Politik

Diplomat in Sachen Snowden Ströbele in geheimer Mission

"Ich nehme die Sache jetzt mal in die Hand", sagt Hans-Christian Ströbele.

"Ich nehme die Sache jetzt mal in die Hand", sagt Hans-Christian Ströbele.

(Foto: dpa)

Der Grünen-Abgeordnete Ströbele hat ein Ziel: Er will Edward Snowden nach Deutschland holen. Dabei zeigt er sich ganz als Diplomat: Streit mit den USA will er nicht. Ströbele will Wandel durch Annäherung.

Selbstzufrieden ist Hans-Christian Ströbele nicht, es wäre unfair, das zu behaupten. Aber der Grünen-Abgeordnete ist schon sehr mit sich im Reinen. Am Vorabend ist er aus London zurückgekehrt, er war zwei Tage dort, um mit britischen Abgeordneten aller im Unterhaus vertretenen Parteien über die NSA-Affäre zu sprechen.

Schließlich ist auch Großbritannien tief in diese Affäre verstrickt: Über die sogenannten Five Eyes sind die britischen Geheimdienste eng mit den US-Diensten verbunden. Wie die US-Botschaft spitzelt offenbar auch die britische Vertretung im Berliner Regierungsviertel die elektronische Kommunikation ihrer Umgebung aus.

Die Erkenntnisse, die Ströbele aus London mitbringt und Journalisten in einem Konferenzraum mit Blick auf den Reichstag präsentiert, sind allerdings deutlich weniger spektakulär als nach seiner Moskauer Reise, bei der er den früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden getroffen hatte. Er habe den britischen Parlamentariern von seiner Begegnung mit Snowden erzählt, berichtet Ströbele, und um Verständnis für die deutsche Position in der NSA-Affäre geworben. Das sei ja alles ein bisschen mager, merkt ein Journalist an. "Where's the beef?", fragt er, wo ist die Substanz des Ganzen?

Die Allianz der Machtlosen

Substanzielle Informationen, so viel ist klar, hat Ströbele nicht mitgebracht. Aber darum geht es ihm auch nicht. Ströbele arbeitet an einer Allianz von Abgeordneten, an einem Bündnis der Machtlosen. Die Abgeordneten, mit denen er gesprochen habe, hätten "staunend zur Kenntnis genommen", dass von der britischen Botschaft in Berlin aus Spionage betrieben werde. Das stand zwar im britischen "Independent". Aber er habe festgestellt, so Ströbele, dass das ganze Thema des Spionageskandals in Großbritannien "noch nicht in dem Maße angekommen ist, wie das in Deutschland der Fall ist".

Ströbeles Gesprächspartner in London waren durchaus hochrangig, der Vorsitzende des Unterhaus-Komitees für Geheimdienste und Sicherheit, Malcom Rifkind, war etwa darunter, ein konservativer Politiker, der in den neunziger Jahren erst Verteidigungs-, dann Außenminister war. Mit ihm habe er "eine gute Stunde diskutiert über die Fragen der Ausspionierung von Freunden, über die NSA, über die mögliche Beteiligung von britischen Geheimdiensten".

Es geht um Snowden

Bei allen Gesprächen, so berichtet Ströbele, habe sein Besuch bei Snowden in Moskau "eine ganz ausführliche Rolle" gespielt. Und das ist wohl der Kern seines Anliegens: In London habe er darauf hingewiesen, dass er großes Interesse daran habe, Snowden nach Deutschland oder in ein anderes demokratisches Land zu holen, sagt Ströbele.

Von den britischen Abgeordneten sei er gefragt worden, was für ein Mann Snowden sei, ob er mehr Gutes getan oder vorwiegend "Nachteile angerichtet" habe. In Großbritannien gebe es dazu - "noch, sage ich" - eine etwas andere Wahrnehmung als in Deutschland. Ströbele will das ändern, er will eine Atmosphäre schaffen, in der es denkbar ist, dass Snowden nach Deutschland kommt. Ströbele will den Wandel durch Annäherung.

"Für mich ist es eilig"

Natürlich geht es ihm auch um die NSA-Affäre, es geht ihm um Aufklärung und darum, die Geheimdienste besser zu kontrollieren. Doch im Moment, so viel wird klar, sorgt Ströbele sich vor allem um Snowden. "Irgendwann" werde der sicher nach Deutschland kommen, sagt er. Aber Ströbele macht auch deutlich, dass das nur funktionieren werde, wenn man mit den Amerikanern zu einem "Agreement" komme. "Das geht nicht im offenen Streit." Den Bruch mit den USA, den Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Wand male, "den will ich doch auch nicht riskieren".

Den Vorwurf, er habe sich mit seiner Reise nach London selbst in den Mittelpunkt stellen wollen, weist Ströbele zurück. "Das ist keine Ein-Mann-Show", betont er, und ein Ersatz-Außenminister sei er auch nicht. Dabei ist er genau das: Ströbele springt in die Lücke, die die Bundesregierung aus Angst vor den USA nicht ausfüllen will. Er selbst sagt das nicht, dazu ist er wohl viel zu sehr Diplomat. Im Gegenteil, er zeigt Verständnis für die Kollegen von Union und SPD, mit denen er im Parlamentarischen Kontrollgremium sitzt. Die hätten wegen der Koalitionsverhandlungen derzeit einfach nicht die Möglichkeit, für ein oder zwei Tage Zeit nach London zu reisen. Da habe er sich gesagt: "Ich nehme die Sache jetzt mal in die Hand." Für ihn sei es eilig, er wolle "so viel wie möglich" in die Wege leiten. Was er nicht sagt: Snowdens Aufenthaltserlaubnis in Russland gilt nur noch bis August.

US-Delegation kommt nach Berlin

Am kommenden Montag kann Ströbele seine eilige Geheimdiplomatie möglicherweise fortsetzen. Eine Delegation von amerikanischen Parlamentariern kommt nach Berlin, um mit deutschen Abgeordneten über die Geheimdienstaffäre zu sprechen. Ein bisschen Verständnis für die deutsche Haltung bringen sie offenbar mit. "In den letzten Monaten hatten unsere europäischen Verbündeten legitime Bedenken über Charakter und Ausmaß von US-Geheimdienstprogrammen geäußert", schreibt US-Senator Chris Murphy auf seiner Webseite. Er stimme zu, dass diese Programme zuweilen "nicht mit der gebotenen Zurückhaltung und Sicherheit ausgeführt" worden seien.

Ströbele sagte, vermutlich habe die US-Delegation bei ihrem Kurzbesuch in Berlin nur wenig Zeit für intensive Gespräche. Deshalb will er demnächst nach Washington reisen. Seine Mission ist noch nicht beendet.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen