Mehr Geld für die SchieneRamsauer geht Bahnchaos an

Zusätzliches Geld für die Schiene: Verkehrsminister Peter Ramsauer ist sich mit den Bundestagsparteien einig, dass nach den Winterproblemen der Bahn mehr in die Schieneninfrastruktur investiert werden muss. Ein Börsengang der Bahn ist für Kanzlerin Merkel vorerst vom Tisch.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat sich im Verkehrsausschuss des Bundestags mit den Abgeordneten über die Folgen des Winterchaos beraten. Der Minister fordert einen "Finanzierungskreislauf Schiene", damit ähnliche Probleme nicht mehr vorkommen. Er betonte aber angesichts des härtesten Dezembers seit rund 40 Jahren: "Es kann keinen Vollkaskoanspruch gegen Unwetter geben." Ein bei extremen Wetterbedingungen weitgehend reibungslos funktionierendes Verkehrssystem gebe es nicht zum Nulltarif. Ramsauer wies zudem auf lange Ausschreibungsfristen hin, die eine schnelle Ersatzbeschaffung unmöglich machten.
Nach der Beratung zu den Winterverkehrsproblemen sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne): "Ich war selbst überrascht, dass Union und FDP unsere seit Jahren vorgetragenen Forderungen nun teilen." Die Grünen fordern einen Abschied von den Börsenplänen und eine Konzentration auf den Verkehr im Inland. Die FDP betonte, eine Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn sei sinnvoll.
Netz-Streit geht weiter
Im Koalitionsvertrag ist verankert, dass die Trennung von Netz und Konzern geprüft werden soll. Verkehrsstaatssekretär Klaus-Dieter Scheurle hatte bereits angekündigt, man wolle einen Finanzierungskreislauf Schiene schaffen. Das heißt, die Gewinne des Bahn-Netzes sollen dort wieder investiert werden. Die Netz-Sparte der Bahn soll laut Mittelfristplanung in den nächsten Jahren der wichtigste Gewinnbringer des Konzerns werden. Diese Gewinne speisen sich aus milliardenschweren Zuschüssen des Staates sowie aus Trassengebühren, die alle Bahnen für die Nutzung zahlen müssen.
Bei Union, FDP und Grünen wird kritisiert, die Bahn wolle besonders hohe Gebühren, da sie damit die Konkurrenz vor allem im Nahverkehr ausbremsen und zugleich erhebliche Einnahmen verbuchen könne. Die Bahn hat seit Jahren dafür gekämpft, ihr Netz zu behalten. Nach Angaben von Vertretern aus dem Verkehrsministerium, ist Minister Ramsauer nicht gewillt, einer kompletten Abtrennung zuzustimmen. In den nächsten Wochen solle es darüber Gespräche mit den Fraktionen geben
Investition in "rollendes Material"
Ramsauer kündigte stattdessen an, es solle verstärkt in rollendes Material, also neue Züge, investiert werden. Nur so kann seiner Auffassung nach langfristig die Einhaltung des Fahrplans auch bei widrigen Wetterverhältnissen sichergestellt werden. Auch zur Beseitigung von Winterschäden sollen 2011 rund 2,2 Mrd. Euro in Bundesstraßen und Autobahnen investiert werden.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Döring, unterstützte Ramsauer und betonte: "Wenn die Bahn, wie im letzten Jahr, mit der Infrastruktur hunderte Mio. Euro Gewinn macht, dann muss dieses Geld auch in die Schiene reinvestiert werden." Ohne ein massives Investitionsprogramm für den Personenverkehr und die Infrastruktur im Inland seien die Probleme nicht zu lösen.
Gut vorbereitet in die Schlacht
Peter Ramsauer ist gut vorbereitet in den Verkehrsausschuss gekommen. Wochenlang wurden in seinem Ministerium die Wintermängel im Straßen-, Luft- Schiffs- und Bahnverkehr zusammengetragen. So mangelte es auf den Straßen vielerorts am Salz. Allein auf den Bundesstraßen dürfte diesen Winter über eine Million Tonnen Streusalz zum Einsatz gekommen sein. Angesichts knapper Reserven orderte die Bundesanstalt für Straßenwesen sogar Salzproben aus Südamerika, um so künftige Engpässe zu vermeiden. Und die Länder wollen als Lehre aus dem Chaos Hallen auf früheren Militärgeländen zur Aufstockung der Salzreserven nutzen.
Ramsauers 26-Seiten-Analyse ließ wenig Zweifel. Seine Geduld mit der Bahn nähert sich einer Grenze. Statt hoch fliegenden Börse- und Expansionsplänen verordnet der Bund als Eigentümer Bahnchef Rüdiger Grube eine stärkere Konzentration auf das hiesige Kerngeschäft.
Ramsauer kritisierte, zu Zeiten seines Vorgängers Wolfgang Tiefensee (SPD) und des Bahnchefs Hartmut Mehdorn sei das Unternehmen extrem auf Kante gefahren worden. Laut Verkehrsministerium ging die Pünktlichkeit im Bahnverkehr im schneereichen Dezember massiv zurück: Im Nahverkehr lag sie bei 77,2 Prozent, im Fernverkehr sank die sie teils sogar unter 70 Prozent. Im Güterverkehr war nur noch jeder zweite Zug pünktlich. "Ursachen hierfür waren Schneeverwehungen, festgefrorene Weichen und Glatteis auf Rangierwegen", wird in Ramsauers Winteranalyse betont. Allein in diesem Winter forderten bisher mehr als 110.000 Bahnfahrer Entschädigungen für verspätete oder ausgefallene Züge.
Erstmal kein Börsengang
Letztlich könnten die von Ramsauer geforderten Investitionen dazu führen, dass der Bund die eingeforderte Dividende von 500 Mio. Euro pro Jahr nicht oder nur in deutlich abgespeckter Form bekommt. Doch Bundeskanzlerin Merkel machte deutlich, dass sie nicht bereit ist, auf das Geld zu verzichten: "Am Haushalt 2011 ändern wir nichts mehr. Und die Bahn kann ihre Probleme auch nicht in einem Jahr überwinden."
Die Börsenpläne der Bahn, die für das Desaster wegen rigider Einsparungen verantwortlich gemacht werden, wurden jedoch wie gewünscht vorerst zu den Akten gelegt. "Es bleibt ein Ziel, aber die Bürger haben für dieses Ziel kein Verständnis, solange die Bahn die Bürger nicht davon überzeugt, dass und wie sie die Schwierigkeiten schnell bewältigt, die zum Beispiel um die Weihnachtszeit aufgetreten sind", sagte Merkel dem Magazin "Stern".