EU-Parlament sortiert sichEs kommt zusammen, was nicht zusammen gehört

Im Europaparlament haben sich die Fraktionen zusammengefunden. Britische Rechtspopulisten treffen sich mit italienischen Clowns, deutsche Euroskeptiker etablieren sich, die CDU kungelt mit zwielichtigen Ungarn. Ein Überblick.
Aus deutscher Sicht scheint es, als wären die Europawahlen recht leicht zu verstehen. Denn auf den Wahlgrafiken tauchen die bekannten Farben auf: Gelb, grün, rot und dunkelrot stehen für die gleichen Parteien wie bei der Bundestagswahl. Die Konservativen mit CDU und CSU werden dunkelblau dargestellt, auch das erschließt sich unmittelbar. Doch allein aus Deutschland haben es dieses Mal Politiker aus 14 Parteien nach Straßburg geschafft, von denen sich 12 einer Fraktion zugeordnet haben. In anderen Ländern ist es noch komplizierter. Bis Mittwoch mussten sich die Fraktionen zusammenfinden - und dabei ergaben sich einige seltsame Konstellationen.
Deutsche Euroskeptiker werden geadelt: Eine der spannenden Fragen aus deutscher Sicht war, wo sich die neue AfD im Spektrum einsortieren würde. Spekuliert wurde, dass sie in der EFDD landen, also mit der rechtspopulistischen Ukip aus Großbritannien zusammenarbeiten würden. Lieber wollte die AfD aber in die EKR zu den konservativen Tories des britischen Premierministers David Cameron. Und dort landeten sie nun auch, obwohl die Tories dagegen waren. Für die AfD ist das geradezu eine Adelung - sie wird in Europa von seriösen Parteien anerkannt. Allerdings findet sie sich nun auch neben den weiter rechts stehenden Wahren Finnen und der Dänischen Volkspartei wieder. Auch der Abgeordnete der deutschen Familienpartei ist in dieser Fraktion, obwohl sie sich nicht als euroskeptisch versteht.
EU-Hasser bandeln mit Clowns an: Die Ukip von Nigel Farage tat sich dagegen mit der Fünf-Sterne-Bewegung des italienischen Komikers Beppe Grillo zur EFDD zusammen. Die Briten haben dort 24 Sitze, die Italiener 17. Ansonsten hat keine weitere Partei in dieser Fraktion mehr als 2 Abgeordnete. Die Frage ist, für wen von beiden diese Zusammenarbeit eigentlich erniedrigender ist.
Rechtsradikale kommen nicht zusammen: Immer wieder wurde die AfD gefragt, ob sie auch mit den weit rechts stehenden Parteien Front National aus Frankreich und PVV aus den Niederlanden zusammenarbeiten würde. Die Parteichefs Marine Le Pen und Geert Wilders waren kurz davor, eine rechtsextreme Fraktion zu bilden - doch die Sache scheiterte. Die Gründe sind nicht ganz klar. Ohne die PVV bekam der Front National nicht genügend Parteien zusammen, um eine Fraktion zu bilden. Für die Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Staaten notwendig. Damit entgeht den Rechtsradikalen viel Geld und die Möglichkeit, politische Mitarbeiter anzustellen. Fraktionslose Abgeordnete können zwar für organisatorische Dinge auf einen Mitarbeiterstab zurückgreifen, aber dieser wird vom Parlament gestellt. In der politischen Arbeit sind die Angestellten darum wenig hilfreich.
Satiriker zankt Nazi: Fraktionslos sind auch der NPD-Politiker Udo Voigt, der in dem internationalen Parlament ausländerfeindliche Politik machen will, und der Satiriker Martin Sonneborn von "Die Partei", der bislang kein anderes Projekt hat, als Voigt das Leben schwer zu machen. Sonneborn war von Grünen, Linken und Liberalen umworben worden, lehnte aber ab.
CDU muss Orbán ertragen: Für die Fraktionen ist jeder zusätzliche Abgeordnete wichtig. Das bringt Redezeiten und das Recht, Ausschussvorsitzende zu benennen. Nur so ist eigentlich die Zusammensetzung der größten Fraktion der EVP zu erklären: Mit CDU und CSU sitzt dort auch die nationalkonservative Fidesz des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, die in ihrer Heimat fremdenfeindliche Politik macht und die Pressefreiheit einschränkt. Auch die italienische Forza Italia von Silvio Berlusconi hat sich eigentlich schon zu viel erlaubt, um in den seriösen Kreis an großen europäischen Parteien zu passen. Bis auf Großbritannien kommt aus jedem EU-Land mindestens ein EVP-Mitglied. Zum Vorsitzenden wählte die Fraktion einen Deutschen: den CSU-Politiker Manfred Weber.
Viele deutsche Spitzenleute: Weitere deutsche Fraktionsvorsitzende gibt es mit Gabi Zimmer bei den Linken und mit Rebecca Harms bei den Grünen. Die Sozialdemokraten werden nur vorübergehend von Martin Schulz angeführt, der wieder auf den Posten des Parlamentspräsidenten wechseln wird. Sie bilden die einzige Gruppe mit Parteien aus allen 28 EU-Staaten.
Kleinparteien finden Unterschlupf: In einer Fraktion finden sich gleich drei deutsche Parteien: Die Grünen haben zusätzlich die Piratin Julia Reda und den ÖDP-Politiker Klaus Buchner aufgenommen. Die Tierschutzpartei kam bei den Linken unter, die Freien Wähler bei den Liberalen.
Engere Zusammenarbeit: Weil die anti-europäischen Kräfte am rechten Rand bei dieser Wahl stärker geworden sind, wollen die anderen Fraktionen enger zusammenarbeiten als bisher. Es ist bereits die Rede von einer "Großen Koalition" zwischen EVP und Sozialdemokraten. Diese "Koalition" wird allerdings wesentlich lockerer sein als das namensgleiche Bündnis im Deutschen Bundestag. Denn im Europaparlament sind sogar die Abgeordneten einer Fraktion oft unterschiedlicher Meinung und das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Wenn man die Zusammensetzung der Fraktionen betrachtet, versteht man auch schnell, warum das so ist.