Wirtschaft

Spanien geht die Luft aus Rajoy ruft um Hilfe

Wirtschaftsminister Luis de Guindos ahnt es wohl bereits: Spanien wird sich bewegen müssen.

Wirtschaftsminister Luis de Guindos ahnt es wohl bereits: Spanien wird sich bewegen müssen.

(Foto: REUTERS)

Am Tag vor dem großen EU-Gipfel schlägt der spanische Regierungschef Alarm: Zu den derzeitigen Konditionen könne sich Spanien am Kapitalmarkt nicht mehr lange alleine über Wasser halten. Indirekt warnt Rajoy damit vor einer Staatspleite. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände.

Die Lage kann sich binnen Tagen verschlimmern: Regierungschef Mariano Rajoy.

Die Lage kann sich binnen Tagen verschlimmern: Regierungschef Mariano Rajoy.

(Foto: REUTERS)

Es ist ein beunruhigender Ausblick, den der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy den Parlamentariern in Madrid präsentiert: "Wir können uns zu den derzeitigen Preisen nicht für lange Zeit aus eigener Kraft finanzieren", sagte Rajoy. Das Euroland Spanien steht demnach kurz davor, bei der Aufnahme frischer Kredite am Kapitalmarkt zur Finanzierung des spanischen Staatshaushalts an seine Grenzen zu geraten. Er, Rajoy, werde die EU auf dem anstehenden Gipfeltreffen auffordern, Entscheidungen zu einer Stabilisierung der Kapitalmärkte zu treffen.

"Das dringendste Thema ist die Finanzierung (des Staatshaushalts)", betonte der Regierungschef im spanischen Parlament. Die Zinssätze, die derzeit für spanische Staatsanleihen fällig würden, seien für das Land nicht mehr für lange Zeit bezahlbar. "Zahlreichen Institutionen und Geldhäusern ist der Zugang zu den Geldmärkten schon jetzt versperrt."

Der Zinssatz für die richtungsweisenden staatlichen Zehn-Jahres-Anleihen stieg am Morgen vor seiner Rede im Parlament auf bis zu 6,8 Prozent. "Die Finanzierung ist heute schon schwer genug", sagte Rajoy. Die Lage wird sich aber noch weiter verschlimmern, wenn wir (auf dem Gipfel) nicht klar das Zeichen geben, dass wir diese Angelegenheit ernst nehmen."

Die Arbeiten an konkreten Hilfsprogrammen für Spanien sollen kurzfristig beginnen. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen kündigte an, Experten von EU-Kommission Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds sollten noch am Mittwochabend in Madrid die Arbeit aufnehmen. Ziel sei, der Eurigruppe am 9. Juli eine Grundsatzvereinbarung für Hilfen für die spanische Finanzbranche mit sektorbezogenen Auflagen vorzulegen.

Auf dem EU-Gipfel wird laut Spaniens Finanzminister Luis de Guindos auch über eine Direktkapitalisierung der Banken diskutiert. Spanien hat Milliarden-Hilfen beantragt, um die Kapitalpolster seiner maroden Banken aufzufüllen. Nach bestehenden Regeln können Hilfsgelder nicht den Instituten direkt, sondern nur dem Staat ausgezahlt werden.

Spaniens Wirtschaft bricht ein

Nicht nur am Kapitalmarkt rutscht Spanien immer tiefer in die Krise: Die wirtschaftliche Lage der viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone trübe sich weiter ein, teilte die Madrider Zentralbank auf Basis eigener Erhebungen mit. Die Konjunktur breche auf breiter Front ein, hieß es. "Die jüngsten Informationen deuten darauf hin, dass die wirtschaftliche Aktivität im zweiten Quartal 2012 noch rascher schrumpft als in den ersten drei Monaten", betonte die Notenbank in ihrem Monatsbericht.

Im ersten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Spaniens im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,4 Prozent zurückgegangen. Eine Reihe von Indikatoren deuten nach Angaben der Zentralbank darauf hin, dass der Rückgang sich in der Zeit von April bis Juni noch beschleunigt habe. Ein Beispiel kam aus dem Fahrzeugmarkt: Im Mai 2012 seien 15,3 Prozent weniger Autos neu zugelassen worden als ein Jahr zuvor. Bei den Lastwagen betrage das Minus gar 25 Prozent.

Auch die Exportwirtschaft, die 2011 noch das Zugpferd der spanischen Wirtschaft war, zeigt nach Angaben der Zentralbank deutliche Schwächen. Im April gingen die Exporte im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,5 Prozent zurück. Allein der Tourismus zeige eine positive Entwicklung: Im Mai stieg die Zahl der Spanien-Urlauber im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,8 Prozent.

Daumen hoch für Zypern

Dem klammen Inselstaat Zypern stellten die Europartner unterdessen die beantragen Milliarden-Notkredite in Aussicht. Im Gegensatz zu Spanien, das lediglich Finanzhilfen für die Sanierung seiner maroden Banken erhält, soll Zypern ein umfangreiches Hilfspaket bekommen. Die Finanzhilfe werde im Rahmen eines "umfassenden" Reformprogramms gewährt, schrieb die Eurogruppe. Der Inselstaat müsse Auflagen für die gesamte Wirtschaft einhalten, die auf den Empfehlungen der EU-Kommission basierten.

Wie bei früheren Hilfsprogrammen wird sich auch der Internationale Währungsfonds an den Notkrediten beteiligen. Eine Summe nannten die Euro-Finanzminister dabei nicht. In Nikosia ist von einem Betrag von bis zu 10 Mrd. Euro die Rede. Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF sollen den Finanzbedarf des Mittelmeerstaates nun sondieren.

Auch das weitere Krisenland Italien kommt nicht zur Ruhe: Die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft muss Investoren nach wie vor hohe Zinsen für neue Milliarden bieten.

Bankia komplett in staatlicher Hand

Madrid braucht die Nothilfen für seine maroden Banken. Spanien hatte den Antrag erst zu Beginn der Woche nach Brüssel geschickt. Die Euro-Partner stellten bereits bis zu 100 Mrd. Euro in Aussicht - ein genauer Betrag steht noch nicht fest.

Die EU-Kommission hat die Sanierung der angeschlagenen spanischen Großbank Bankia unterdessen vorläufig genehmigt. Die obersten Wettbewerbshüter Europas gaben grünes Licht für die Finanzhilfe von 19 Mrd. Euro für das teilverstaatlichte Geldinstitut.

Das Unternehmen hatte vor zwei Jahren bereits 4,5 Mrd. Euro aus dem staatlichen Bankenrettungsfonds FROB erhalten. Diese Beihilfe war laut EU-Kommission in der Form erfolgt, dass der Staat Vorzugsaktien gezeichnet hatte. Brüssel genehmigte nun die Umwandlung der in staatlichem Besitz befindlichen Vorzugsaktien in Eigenkapital. Mit diesem Schritt werde der FROB 100 Prozent an der BFA-Gruppe mit der Tochter Bankia halten, so die EU-Behörde.

Die Genehmigung gilt nur für sechs Monate und unter dem Vorbehalt, dass Bankia im Gegenzug einen Sanierungsplan erstellt und der Regierung unterbreitet. Dieser muss dann von Brüssel geprüft und genehmigt werden. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Empfänger eine tiefgehende Restrukturierung durchlaufen muss", betonte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Wenn Bankia ganz in Staatsbesitz sei, sei es leichter, Entscheidungen zum Umbau zu treffen. Die Rettung von Bankia gilt als die größte staatliche Hilfsoperation für ein Unternehmen in der spanischen Geschichte.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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