Politik

Polit-Flirt eines Autokraten Warum Erdogan Trumps Nähe sucht

Der türkische Präsident Erdogan erhofft sich mit Trumps Einzug ins Weiße Haus ein besseres Verhältnis zu den USA.

Der türkische Präsident Erdogan erhofft sich mit Trumps Einzug ins Weiße Haus ein besseres Verhältnis zu den USA.

(Foto: REUTERS)

Nicht zum ersten Mal nimmt der türkische Präsident Erdogan seinen künftigen Amtskollegen Trump in Schutz: Wie sich selbst sieht er auch ihn als Opfer einer Kampagne. Das verbindet. Doch Erdogan verspricht sich viel mehr von dem Republikaner.

Das Jahr 2017 startet turbulent für den künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Mit den US-Geheimdiensten liegt er im Dauerclinch, mit den Medien ebenso - und ein "geleakter" Bericht über angebliche Sex-Eskapaden bringt den 70-Jährigen aktuell erst richtig in Rage. Zumindest der Fürsprache aus Ankara kann sich der Republikaner aber überraschenderweise sicher sein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ergriff erneut Partei für Trump - und verteidigte dessen scharf kritisierten Umgang mit dem CNN-Journalisten Jim Acosta bei der Pressekonferenz in dieser Woche. Trump hatte sich geweigert, dessen Fragen zu beantworten, weil CNN "fake news" verbreitet habe. Der Sender hatte über die Existenz des umstrittenen Dossiers berichtet. Im Gegensatz zu "Buzzfeed" hatte der Sender die Inhalte allerdings nicht veröffentlicht.

Wie die türkische Zeitung "The Daily Sabah" berichtet, verglich Erdogan das Vorgehen Trumps bei besagter Konferenz nun mit Aktionen gegen die kritische Presse im eigenen Land. Seit dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Juli hat die Regierung Dutzende Medien schließen und unliebsame Journalisten verhaften lassen.

Auch die ausländische Presse griff Erdogan scharf an. Er sagte, während der "Gezi-Proteste und der PKK-Terrorkampagnen" sei die "Einheit und Solidarität der türkischen Nation" von internationalen Medien angegriffen worden. "Dieselben Leute, die damals dieses Spiel in der Türkei begonnen haben, tun nun Trump Unrecht."

Medienorganisationen wie CNN würden demnach versuchen, aktiv die nationale Einheit zu untergraben, fuhr der Präsident mit triumphalem Tonfall fort. Deshalb sei Trump im Recht gewesen, als er die Fragen von Acosta abgelehnt habe. "Herr Trump hat den Reporter dieser Mediengruppe zurück auf seinen Platz verwiesen."

Doch nicht nur, was den Umgang mit kritischer Berichterstattung angeht, vertreten die beiden Politiker offenbar ähnliche Ansichten. Auch ein angespanntes Verhältnis zu Europa eint die beiden. Kurz nach dem unerwarteten Sieg von Trump bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen November hatte Erdogan ihn gegen angebliche Vorwürfe europäischer Demonstranten verteidigt, er sei ein Diktator.

Was sich Erdogan von Trump erhofft

"Diese Leute bezeichnen jemanden als Diktator?", wandte sich Erdogan damals an seine Zuhörer. "Dann müssen Sie das genaue Gegenteil verstehen! Diese Person ist gut, da sie gegen die Interessen [dieser Leute] handelt." Dass Trump wiederholt auch wegen islamfeindlicher Äußerungen auffiel und sogar ein Einreiseverbot für Muslime in die USA forderte, ließ den praktizierenden Moslem Erdogan kalt. "Wenn man heute so spricht und es falsch ist, kann man das in Ordnung bringen", sagte er. Bis jetzt hat sich Trump in dieser Hinsicht nicht korrigiert. Doch Erdogan offenbar der Ansicht, mit Trump einen wichtigen Verbündeten gewinnen zu können. Und den hat er tatsächlich auch bitter nötig.

Noch immer kämpfen die beiden Nato-Partner in Syrien an unterschiedlicher Front. Während die USA der Kurdenmiliz YPG im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) hilft, geht die türkische Führung militärisch gegen die YPG-Einheiten vor, weil sie sie als Splittergruppe der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK ansehen. Unter Trump erhofft sich Erdogan womöglich einen Konsens in diesem Punkt. Zudem weigern sich die Vereinigten Staaten nach wie vor, den emigrierten türkischen Prediger Fethullah Gülen auszuliefern. Erdogan macht ihn für den gescheiterten Militärputsch verantwortlich. Von einem guten Verhältnis zu Trump verspricht er sich offenbar auch ein Einlenken in dieser Frage.

Trump lobte Erdogan nach Putschversuch

Und die Hoffnung ist zumindest nicht ganz unbegründet. Schon kurz nach der Wahl hatte Trumps designierter Sicherheitsberater Michael Flynn eine Auslieferung Gülens nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. "Gülen ist ein zwielichtiger islamischer Mullah", hatte der Ex-Chef des Militärgeheimdienstes DIA erklärt. Gülens Anwälte hatten sich daraufhin beeilt, auf die in diesem Fall allein zuständige Justiz zu verweisen. Das Verfahren, hieß es, dürfe nicht politisiert werden. Daraus sprach auch vorauseilender Protest, sollte sich Trump doch einmischen wollen. Dass Trump selbst nicht allzu viel Wert auf die Teilung der Gewalten im Staat legt, hatte er schon zuvor bewiesen, als er Erdogan für dessen Reaktion auf den Putschversuch lobte.

Der "New York Times" hatte Trump gesagt, er halte dem türkischen Staatschef zu Gute, "dass er das wieder unter Kontrolle bekommen hat." Er wollte Erdogan nicht dazu aufrufen, Rechtsstaatlichkeit oder westliche Standards in der Justiz einzuhalten. Das dürfte ihm gefallen haben. Trotz aller wohlwollenden Gesten steht eine Annäherung zwischen Washington und Ankara aber dennoch auf wackligen Füßen. Erst vor wenigen Tagen hatte Erdogan die Nutzung des Luftwaffenstützpunkts Incirlik durch die Anti-IS-Allianz infrage gestellt - und dies mit der fehlenden militärischen Unterstützung der USA begründet. Von Trump erwartet die Regierung nun mehr Engagement. Doch der lässt sich bekanntlich nicht gern erpressen.

Quelle: ntv.de

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