Detroiter Opel-Pläne GM fordert Unterstützung
04.11.2009, 10:21 UhrNach der Entscheidung gegen den Verkauf von Opel schlägt dem Mutterkonzern General Motors (GM) in Deutschland massive Kritik entgegen. Politiker und Gewerkschafter sorgen sich um die Zukunft der 25.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Sollten die Opelaner nicht mitziehen, droht GM den Deutschen offen mit Insolvenz.
Um dem Sturm der Entrüstung in Deutschland etwas entgegenuzstellen, erklärte sich der US-Konzern bereit, die staatliche Finanzhilfe von 1,5 Mrd. Euro zurückzuzahlen. "GM wird den Brückenkredit zurückzahlen, falls dies gefordert wird", sagte eine GM-Sprecherin. Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte die Rückzahlung des Brückenkredits bis zum Ende des Monats dagegen bereits als "selbstverständlich" bezeichnet.
Mit dem von Bund und Ländern gestellten Kredit wird der Autobauer Opel seit Monaten am Leben gehalten. Der Kredit läuft zum Monatsende aus. Allerdings wurden nur 1,1 Mrd. Euro ausbezahlt, rund 200 Mio. Euro wurden bereits zurückbezahlt.
GM hatte den monatelang geplanten Verkauf von Opel an ein Konsortium um den Zulieferer Magna in der Nacht zum Mittwoch überraschend abgesagt. Mit Magna hatten sich die Opel-Beschäftigten in Europa bereits auf weitreichende Zugeständnisse geeinigt. Pro Jahr sollten bei den rund 50.000 Beschäftigten 265 Mio. Euro eingespart werden.
Die Einigung stand allerdings unter dem Vorbehalt, dass Magna bei Opel tatsächlich zum Zug kommt. Dagegen plant GM nun, seine Europatochter Opel nach einem bereits vorliegenden Sanierungskonzept neu aufzustellen. Eine Pleite des Rüsselsheimer Autobauers wäre nicht im Interesse von GM, Kunden, Mitarbeitern und Zulieferern, hatte eine GM-Europe-Sprecherin zuvor betont.
Der US-Konzern wolle nun die Fixkosten bei Opel um 30 Prozent reduzieren, hieß es. Das sehe bereits der Ende 2008 erstellte "Viability-Plan" des Konzerns vor, erklärte die GM-Sprecherin. Zum Umfang eines möglichen Stellenabbaus und Werksschließungen wollte sich GM nicht äußern. Zunächst solle der Restrukturierungsplan den beteiligten Regierungen vorgelegt werden.
"Das ist ein schwarzer Tag für Opel", sagte ein Mitarbeiter in Rüsselsheim. "GM geht immer wieder das Geld aus, und wir können nicht investieren." Eine Mitarbeiterin, die ihr ganzes Berufsleben bei Opel verbracht hat, sagte: "Magna war die bessere der schlechten Lösungen. Ich glaube nicht, dass GM Opel halten kann. Das ist ein Spiel auf Zeit."
GM droht Opelanern
Die neue und alte Opel-Mutter GM setzt ihre Mitarbeiter bei Opel unter Druck, ihren Beitrag für eine Sanierung von Opel auch unter dem Dach von GM zu leisten. Es sei nur im Interesse der Gewerkschaften, mit GM zu verhandeln, teilte GM Europe mit. Sollte es zu keiner Einigung über die nötige Restrukturierung kommen, hätte dies eine Insolvenz von Opel zur Folge.
Die Opel-Beschäftigten hatten zuvor Warnstreiks gegen den geplanten Verbleib des Rüsselsheimer Autobauers bei GM angekündigt. Diese sollen von Donnerstag an stattfinden. "Die Veranstaltungen beginnen in Deutschland und werden sich auf ganz Europa ausdehnen", kündigte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz an. Die Arbeitsniederlegungen seien eine Reaktion auf die "völlig unverständliche Entscheidung" von GM, Opel zu behalten. Franz sprach von "einem schwarzen Tag für Opel".
Die Mitarbeiter wollten sich nicht von GM erpressen lassen, erklärte Franz. Aus seiner Sicht sei das Konzept von GM für Opel nicht tragfähig. Der Betriebsrat geht damit voll auf Konfrontationskurs zum Mutterkonzern. Es werde keinen Beitrag der Beschäftigten zur Sanierung von Opel geben, teilte Franz weiter mit. Der Betriebsrat verlangt die sofortige Auszahlung von gestundeten Tariferhöhungen und hat seine Zusage zurückgenommen, dass die Belegschaft durch den Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld insgesamt 265 Mio. Euro jährlich einsparen könnte.
Die IG Metall bezifferte ihre bislang gestundeten Forderungen an den Autohersteller Opel auf etwa 50 Mio. Euro. Das Geld aus der ausgesetzten Tariferhöhung in der Metall- und Elektroindustrie sei am Mittwochmorgen fällig gestellt worden, sagte der Frankfurter Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft, Armin Schild. Anders als der Opel-Betriebsrat und im Gegensatz zu Metaller-Chef Berthold Huber schloss Schild Beiträge der Arbeitnehmer zur Opel-Sanierung auch im Besitz des Alteigentümers General Motors nicht generell aus. Das US-Unternehmen sei aber aus seiner Sicht weder finanziell noch konzeptionell in der Lage, für einen Neuanfang zu sorgen.
IG-Metall-Chef Huber traut GM dagegen keine tragfähige Sanierung des europäischen Autoherstellers zu. "GM hat durch jahrelange Managementfehler Opel erst in eine schwierige Lage gebracht. Es ist deshalb nur schwer vorstellbar, dass GM eine tragfähige Lösung auf den Weg bringen kann", hatte Huber in einer ersten Reaktion auf die GM-Entscheidung festgestellt. Es sei ein unglaublicher Vorgang, 50.000 Beschäftigte in Europa einer monatelangen, nervenaufreibenden Hängepartie auszusetzen und am Ende eine nicht nachzuvollziehende Kehrtwende zu machen.
Weltweite Überkapazitäten
Mit der Entscheidung von GM seien alle Zusagen aus der Vereinbarung der Arbeitnehmerseite mit Magna gegenstandslos, hatte Huber klargemacht. Es gelte der bisherige Zukunftsplan für Opel, der unter anderem eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2010 vorsehe. Für die IG Metall und die Beschäftigten bei Opel habe die Verhinderung von betriebsbedingten Kündigungen und die Sicherung von Standorten oberste Priorität, erklärte der Gewerkschafter.
Die mit Magna vereinbarten 265 Mio. Euro jährlich aus Arbeitnehmerhand werde es für ein schlechteres Konzept nicht geben, bestätigte am Mittag Bezirkschef Schild. Die einzelnen Standorte dürften sich jetzt von GM nicht gegeneinander ausspielen lassen, warnte er. Die Produkte von Opel seien ohne Zweifel wettbewerbsfähig, der Restrukturierungsbedarf sei aber im vergangenen Jahr nicht geringer geworden. Wenn GM jetzt glaube, mit weniger öffentlichem Geld auskommen zu können als Magna, bedeute dies mehr Arbeitslose.
"Wenn es nicht gelingt, europäisch einen Standortpoker zu verhindern, dann wird es kein New Opel geben, dann wird es gar kein Opel geben. Das ist das Ende des Unternehmens", warnte Schild. Alles wüssten, dass es weltweit Mega-Überkapazitäten gebe. "Und alle wissen, dass Opel unter GM keine Perspektive hat, diese Überlebenskämpfe zu bestehen." Er rechne nun damit, dass GM brutale Sparpläne vorstellen werde, um die öffentliche Hand zu Beihilfen zu bewegen.
Der GM-Verwaltungsrat hatte sich mit seiner jüngsten Entscheidung nach eigenen Angaben endgültig gegen einen Verkauf des Rüsselsheimer Traditionsunternehmens entschieden. Monatelang waren Markt, Politik und Mitarbeiter davon ausgegangen, dass Opel an das Konsortium aus dem kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna und der russischen Sberbank geht.
GM-Chef Fritz Henderson entschuldigte sich für die monatelange Hängepartie. "Wir verstehen, dass die Komplexität und die Länge der Angelegenheit für alle Beteiligten anstrengend war."
Quelle: ntv.de, mmo/wne/AFP/dpa/rts