EZB-Kredit zum SchnäppchenzinsBanken greifen halbe Billion ab

Im Kampf gegen eine Kreditklemme in den Euro-Staaten öffnen die Währungshüter ein zweites Mal binnen weniger Wochen die Geldschleusen. 800 Geldhäuser zapfen die Zentralbank an, um sich rund 530 Milliarden Euro für drei Jahre zu leihen. Nach Einschätzung von Marktbeobachtern stützt die EZB damit auch die Nachfrage nach europäischen Staatsanleihen.
Die von der Schuldenkrise
gebeutelten Banken haben sich zum zweiten Mal binnen gut zwei Monaten Milliarden
billiges Geld von der Europäischen Zentralbank gepumpt. Insgesamt liehen sich Kreditinstitute aus der Eurozone die Rekordsumme von 529,5 Mrd. Euro für außergewöhnlich lange drei
Jahre. 800 Banken fragten das Geld nach. Der Zins ist an den Leitzins der Zentralbank gekoppelt,
der derzeit auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent liegt.
Notenbankchef Mario Draghi fährt damit sein bislang schwerstes Geschütz auf. Nicht umsonst hat er es erst kürzlich mit einem Augenzwinkern als "Dicke Bertha" bezeichnet - eine Riesenkanone aus dem Ersten Weltkrieg.
"Dass so viele Banken
sich dieses Mal beteiligt haben, liegt daran, dass es vermutlich die letzte Gelegenheit
war, sich für so lange Zeit billig Geld zu ziehen", sagte ein Händler. Der
Euro fiel nach Bekanntgabe des Ergebnisses zeitweise auf ein Tagestief, erholte
sich aber rasch wieder. Auch die Aktienmärkte zuckten nur kurz. "Das Volumen
entspricht den Erwartungen", sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank.
Die EZB stärke mit dieser Aktion das Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung.
Gegen Kreditklemme
Beim ersten Geschäft mit
dieser langen Laufzeit kurz vor Weihnachten hatten sich die Geschäftsbanken 489,2
Mrd. Euro zu günstigen Konditionen besorgt. Dabei griffen vor allem Banken aus Südeuropa zu. Aus Angst um ihren Ruf hatten sich deutsche Institute dagegen zurückgehalten.
Die EZB will mit der Geldflut und Zinsen
auf dem Rekordtief ein Austrocknen der Geldmärkte verhindern. Das Vertrauen der Institute
untereinander ist weiterhin massiv gestört. Es hält sich die Befürchtung, dass Banken
die Liquidität ausgeht und sie den Kredithahn zudrehen könnten. Vor allem Banken
aus den Euro-Krisenstaaten wie Griechenland, Italien und Spanien hatten zuletzt
Probleme, sich anderswo als bei der Zentralbank frisches Geld zu besorgen.
Neben der Unterstützung der Kreditvergabe hilft die EZB nach Einschätzung von Marktbeobachtern mit der ungewöhnlichen Maßnahme auch europäischen Staatsanleihen auf die Beine. Durch die Dreijahreskredite können Banken das äußerst günstig geliehene Geld auch zum Kauf von Staatsanleihen nutzen. Weil das die schwache Nachfrage nach diesen Papieren erhöht, sinken im Gegenzug die Zinsen und nimmt so Druck von den Staaten bei der Neuverschuldung. Seit der ersten Mega-Kredittranche der EZB im Dezember sind die Risikoaufschläge von Staatsanleihen besonders beäugter Staaten wie Spanien oder Italien gesunken.
"Kein Breitband-Antibiotikum"
Die privaten Geschäftsbanken
in Deutschland begrüßten die erneute als wichtige Stütze für den Finanzsektor. Die
langfristige Liquiditätsversorgung dürfe jedoch nicht als "Breitband-Antibiotikum"
missverstanden werden, warnte der Bankenverband. "Die EZB stellt besondere
Hilfsmaßnahmen bereit, mit denen vor allem Zeit gewonnen wird", erklärte Hauptgeschäftsführer
Michael Kemmer. "Die Maßnahmen können aber weder einen funktionsfähigen Interbankenmarkt
ersetzen noch die Staatsschuldenkrise lösen."
Deshalb müsse die "gekaufte
Zeit" auch entschlossen genutzt werden, betonte Kemmer. Die enormen Liquiditätshilfen
dürften nicht dazu führen, dass bei einzelnen Banken im Euro-Raum die nötige Änderung
des Geschäftsmodells weiter verzögert werde. Außerdem müssten die Regierungen der
Euro-Staaten ihre Reformen zur Haushaltskonsolidierung jetzt konsequent umsetzen.
Die EZB müsse die reichliche Liquiditätsversorgung sofort drosseln, sobald die Kreditvergabe
der Banken im Euro-Raum wieder stärker zunehme. "Nur so können die Inflationsrisiken
tatsächlich unter Kontrolle bleiben", mahnte Kemmer.
Kritik von Fitch
Mit ihrer neuen Geldspritze
kann die EZB nach Ansicht der Ratingagentur Fitch einen Zusammenbruch schwächelnder
Banken aber nur hinauszögern. Einige Banken - vor allem in Italien und Spanien -
hätten sich Zeit zur Bewältigung ihrer Probleme erkauft. "Aber bei anderen
Banken mit einem schon niedrigen Rating schieben die lebenserhaltenden Maßnahmen
der Langfrist-Refinanzierungsoperation das Ableben nur auf", erklärte Fitch.