"Als ginge es um Kriegsstrategien" TTIP-Geheimhaltung empört Abgeordnete
14.08.2015, 12:12 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
EU-Kommissarin Malmström reagiert auf in Deutschland veröffentlichte TTIP-Geheimdokumente radikal. Berichte über die Verhandlungen mit den USA werden nicht mehr an die EU-Mitglieder verschickt. Aus dem Bundestag kommt harsche Kritik - und Spott.
Eines der Hauptprobleme beim EU-US-Freihandelsabkommen TTIP ist, dass niemand so genau weiß, worüber derzeit im Detail verhandelt wird. Die Gespräche sind geheim. Es ist diese Verschlossenheit, der Mangel an Informationen, der viele Kritiker auf die Palme bringt. Deutsche Politiker sind nun ebenfalls verärgert, da die EU-Kommission die Geheimhaltung der Dokumente erneut verschärft hat.
Der Handelsausschuss der EU, in dem auch ein deutscher Vertreter sitzt, hatte von der EU-Kommission die Mitteilung bekommen, der Bericht der zehnten Runde werde nicht mehr an die Mitgliedsstaaten verschickt. Wollen Beamte oder Politiker wissen, worüber die EU mit den USA Mitte Juli gesprochen hat, müssen sie nach Brüssel fahren und in den Leseraum gehen. Nur Papier und Bleistift sind erlaubt, keine elektronischen Geräte.
Das Recherchebüro Correctiv veröffentlichte Auszüge aus dem Bericht des deutschen Ausschussmitglieds. Darin ist als Begründung für die Anweisung von EU-Kommissarin Cecilia Malmström zu lesen: "Die Verantwortung hierfür trügen die MS, in denen die 'Leaks' entstanden seien. So gäbe es MS (gemeint offensichtlich DEU), bei denen die Verhandlungsdokumente an Datenbanken ihrer nationalen Parlamente übermittelt würden. Damit hätten Hunderte von Personen faktisch unkontrollierbaren Zugang zu diesen Dokumenten. Es sei offensichtlich, dass hierdurch die Gefahr von 'Leaks' beträchtlich erhöht werde." Mit MS werden Mitgliedsstaaten abgekürzt, mit DEU ist Deutschland gemeint.
Versandsperre gilt bis auf Weiteres
Bundestagsabgeordnete reagieren auf die Neuregelung kritisch bis empört. Als "unerträglich" bezeichnet der Linken-Vizefraktionschef Klaus Ernst der "Süddeutschen Zeitung" zufolge die Maßnahme: "Als ginge es um geheime Kriegsstrategien und nicht um internationale Handelspolitik." Ernst spricht von "Mauschelei" und "Geheimniskrämerei". Die Grünen-Fraktion im Bundestag kritisiert Intransparenz und spottet über die Anweisung der EU-Kommission: "So sehen also die transparentesten Verhandlungen aller Zeiten aus", teilte die Sprecherin der Grünen für Wettbewerbspolitik mit.
In dem Bericht werden ausdrücklich die vorherigen Veröffentlichungen von Correctiv als Leaks genannt, die zu der Entscheidung geführt hätten. Die Essener hatten unter anderen auch Dokumente der Verhandlungsrunden 5 bis 9 ins Netz gestellt. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge arbeitet die EU-Kommission an einem neuen System, um Dokumente wieder in den Mitgliedsländern zugänglich machen zu können und das Risiko für Leaks gleichzeitig zu verringern. Offenbar soll es bis dahin bei der Informationssperre bleiben.
Die gewünschte Transparenz auf anderem Wege zu erreichen, das versucht derweil Wikileaks. Die Website sammelt Spenden, um 100.000 Euro Belohnung auszuloben. Mit dem Geld will Wikileaks Informanten ermutigen, ihnen Papiere aus den geheimen TTIP-Verhandlungsrunden zu überlassen.
Quelle: ntv.de, rpe