Prozess im Mordfall Lena Richter schließt Öffentlichkeit aus
20.08.2012, 12:41 Uhr
Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel.
(Foto: dpa)
Fünf Monate nach dem Mord an Lena in einem Parkhaus in Emden beginnt am Landgericht Aurich der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter. Erstmals sprechen die Ermittler öffentlich über die Todesursache. Auf Antrag der Verteidigung werden Zuschauer vom Prozess ausgeschlossen.
Zu Beginn des Prozesses um den Mord an der elfjährigen Lena in Emden haben die Ermittler erstmals öffentlich über die Todesursache berichtet: Das elfjährige Mädchen sei erwürgt worden, erklärte die Staatsanwaltschaft beim Verlesen der Anklageschrift am Landgericht Aurich. Die Ermittler in Niedersachsen gehen davon aus, dass der angeklagte 18-Jährige das Mädchen ermordet hat, damit Lena nichts von ihrer Vergewaltigung durch den Täter erzählen konnte.
Der 18-Jährige hatte schon nach seiner Festnahme gestanden. Angeklagt ist der junge Mann wegen versuchter Vergewaltigung, Vergewaltigung und Mord. Vier Monate vorher soll er versucht haben, eine Joggerin zu vergewaltigen. Das Gericht rief kurz vor Prozessbeginn zum Innehalten auf. Der Tod des Mädchens dürfe nicht aus dem Blickfeld geraten.

Die Öffentlichkeit bekam nur den ersten Teil der Anklageverlesung mit, dann mussten die Zuschauer raus.
(Foto: dapd)
Noch während des Verlesens der Anklageschrift beantragte die Verteidigung den Ausschluss der Öffentlichkeit bis zur Urteilsverkündung. Das Gericht gab dem Antrag umgehend statt. Der Vorsitzende Richter, Werner Brederlow, begründete den Beschluss mit den Schutzinteressen sowohl des Angeklagten als auch des Opfers und der Hinterbliebenen der 11-jährigen Lena. "Die öffentliche Erörterung könnte seine weitere Entwicklung negativ beeinflussen", sagte Brederlow über den Angeklagten. Eine sinnvolle Trennung der Verhandlung vor der Jugendkammer in öffentliche und nichtöffentliche Teile sei nicht möglich.
Das Landgericht in der niedersächsischen Stadt hat bis Anfang November zehn weitere Verhandlungstage angesetzt.
Lenas Stiefvater ausgeschlossen
Die Nebenklage legte sofort Beschwerde ein, weil Lenas Stiefvater nicht ebenfalls in dieser besonderen Rolle am Prozess teilnehmen darf. Zum Start waren nur Lenas Mutter, ihr jüngerer Bruder und die Joggerin, die sich gegen die Angriffe des Täters gewehrt hatte, als Nebenkläger zugelassen. Am ersten Verhandlungstag sollen Lenas Eltern, ein Parkhauswächter und ein 11 Jahre alter Freund des Mädchens als Zeugen aussagen.
Mehrere Ermittlungspannen
Nach dem Tod Lenas im März hatte eine 40-köpfige Mordkommission nach dem Täter gesucht. Erst nahmen die Ermittler irrtümlich einen Berufsschüler fest. Dieser erwies sich aber bald als unschuldig.
Zwei Zeuginnen, die den 18-Jährigen am Tattag in der Nähe des Parkhauses gesehen hatten, brachten die Fahnder schließlich auf seine Spur. Mit einer DNA-Analyse überführten sie ihn. Kurze Zeit später musste die Polizei einräumen, dass die pädophilen Neigungen des Verdächtigen schon länger bekannt waren. Er hatte sich im vergangen November selbst angezeigt, weil er eine Siebenjährige nackt fotografiert hatte. Eine vom Amtsgericht in Hannover angeordnete Hausdurchsuchung fand nicht statt.
Auch nach der Festnahme nannten die Ermittler keine konkreten Details zu dem Mädchenmord. Fest steht, dass die Grundschülerin am Nachmittag des Tattages - am 24. März 2012 - mit ihrem gleichaltrigen Freund von zu Hause aufgebrochen war, um die Enten in den Wallanlagen der niedersächsischen Hafenstadt zu füttern. Als Lena nicht nach Hause kam, machte sich ihre Mutter auf die Suche. Ein Parkhauswächter fand am Abend dann die Kinderleiche in einem Treppenhaus, das nur in Notfällen genutzt werden darf.
Nicht nur in Ostfriesland reagierten die Menschen fassungslos auf das Verbrechen. Dass so etwas am helllichten Tag mitten in der Innenstadt - das Parkhaus liegt direkt neben einem Kino - passieren konnte, machte viele betroffen. Auch die anfängliche Verhaftung des Unschuldigen, eine Hetzjagd im Internet gegen ihn und die Ermittlungspannen bei der Polizei sorgten bundesweit für Schlagzeilen.
Psychiater soll Schuldfähigkeit feststellen
Das Landgericht Aurich - die Stadt liegt etwa 30 Kilometer von Emden entfernt - hat insgesamt 17 Zeugen geladen. Außerdem sollen ein Gerichtsmediziner und ein Psychiater aussagen. Dieser soll beurteilen, ob der Angeklagte schuldfähig ist und ob er als Erwachsener oder Jugendlicher anzusehen ist. Seine Einschätzung wird eine entscheidende Rolle beim Strafmaß spielen. Bei einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht droht dem 18-Jährigen lebenslange Haft. Bei Jugendstrafrecht müsste er maximal zehn Jahre hinter Gittern verbüßen.
Quelle: ntv.de, dpa