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Hätte die Kirche ein grundsätzliches Problem mit der Technik, wären gotische Kathedralen - Wunderwerke der Statik - nie entstanden. Und doch distanzierte sich der Vatikan jahrhundertelang von den Naturwissenschaften und ihren Erkenntnissen.
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Noch heute ist umstritten, ob die Schöpfungsgeschichte mit der Evolutionstheorie und dem Urknall vereinbar ist. Dennoch brachte die Kirche zahlreiche, naturwissenschaftlich hochversierte Erfinder hervor.
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Berthold Schwarz beispielsweise, ein Franziskanermönch, soll Ende des 14. Jahrhunderts ausgerechnet ein Teufelszeug erfunden haben: das Schießpulver. Eigentlich hatte Schwarz aus edlem Gold eine Farbe herstellen wollen. Dazu mischte er Salpeter, Kupfer, Schwefel, Blei und Öl und stellte die Mixtur in einem verschlossenen Kessel aufs Feuer. Was geschah?
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Der Kessel explodierte. Und das Schießpulver war entdeckt. 1388 soll Schwarz wegen seiner Erfindung hingerichtet worden sein. Die Quellen widersprechen sich, und es ist unklar, ob der Franziskanermönch tatsächlich gelebt hat. Doch die Stadt Freiburg, die sich zusammen mit Mainz, Nürnberg, Goslar und Köln als Vaterstadt des Erfinders sieht, errichtete Schwarz ein Denkmal.
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Die Existenz Christophs Scheiners ist gesichert. Der Jesuitenpater hatte 1611 etwas entdeckt, was es der offiziellen kirchlichen Theorie zufolge nicht geben durfte: ...
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... Flecken auf der reinen, glänzenden Sonne. War der Himmel gar nicht so vollkommen und makellos, wie es die Kirche angenommen hatte?
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Über seine Entdeckung und die Position der Sonne im Planetensystem stritt Scheiner aufs Heftigste mit Galileo Galilei. Der hatte die Sonnenflecken schon einige Monate vor dem Jesuitenpater ans Licht gebracht. Doch Scheiner fand als Erster heraus, dass die Achse der Sonne gegen die Erde leicht geneigt ist und veröffentlichte außerdem 1614 die erste deutsche Mondkarte.
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Auch das erste Kopiergerät stammte von Scheiner. Es bestand aus vier verschiebbaren Holzstäben, die ein maßstabsgetreues Verkleinern und Vergrößern von Vorlagen ermöglichten. Die Erfindung fand begeisterte Anhänger. Trotzdem geriet sie schon bald wieder in Vergessenheit.
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Ebenfalls ein Jesuit: Johann Adam Schall von Bell. Auch er richtete seinen Blick ins All, beobachtete Kometen, zeichnete Himmels- und Sternkarten und berechnete den Kalender für den Kaiserhof in Peking. Denn Schall von Bell lebte als Missionar in China.
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Die Veröffentlichung von Kalendern war in China die wichtigste Handlung des Jahres. Neumonde, Wechsel der Tierkreiszeichen und Schaltjahre ließen die chinesischen Jahre sehr unterschiedlich lang werden, und die Kalender mussten stets an die Jahreszeiten angepasst werden. Als Hofastronom gelang es Schall von Bell auch, Sonnen- und Mondfinsternisse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verlässlich vorherzusagen.
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Für den Jesuiten waren die Himmelsereignisse eng mit göttlichen Botschaften verbunden, die er dem chinesischen Kaiser nahebrachte. Damit zog er jedoch den Hass einflussreicher Christengegner auf sich. Papst Alexander VII. wiederum klagte den Wissenschaftler der Unterstützung des Aberglaubens an. Schall von Bell entkam der Todes- und schließlich auch der Haftstrafe und starb 1666 kurz nach einer Sonnenfinsternis in der Pekinger Jesuiten-Mission.
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Auch Athanasius Kircher wollte in China als Jesuitenpriester missionarisch tätig werden. Doch er interessierte sich ebenso für Ägypten und veröffentlichte 1636 die erste koptische Grammatik.
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Kircher war der Meinung, dass die antike ägyptische Sprache auch die Sprache Adams und Evas gewesen sein musste. Seine Erkenntnisse versuchte der Universalgelehrte stets mit den Glaubenssätzen der katholischen Kirche in Einklang zu bringen.
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Das galt nicht weniger für seine 1641 erschienenen Ausführungen zum Magnetismus, die sich auch mit anderen Formen der Anziehung -wie Gravitation und Liebe- beschäftigten. In diesem Zusammenhang erfand Kircher eine magnetische Uhr.
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Was der Schotte John Napier 1617 entwickelte, betrachteten viele zunächst als Zauberei.
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Der protestantische Theologe hatte sich Rechenstäbchen ausgedacht, mit denen es ohne Kenntnis des Einmaleins möglich war, zu multiplizieren und zu dividieren.
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Hier das Ergebnis von 46.785.399 x 7. In Zeile 7 werden von rechts nach links die Ziffern in den einzelnen Diagonalen addiert, und schon kennt man das Produkt: 327.497.793
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Napiers Rechenstäbchen waren Grundlage für die erste Rechenmaschine. Die machte 1623 Wilhelm Schickard berühmt.
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Der Magister der Theologie, der an mehreren Orten Württembergs als Vikar und Diakon arbeitete und später Professor für Hebräisch und Astronomie wurde, konstruierte die aus 17 Zahnrädern und 11 Achsen bestehende Maschine.
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(Foto: Wikipedia / Herbert Klaeren)
Sie sollte dabei helfen, die astronomischen Zahlen in der Himmelskunde zu bewältigen. Mit der Maschine ließ sich addieren und subtrahieren. Für komplexere Berechnungen waren die Napierschen Rechenstäbchen darauf angebracht.
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Rechenmaschinen hatten es auch Philipp Matthäus Hahn angetan. Doch zusätzlich begeisterte sich der schwäbisch-pietistische Pfarrer für Uhren.
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In den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts entwickelte Hahn Sonnenuhren.
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Unter Mitwirkung von Philipp Gottfried Schaud entstand später, um 1785, unter anderem eine Doppelglobusuhr. Hahn wollte das kaum Fassbare begreifbar machen. Planeten und All sollten für jeden sinnlich erfahrbar werden.
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Hahn galt manchen als "Uhrmacher Gottes". In kleinen, mechanischen Wunderwerken sah Hahn Abbilder des großen Universums. Mit dem Ineinandergreifen mechanischer Bestandteile wollte er den Menschen eine Ahnung von der Größe göttlicher Schöpfung vermitteln.
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Wunderbare göttliche Geheimnisse hatten sich auch Prokop Divic offenbart: Der mährische Mönch hatte es sich Mitte des 18. Jahrhunderts zur Aufgabe gemacht, Menschen mit Elektrizität zu therapieren.
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Seine Experimente mit elektrischem Strom führten dazu, dass Divic - vielleicht schon vor Benjamin Franklin - den Blitzableiter erfand. Doch man verbot ihm, einen solchen zu installieren. Das unbekannte, nicht vertraute Gerät schien des Teufels zu sein. Man machte es für die damals herrschende Dürre verantwortlich.
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Auf Claude Chappe, einen französischen Geistlichen, geht ein anderes bislang unbekanntes Gerät zurück, das - anders als der Blitzableiter - schnell Verbreitung fand.
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Zusammen mit seinen Brüdern hatte Chappe 1791 den optischen Telegraphen entwickelt. Als Chappe das Projekt vorführte, lag Frankreich im Krieg gegen Preußen und Österreich. Schnelle Meldungen waren gefragt. Auf der mechanischen Datenautobahn gelangte die Neuigkeit von der Rückeroberung der Stadt Le Quesnoy bei Lille in nur einer Stunde ins 170 Kilometer entfernte Paris.
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Dieser Priester ist inzwischen weltbekannt. Nicht einen Tag hat er Medizin studiert, aber Tausende von Patienten behandelt: Sebastian Kneipp. Unter Ärzten und Apothekern war er seinerzeit als Wasserpanscher und Kurpfuscher verschrien. Aber er hatte einen einflussreichen Fan: den Papst.
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Die Kneippsche Lehre basiert auf der Behandlung mit Wasser und Pflanzen und auf Bewegung, gesunder Ernährung und seelischer Ausgewogenheit.
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Von schulmedizinischer Seite wurde Kneipp mehrere Male wegen seiner umstrittenen Methoden verklagt. Doch seine Vorträge fanden zahlreiche Zuhörer, und auch Kaiser Wilhelm I. wurde Kneipps Freund und Förderer.
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Heute gibt es in Deutschland unter dem Dach des Kneipp-Bundes 660 Kneippvereine mit rund 160.000 Mitgliedern.
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Zu noch größerer Berühmtheit als Sebastian Kneipp brachte es dieser Priester: Gregor Mendel nutzte den Klostergarten für eine Erbsenzucht der besonderen Art.
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Die systematische Kreuzung der Pflanzen unter Berücksichtigung verschiedener Merkmale führte um die 1860er Jahre zur Vererbungslehre.
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Doch rezipiert und bestätigt wurden die Mendelschen Regeln erst 1900. Heute gilt Mendel als Vater der Genetik. Der Augustinermönch hatte seine Kreuzungsexperimente übrigens zunächst mit Mäusen durchgeführt. Doch die Beschäftigung mit den niedersten Trieben der Tiere war ihm von bischöflicher Seite verboten worden.
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(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Also wandte sich Mendel (hier sein Mikroskop) der Pflanzenzucht zu. "Dem Bischof war nicht bewusst, dass auch Pflanzen ein Geschlechtsleben haben", kommentierte er selbst.
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Von "Göttlichen Geistesblitzen" dieser und anderer Natur gibt es noch einige mehr. Wissenschaftsautor Eckart Roloff hat sie in einem umfassenden und kurzweiligen Band zusammengetragen. Wer in die Welt tüftelnder Theologen eintauchen und sich dabei zu eigenen Recherchen anregen lassen möchte, dem sei Roloffs Buch ans Herz gelegt. Es hält viele Entdeckungen bereit.
Schießpulver und Blitzableiter Erfindungen unterm Kirchendach
Die Kirche gilt nicht gerade als fortschrittsgläubig. Vielmehr beurteilte sie Mathematik, Naturwissenschaft und Technik jahrhundertelang als eine Gefahr für den christlichen Glauben. Umso erstaunlicher ist es, wie viele Priester, Mönche und Pfarrer sich dennoch um wichtige Erfindungen verdient gemacht haben.
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