekannt. König Juan Carlos I. von Spanien schießt sogar Elefanten. Dass der König zugleich Ehrenpräsident der spanischen Sektion der weltweiten Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) ist, offenbart die Bigotterie des Mannes, den beim Abschuss eines Elefanten in Botsuana nichts weiter antreibt, als die Gier nach einem Foto im Familienalbum und die Stoßzähne an der Wand - eines der vielen - Familienpaläste der Bourbonen. Dass die Spanier für die Lizenz zum Töten und den Abschuss eines unschuldigen Tieres 55.000 Euro hinblättern müssen, schlägt dem Weinfass den Boden aus.
In dem Land mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit in der EU und einem dort nur noch von Griechenland übertroffenen sozialen Kahlschlag wirft der Monarch Geld zum Fenster hinaus. Der König entblödet sich zugleich nicht, "sein" Volk zur Aufgabe "sozialer Gewohnheiten" aufzufordern. Ministerpräsident Mariano Rajoy will zwar auch die staatlichen Zuwendungen für das Königshaus kürzen. Und zwar um lächerliche zwei Prozentpunkte auf knapp 8,3 Millionen Euro. An anderen Stellen sollen dem Rotstift bis zu 35 Prozent zum Opfer fallen.
Die Gesetze der Royals
Nicht zuletzt die mutmaßliche Veruntreuung von öffentlichen Geldern in Millionenhöhe durch Juan Carlos' Schwiegersohn Iñaki Urdangarín offenbart, wie doppelbödig die Moral der Herrscherfamilie ist. Auch ansonsten kümmern sich die angeblichen Blaublütler wenig um die Gesetze: Juan Carlos' dreizehnjähriger Enkel Felipe Juan Froilán verletzte sich bei Schießübungen mit einem Kleinkalibergewehr. Der Umgang mit Schusswaffen ist Kindern unter 14 Jahren in Spanien verboten.
Die Monarchie mag andernorts in Europa wie in Dänemark, den Niederlanden und Norwegen ihre Existenzberechtigung aus ihrem Widerstand gegen die Nazis ableiten. In Spanien dankte Alfonso XIII., der Vater von Juan Carlos, 1931 ab. Die im Ergebnis freier Wahlen entstandene Republik wurde von den Franquisten im Bündnis mit Hitlers Deutschland und Mussolinis Italien im Blut ertränkt. Es war Diktator Francisco Franco, der Juan Carlos 1969 zu seinem Nachfolger als König bestimmte. Nach Francos Tod 1975 wurde er zum Staatsoberhaupt ausgerufen, was nachträglich durch ein Referendum bestätigt wurde.
Es lebe die Republik!
Weitgehend unstrittig ist, dass der König in der Übergangszeit zur Stabilisierung der Demokratie beitrug. Gleichwohl geht aus einem Kabel des damaligen Botschafters ans Bonner Auswärtige Amt hervor, Juan Carlos habe Sympathien für die Putschisten um Antonio Tejero erkennen lassen. Der Oberstleutnant der paramilitärischen Guardia Civil hatte am 23. Februar 1981 mit 200 Kumpanen das Parlament gestürmt. Ziel des in Spanien 23-F genannten Coup d'État war es, den Demokratisierungsprozess umzukehren. Juan Carlos habe zwar, so spanische Historiker, den Demokratisierungsprozess weiterführen wollen. Er sei aber am Sturz der konservativen Regierung interessiert gewesen, deren Chef Adolfo Suárez gegenüber dem NATO-Beitritt Spaniens zumindest eine ambivalente Haltung einnahm. Dies sei durch Suárez' vorherigen Rücktritt aber obsolet geworden.
Es ist wahr: Auch die republikanische Regierungsform ist keine Garantie gegen Dekadenz oder Korruption in den obersten Etagen der Macht. Aber ein Präsident auf Abwegen ist leichter zum Rücktritt zu bewegen. Und kostet das Volk weniger. In Deutschland zum Beispiel etwas mehr als viereinhalb Millionen. Es lebe die Republik!
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de