"Rennwagen für die Straße" Honda Civic Type R lässt 310 PS frei
05.06.2015, 14:25 Uhr
An den großen Lufteinlässen erkennt man den Kühlbedarf des Turbomotors.
(Foto: Axel F. Busse)
Die Erinnerung an den ersten japanischen Formel-1-Sieg ist schon fast verblasst, doch Honda nimmt das 50-jährige Jubiläum zum Anlass, seine Rennsport-Kompetenz auf öffentlichen Straßen zu erneuern: Das Modell Civic wird wieder als "Typ R" angeboten.
Der Große Preis von Mexiko anno 1965 wird in den Honda-Annalen hochgehalten, Richie Ginther gewann den Formel-1-Weltmeisterschaftslauf mit hauchdünnem Vorsprung. Es war der erste Sieg eines japanischen Rennwagens im GP-Motorsport und der verwendete 1,5 Liter große V12-Motor galt als technisches Meisterwerk. Als Triebwerks-Lieferant machte der weltgrößte Motorenhersteller danach noch öfter von sich reden, ohne dass die Erfolge nachhaltig auf das Markenimage abfärbten. Insofern ist es ein selbstbewusster Paukenschlag, was Honda den leistungsorientierten Kompaktwagen-Kunden jetzt anbietet.
Der 5-türige Civic, trotz extravaganter Form in der deutschen Verkaufsstatistik eher ein unauffälliger Vertreter, wird nach einer mehr als fünfjährigen Pause energisch aufgerüstet. Ein Zweiliter-Turbomotor mit 310 PS und 400 Newtonmetern Drehmoment befeuert den Wagen, dem besser verkaufende Mitbewerber wie Hyundai, Mazda oder Toyota nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen haben. Mit abgeregelten 250 km/h müssen sich die Kunden nicht zufriedengeben, der Type R schafft es noch 20 km/h schneller. Und was viele am meisten freuen wird: Die Pistenrakete ist für weniger als 35.000 Euro zu haben.
Motorleistung mehr als verdoppelt
Auch wenn es kaum mehr Parallelen zwischen den Honda RA 272 in der Formel 1 und dem Civic Type R von heute gibt als die Einbaulage des Motors (beide quer), illustriert ein Vergleich doch anschaulich einen enormen Fortschritt in der Leistungsausbeute. Aus 12 Zylindern konnten die Honda-Ingenieure damals 233 PS holen. Heute werden im Type R in nur vier Zylindern mittels Turboaufladung 310 PS zubereitet. Das ist mehr als die Verdoppelung dessen, was der stärkste Civic bisher zu bieten hat. Für den Motor aus den 1960ern war es einfach, das knapp 500 Kilo leichte Chassis auf Tempo zu bringen, doch auch die 5,7 Sekunden, die der Top-Civic für das Erreichen der 100-km/h-Marke braucht, können sich sehen lassen. Immerhin wiegt der Wagen 1360 Kilogramm.
Seine martialische Ausstrahlung erhält der "R" durch das umfangreiche Aerodynamikpaket, das ihm das richtige Verhältnis von Windschlüpfrigkeit und Bodenhaftung verpassen soll. Wie viel Anpressdruck der gewaltige Heckspoiler zusätzlich auf die Hinterachse bringt, mögen die Honda-Ingenieure nicht verraten. Der gesamte Anbausatz aus Bugspoiler, verkleidetem Unterboden, Schwellern, Seitenkiemen und Abrisskanten soll den cw-Wert um gut acht Prozent verbessern. Wie nötig der Heckspoiler ist, kann man schon nach wenigen Runden auf der Rennstrecke live erleben, wenn nach der temporeichen Geraden die Brembo-Bremse an der Vorderachse gnadenlos auf die innen belüftete Scheibe beißt und das Heck spürbar leichter werden lässt. Auf der Nürburgring-Nordschleife verschaffte sich ein nur geringfügig veränderter Civic Type R durch die Rundenzeit von knapp 7:51 Minuten großen Respekt.
Trotz des nicht gerade idealen Achslast-Verhältnisses von 60/40 zugunsten der Vorderachse ist der Type R nah am Grenzbereich erstaunlich neutral. Vor allem das notorische Problem der Antriebseinflüsse in der Lenkung hat die Entwicklungsabteilung gut in den Griff bekommen. Das mechanische Sperr-Differenzial sorgt dafür, dass in schnellen Kehren genügend Traktion zur Verfügung steht und der Über-Civic souverän aus dem Knick schießen kann. Die ehrfurchtgebietende Performance wird von einem nicht weniger beeindruckenden Getöse begleitet. Nicht immer, vor allem nicht um 4500 Kurbelwellen-Umdrehungen, bleibt es unterhalb der Wohlfühl-Grenze. Das mögen verschiedene Fahrer unterschiedlich beurteilen, fest steht aber, dass die vier Endrohre keine Sound-Defizite zulassen.

Alles auf Rot: Im R-Modus schaltet auch die Display-Beleuchtung auf Interieur-Farbe.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Das eng abgestufte Sechsganggetriebe erfreut durch nur 40 Millimeter Schaltweg, danach rastet die Übersetzung knackig ein. Der sechste Gang ist mit 1:0,74 noch lang genug übersetzt, dass bei ausgedehnten Autobahnpassagen die Drehzahl nicht zu hoch und der Verbrauch im Rahmen bleibt. Nach Messung von 7,1 Litern je 100 km verließ der Typ R den Rollenprüfstand, in der Praxis sollte man bei normaler Fahrweise mit etwa neun Litern auskommen.
Noch bissiger durch "R"-Modus
Ohne falsche Bescheidenheit nennt Honda sein neuestes Produkt "Rennwagen für die Straße". Wem der naturbelassene Typ R noch nicht bissig genug ist, kann eine rote Taste links des belederten Lenkrades drücken. Daraufhin färbt sich die Armaturenbeleuchtung rot ein, die veränderte Gaspedalkennung bewirkt ein noch dynamischeres Ansprechverhalten des Motors und eine aggressivere Drehmomentverteilung, sodass bereits im niedrigen Drehzahlbereich ein maximales Drehmoment zur Verfügung steht. Die elektrische Servolenkung wird griffiger und härter, um ein präziseres und schärferes Lenkgefühl an den Fahrer weiter zu geben. Ferner wird die Grunddämpfkraft des neuen adaptiven Vierpunkt-Dämpfersystems um 30 Prozent erhöht. So reagiert der Type R straffer und agiler im Handling. Auch das Elektronische Stabilitätsprogramm (VSA) ist im "+R"-Modus ganz auf Beschleunigung und Leistung ausgelegt und greift bei Gieren und Schlupf erst später ein.
Im Renn-Modus können über das oberhalb des Armaturenbretts angeordnete Zusatz-Display eine Stoppuhr aktiviert und Rundenzeiten genommen werden, die Längs- und Querbeschleunigung sowie die Verzögerung werden in "g" visualisiert. Eher für den Alltagsgebrauch ist das Infotainment-System Honda Connect gedacht, das schnellen Zugriff auf Fahrzeuginformationen, Musik und die Rückfahrkamera erlaubt. Ebenfalls integriert ist eine Bluetooth-Schnittstelle für die Verbindung mit dem eigenen Smartphone. Die Funktionen des neuen Systems umfassen unter anderem Internet-Browsing, vorinstallierte Apps, das Honda App Center, DAB+ und Internetradio. Zwar kann über einen mobilen WLAN-Router eine Internet-Verbindung hergestellt werden, was aus Sicherheitsgründen aber nur bei geparktem Fahrzeug möglich ist.
Die durch Sport-Schalensitze und 19-Zoll-Leichtmetallfelgen sehr dynamik-orientierte Ausstattung kann noch durch ein GT-Paket ergänzt werden. Es bringt weitere Sicherheits- und Assistenzsysteme mit, zum Beispiel Kollisionswarnung, Spurhalte- und Fernlichtassistent, Toter-Winkel-Überwachung, Ausparkhilfe und Verkehrszeichenerkennung. Ferner gehören ein Garmin-Satellitennavigations-System und eine 320-Watt-Audioanlage mit acht Lautsprechern zum Paket. Es kostet 2500 Euro Aufpreis, so dass ein voll ausgestatteter Type R mit 36.500 Euro zu Buche schlägt.
Quelle: ntv.de