Streit um Wüstenstrom-Strategie Desertec kündigt bei Dii
01.07.2013, 10:53 Uhr
"Bei Desertec geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um die Entwicklung neuer Branchen, Investitionen, der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Transfer von Wissen und Know-how in den Nahen Osten und nach Nordafrika."
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Paukenschlag in der visionären Energiepolitik: Die Idee, in der Sahara billigen Sonnenstrom für Europa zu gewinnen, rückt plötzlich wieder in weite Ferne. Die am Projekt Desertec beteiligten Partner können sich offenbar nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die Stiftung wirft dem Konsortium "Orientierungslosigkeit" vor.

"Es war uns immer klar, dass die Umsetzung der Idee, in den Wüsten dieser Erde Strom zu produzieren, kein leichtes Unterfangen wird": Desertec-Geschäftsführer Thiemo Gropp (Archivbild).
(Foto: PeterEichelmann.com)
Der Streit eskaliert: Zwischen der Stiftung Desertec, die Wüstenstrom aus Nordafrika und dem Nahen Osten nach Europa bringen will, und dem Industriekonsortium Dii, das diese Vision realisieren soll, kommt es zum Bruch. Die Desertec-Stiftung erklärte, sie kündige ihre Mitgliedschaft bei der Dii GmbH, die sie 2009 mit gegründet hatte. Grund seien "unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten bezüglich der zukünftigen Strategie".
Die Trennung von DII hätten Aufsichtsrat und Vorstand einstimmig auf ihrer außerordentlichen Sitzung am 27. Juni 2013 beschlossen, teilte die Desertec-Stiftung mit.
Kurz zur Übersicht: "Desertec" ist der Name, unter dem verschiedene Partner die Idee einer nachhaltigen Energieversorgung durch Solaranlagen in Wüstenregionen in aller Welt vorantreiben. Die Stiftung "Desertec Foundation" verfolgt das Ziel einer möglichst raschen Realisierung "zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft", arbeitet eigenen Angaben zufolge nicht profitorientiert und konzentriert sich auf politische und regulatorische Rahmenbedingungen in und zwischen den beteiligten Staaten.
Das Industriekonsortium Dii wiederum versteht sich als "privatwirtschaftliche Initiative" und geht auf einen Vorstoß des Rückversicherers Munich Re zurück. Ziel des Konsortiums ist es, "einen Markt für erneuerbare Energien" aus Nordafrika zu schaffen. Beteiligt sind unter anderem große Namen wie RWE, Eon, Schott Solar, ABB und Deutsche Bank.
"Sog negativer Berichterstattung"
Der Streit zwischen Stiftung und Konsortium droht das ehrgeizige Vorhaben nun um Jahre zurückzuwerfen - und deckt außenstehenden Beobachtern Anzeichen auf, die im Hinblick auf eine baldige Fortschritte wenig optimistisch stimmen. Denn parallel zum Trennungsbeschluss erhebt die Desertec Stiftung schwere Vorwürfe gegen die Führung der Dii. Mit ihrem Ausstieg wolle Desertec vermeiden, "unverschuldet in den Sog negativer Berichterstattung über die Führungskrise und Orientierungslosigkeit des Industriekonsortiums gezogen zu werden".
Medienberichten zufolge streiten die Dii-Geschäftsführer Paul van Son und Aglaia Wieland über die künftige Strategie: Van Son wolle Pläne für einen raschen Export von Wüstenstrom nach Europa vorerst zu den Akten legen, Wieland verfolge dieses Ziel weiter.
"Es war uns immer klar"
Desertec-Geschäftsführer Thiemo Gropp erklärte, er habe Verständnis für die "Herausforderungen", mit denen die Dii zu kämpfen habe. "Es war uns immer klar, dass die Umsetzung der Idee, in den Wüsten dieser Erde Strom zu produzieren, kein leichtes Unterfangen wird." Nach "diskussionsreichen Monaten" müsse die Stiftung aber "leider feststellen", dass sie ihre Unabhängigkeit nicht gefährden dürfe. "Deshalb werden Dii und die Stiftung fortan getrennte Wege gehen." Ausdrücklich lässt Gropp eine großzügige Hintertür offen: Die aktuelle Trennung schließe, so der Desertec-Geschäftsführer, eine künftige Zusammenarbeit nicht aus.
Die Desertec Stiftung ist Idee- und Namensgeberin des Konzepts "Wüstenstrom für Europa". Beigelegt dürften die Streitigkeiten zwischen den beiden Partner damit allerdings noch längst nicht sein. Wie die "FAZ" in ihrer Montagsausgabe berichtet, will die Stiftung dem Konsortium verbieten, den Begriff "Desertec" weiter in den Konzepten und Veröffentlichungen der Dii zu erwähnen. Für das Dii-Konsortium wäre dies ein herber Rückschlag - und bei weitem nicht der erste. Mit Bosch und Siemens waren zuvor bereits zwei zugkräftige Unterstützer aus dem Kreis des Konsortiums ausgestiegen.
Auf der Internetseite von Dii hieß es zu Wochenbeginn an prominenter Stelle noch, Dii sei ein "privates Industrie-Konsortium mit dem Ziel, die Desertec Vision in Europa, im Nahen Osten und in Nordafrika (Eumena) umzusetzen". Sollte die Stiftung hart bleiben, muss sich Dii wohl zumindest in der Selbstdarstellung komplett neu ausrichten.
Quelle: ntv.de, AFP