Union und FDP Willkommen in der Dauerkrise
01.02.2010, 11:04 UhrAngela Merkel hat verstanden: "Das wird keine einfache Legislaturperiode", vermutet sie. Diese Formulierung ist eine Untertreibung. Denn die Koalition ist grundsätzlich gespalten.

Westerwelle und Merkel - bald 100 Tage im Amt
(Foto: AP)
Knapp drei Monate nach Beginn der Zusammenarbeit merken die Partner von Union und FDP plötzlich, dass die Traumhochzeit nicht der Beginn einer Zeit im Gleichschritt ist. Die Harmonie des Wahlkampfs und der Koalitionsverhandlungen ist dahin, zerstört von den Nörglern aus den eigenen Reihen, der Finanzrealität des Bundeshaushalts und einzelnen Interessengruppen.
Die CDU ist in der Dreiecksbeziehung der Realo, die FDP der Fundi und die CSU schwebt auf blau-weißer Hotel-Bettwäsche irgendwo dazwischen. Dass es bei Liberalen und Union nach Ansicht Merkels "Unterschiede beim Staatsverständnis" gibt, sollte niemandem neu sein. Wohl aber die Zurückhaltung, mit der die Bundeskanzlerin das Verhältnis zum Koalitionspartner beschreibt. Sie spüre "durchaus einen kameradschaftlichen Geist", so Merkel. Übersetzt: Wir haben uns jederzeit bemüht. Als Zwischenzeugnis ist das ein Desaster.
Merkel ist ernüchtert
Die von Westerwelle geforderte "geistig-politische Wende" zu Gunsten der Besserverdiener dürfte Merkel nach den Koalitions- und Neujahrsfeierlichkeiten schnell ernüchtert haben. Die "Abkassierei bei denjenigen, die den Karren ziehen" müsse ein Ende haben, hatte der Außenminister und Vizekanzler kurz vor dem Dreikönigstreffen der FDP gefordert. Ein offener Angriff auf die solidarischen Prinzipien des Sozialstaats. Merkel blieb ruhig. Nun demonstriert sie ihre Richtlinienkompetenz mit klaren Worten: Die Union wolle einen "starken Staat", Leistungsträger sollten "ihre Leistung nicht permanent daran messen, was sie dafür zurückbekommen". Die Kanzlerin bringt sich in Stellung gegen die Forderungen der Liberalen.
Die Kopfpauschale von Gesundheitsminister Rösler gehört ebenfalls zu diesen Forderungen. Soll die Putzfrau den gleichen Betrag zahlen wie ein Manager? Auch das ist unsolidarisch. Ein Sozialausgleich würde das neue System überflüssig machen, da kann es einfach bleiben, wie es ist.
Der Kampf lohnt sich
Ob die FDP nun Mövenpick-Partei ist oder nicht, Tatsache ist, dass der Mehrwertsteuersatz für Hotelbetreiber gesenkt wurde. Das ist Politik für bestimmte Unternehmen.
Ein solches Zugeständnis an den kleinen Koalitionspartner will die Bundeskanzlerin offensichtlich nicht noch einmal machen. Merkel hat immer wieder betont, sie wolle eine Kanzlerin für "alle Deutschen" sein. Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist das Gegenteil von Klientelpolitik, sagt sie außerdem. Die Liberalen verweigern sich dieser Erkenntnis.
Die unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle des Staates, sie werden Union und FDP eine dauerhafte Beziehungskrise bescheren. Und damit auch "keine einfache Legislaturperiode". Doch auch wenn er bis zum Ende der Zusammenarbeit der Partner andauert - Merkels Kampf lohnt sich.
Quelle: ntv.de