Reise

"Dirty Dancing" mit Günter Mittag Retro-Kino auf Rügen

Die DDR-Größen machten hier Luxusurlaub, während der gemeine Bürger auf Zeltplätzen oder in Ferienheimen schlief. Heute ist die Nobel-Unterkunft wieder offen - samt Nostalgie-Kino.

Die grünen Velourssessel stammen noch aus den 1970er Jahren, als das Kino gebaut wurde.

Die grünen Velourssessel stammen noch aus den 1970er Jahren, als das Kino gebaut wurde.

Die grünen Velourssessel im hoteleigenen Programmkino könnten teure Neuanfertigungen im Retro-Stil sein. Doch die Sessel sind ebenso wie Kintopp-Gong, Leinwand und Kino-Telefon Originale und so alt wie das 1978 erbaute "Erholungsheim" auf der Insel Rügen. Heute ist das Heim im Ostseebad Baabe ein Fünf-Sterne-Hotel. Früher aber war es eine der luxuriösesten Ferienunterkünfte der DDR und nur hohen SED-Kadern oder Staatsgästen vorbehalten. Staats- und Parteichef Erich Honecker, SED-Größen wie Günther Schabowski, Gewerkschaftsboss Harry Tisch und DDR-Wirtschaftsplaner Günter Mittag nächtigten dort.

Während der normale DDR-Urlauber sich auf überfüllte Zeltplätze quetschte oder in FDGB-Ferienheimen Schlange fürs Abendbrot stand, genossen die Genossen im "Erholungsheim Baabe" ihren Luxusurlaub. Neben einem Fahrstuhl zum Strand verfügte die Nobelunterkunft auch über einen eigenen Kinosaal.

Original Kino-Vorführraum samt Technik

Hoteldirektor Peter Schwarz und seine Mitarbeiter entdeckten gerade den völlig in Vergessenheit geratenen originalen Kino-Vorführraum samt Technik wieder. Hinter Möbelstapeln verbarg sich in einem Lagerraum die komplette, mittlerweile völlig verstaubte Maschinerie mit Tonanlage und den Filmprojektoren der tschechischen Marke Meopta. "Es war alles noch funktionstüchtig", staunt Schwarz über die Robustheit der mehr als 30 Jahre alten Geräte. Auf dem Projektor lag sogar noch der Lappen zum Staubwischen.

Die Technik funktioniert noch: Filmvorführer Christian Schmidt begutachtet die wiedergefundene tschechische Kinoanlage der Marke Meopta.

Die Technik funktioniert noch: Filmvorführer Christian Schmidt begutachtet die wiedergefundene tschechische Kinoanlage der Marke Meopta.

(Foto: ZB)

Während der Normalurlauber vor Sommerkinos anstand, die an Blechbüchsen erinnerten, um einen neuen Defa-Filme oder einen West-Import zu sehen, konnte sich die Politprominenz abgeschottet dem Kinoerlebnis hingeben. Die Leinwand befand sich hinter der verschiebbaren Holzvertäfelung einer Wand. An Clubtischen wurden den Zuschauern Getränke serviert, erinnert sich Elke Gloser. Dass jedoch auch Streifen über die 18 Quadratmeter große Leinwand flimmerten, die der Normalbürger nicht zu sehen bekam, verweist die Hotel- Mitarbeiterin ins Reich der Legende.

"Hier wurde gezeigt, was in jedem öffentlichen Kino lief", erinnert sie sich. Die Hotel-Assistentin arbeitet seit der Eröffnung im Jahr 1978 in dem Haus. Der US-amerikanische Film "Dirty Dancing" war der letzte Film, den Günter Mittag und Co. 1987 zu sehen bekamen. Danach sei der Saal für Bankette umgebaut worden, berichtet Elke Gloser. Die Kinoanlage geriet in Vergessenheit.

Gute Bildqualität

Film-Freunde: Der Hoteldirektor des Cliff-Hotels Sellin, Peter Schwarz (l) und der Filmvorführer Christian Schmidt.

Film-Freunde: Der Hoteldirektor des Cliff-Hotels Sellin, Peter Schwarz (l) und der Filmvorführer Christian Schmidt.

(Foto: ZB)

Cineast Christian Schmidt, der in Sassnitz ein Programmkino führt, zählt die Anlage mit den 35-Millimeter-Projektoren zu den ganz wenigen erhaltenen aus der DDR. "Andere Kinos sind verfallen, die Technik wurde verschrottet oder verrottete. Hier stand alles trocken und warm", erzählt er. Nur wenige Stunden benötigte er, um die Technik wieder zum Laufen zu bringen. "Man brauchte eigentlich nur den Staub wegzuwischen und einige Sicherungen zu tauschen." Von der Bildqualität ist der Kinofan begeistert.

Seit kurzem wird der Saal im Cliff-Hotel inklusive der Filmtechnik wieder als Programmkino genutzt. Das Programm hat sich grundlegend geändert. Filme wie "Das Weiße Band" oder der DDR-kritische Streifen "Drei Stern Rot", der von den seelischen Qualen eines DDR- Grenzschützers erzählt, ratterten bereits durch den Projektor. Dass das Kino wiederbelebt wurde, habe nichts mit Ostalgie zu tun, versichert Schwarz, der das Hotel seit 2008 leitet. "Wir wollen unseren heutigen Gästen damit auch die Geschichte des Hauses erzählen."

Quelle: ntv.de, Martina Rathke, dpa

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