Der NSU-Prozess und die Aufarbeitung Strafverteidiger warnen vor Fehlern
08.05.2013, 12:11 Uhr
Ein Schild mit der Aufschrift "In Erinnerung an Enver Simsek" klebt an Absperrgitttern vor dem Oberlandesgericht München.
(Foto: dpa)
Im NSU-Prozess sind die Erwartungen groß. Viele Angehörige der Opfer erhoffen sich eine geschichtliche Aufarbeitung oder zumindest eine Klärung der Frage: Wie konnten die Strafverfolgungsbehörden so versagen? Strafverteidiger zeigen sich da nüchterner - und warnen davor, die Rechte der Verteidigung zu beschränken.
Strafverteidiger haben vor einer zu großen Fokussierung auf die Opfer des NSU-Prozesses gewarnt. Man befürchte, dass das Verfahren "rechtsstaatlichen Strafverfahrensstandards und Verfahrensrechten von Verteidigung" schade, heißt es in einer Erklärung der Strafverteidigervereinigung NRW. Auch für die Angeklagten des NSU-Verfahrens gelte die "Unschuldsvermutung und der Zweifelsgrundsatz, demzufolge ein Beschuldigter erst schuldig ist, nachdem seine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist."
Die Strafverteidiger wehrten sich zugleich gegen Forderungen, der Prozess müsse zu einer umfassenden Aufklärung führen. Die Verhandlung diene ausschließlich der Klärung der Schuld des Angeklagten, heißt es. "Sie ist nicht der Ort geschichtlicher Aufarbeitung oder der Abrechnung mit mannigfaltigem Versagen von Strafverfolgungsbehörden." Daher sei es ein Recht der Angeklagten, vor Gericht zu schweigen. Gleichermaßen gehöre es zur Aufgabe der Verteidigung, in begründeten Fällen etwa Befangenheitsanträge gegen Gerichtspersonen zu stellen.
Befangenheitsanträge der Verteidiger hatten schon am Montag zum Prozessauftakt in München dafür gesorgt, dass die Verhandlung für eine Woche unterbrochen wurde. Der Prozess soll nun am 14. Mai fortgesetzt werden.
Leutheusser-Schnarrenberger dämpft Erwartungen
Rückendeckung erhielten die Verteidiger der Angeklagten Beate Zschäpe von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. In einem Strafprozess gebe es viele Formen von prozesstaktischen Anträgen, sagte die FDP-Ministerin der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Ein solches Vorgehen wie das von den Zschäpe-Verteidigern gebe es nicht nur im NSU-Prozess, wenngleich hier die öffentliche Aufmerksamkeit besonders groß sei.
Auch die von Opferangehörigen kritisierte Entscheidung des Oberlandesgerichts, nach den Befangenheitsanträgen zwei Verhandlungstage ausfallen zu lassen, verteidigte die Leutheusser-Schnarrenberger. "Verfahrensanträge müssen jeweils sorgfältig geprüft werden. Dies gilt auch, damit es nicht zu Verfahrensfehlern kommt, die später Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein könnten".
Die Bundesjustizministerin äußerte aber auch Verständnis für die Enttäuschung vieler Angehöriger. "Ich kann die Enttäuschung vieler Angehörigen der Opfer, die dem Prozess mit großen Erwartungen entgegen sahen, gut verstehen." Dennoch wolle sie "davor warnen, von diesem Prozess zu viel zu erwarten".
Quelle: ntv.de, ghö/dpa