Kühtai, Ötztal, Timmelsjoch Im Kurveneldorado mit dem Mini JCW
06.09.2016, 14:28 Uhr
Einen Porsche für die Alpenpässe braucht es nicht. Mit einem Mini John Cooper Works hat man auch seinen Spaß.
(Foto: Günter Schmied)
Sportwagenfans träumen davon, mit einem Porsche 911 oder gar einem Lamborghini über Alpenpässe zu heizen. Spaß kann man aber auch drei Nummern kleiner haben, wie die Alpen-Rallye mit dem Mini John Cooper Works beweist.
Piloten von Sportwagen sind manchmal einsam. Auf den offenen Stücken der Autobahnen fahren sie dem Alltagsvolk davon und wenn sie im Pulk der Langsamen gefangen sind, sind sie häufig nicht gut gelitten. Wen wundert es also, dass sie sich Spielwiesen und neue Freunde suchen. Die finden sie zum Beispiel auf den Rennstrecken. Hier toben sie sich mit Gleichgesinnten auf dem Rundkurs aus. Auf die Dauer ist das dem einen oder anderen aber vielleicht zu langweilig, deswegen gab es dieses Jahr die zweite Auflage der "Allgäu Classic Sportscar Experience". Entstanden ist sie aus der Allgäu-Classic. Während die nur Oldtimer im Starterfeld zulässt, soll die Sportwagenrallye durchs Alpenland vor allem Piloten von Boliden in ihren Bann ziehen.
Anders als die Fahrten mit den geschichtsträchtigen Oldtimern, wo es Zeit-, Langsamkeits- und Geschicklichkeitsfahrten gibt, geht es bei der Ausfahrt mit den Sportwagen vor allem um Fahrspaß. Und wo könnte der größer sein als in den Alpen. Hier gibt es über 100 Pässe in einem Umkreis von 300 Kilometern, was die Gegend zu einem echten Kurveneldorado macht. Kein Wunder also, dass an der diesjährigen Allgäu-Rallye neben einem Bentley Continental, einem Jaguar F-Type, einem Ferrari 488 Spider und einem Lamborghini auch ein Mercedes-AMG GT S teilnahm. Alles "PS-Rüpel" vor dem Herrn, keiner unter 500 PS. Da nimmt sich der Mini John Cooper Works von n-tv.de mit 231 PS wie ein echtes Understatement aus.
Boliden-Fahrer machen große Augen
Doch spätestens nach den ersten zwei Stunden Fahrt, der den Konvoi von insgesamt 25 Sportwagen aus dem Allgäu bis in Kühtai nach Tirol führte, zeigte sich der eine oder andere Boliden-Fahrer über die Potenz des kleinen Briten erstaunt. "Wir hätten nicht gedacht, dass der Mini hier so gut mithalten kann." Leistung ist eben nicht alles und schon gar nicht bei der Kurvenfahrt. Zugegeben, der John Cooper Works war mit einem extra sportlichen Fahrwerk ausgestattet, was es ihm erlaubte, wesentlich rasanter in die Kehren zu schießen, als der hubraumvolumigen Reisebegleitung.
Natürlich sind die oben genannten Sportfreunde mit Spurtzeiten von knapp 4,0 Sekunden und darunter einem John Cooper Works auf der Geraden gnadenlos überlegen. Und ein Lamborghini ist mit dem richtigen Fahrer, ebenso wie ein Porsche 911, auch auf den Bergpässen nicht zu überlaufen. Doch auch die Sprintzeiten des John Cooper Works können sich sehen lassen. Auf Tempo 100 beschleunigt der Brite in 6,3 Sekunden und auf der Geraden sind immerhin über 240 km/h möglich. Und das, obgleich unter seiner Haube lediglich ein 2.0 Liter Vierzylinder mit TwinPower-Turbo pumpt.
Go-Kart-Feeling und Sportfahrwerk

Durch atemberaubende Landschaften führte die Alpen-Rallye den Mini John Cooper Works.
(Foto: Günter Schmied)
Was den Mini auf den Bergpässen ebenfalls auszeichnete, ist seine hauseigene Wendigkeit, die immer wieder gerne mit dem Go-Kart-Feeling in Zusammenhang gebracht wird. Richtig heiß wurde die Hatz auf privaten Alpenpässen, die sozusagen auf eigene Verantwortung der Beteiligten von den Regeln der STVO befreit waren. In Richtung Timmelsjoch zum Beispiel waren Kurvenfahrten in Geschwindigkeiten möglich, wie sie der eine oder andere Sportwagenfahrer wohl selbst noch nicht erlebt hatte. Hier wurde auch deutlich, was der Brite so gar nicht mag: scharfes Anbremsen in der Kurve. Der kurze Radstand ist hier bei einem kurzen Blockieren der Räder ursächlich für einen leichten Versatz verantwortlich. Diese Verwerfung lässt sich schnell wieder ausgleichen, stoppt den flüssigen Lauf aber spürbar. Allerdings ist diese Eigenart des Mini bei weitem nicht mehr so stark ausgeprägt wie bei seinen Vorfahren.
Selbstredend lassen sich auch beim John Cooper Works all die kleinen Helferlein mit dem ESP-Off-Schalter deaktivieren, was die Fahrt durch Haarnadelkurven und enge Bergpassagen noch emotionaler macht. Vor allem verhindert es aber die Sicherheitsbremsung, die die Elektronik vorschreibt und auch hier schnellere Kurvenfahrten verhindert. Um an dieser Stelle einen falschen Eindruck zu vermeiden, sei aber angemerkt, dass die Grenzbereiche über die gesamten zwei Tage der Rallye mit Verstand und vor allem allerhöchster Achtsamkeit erfahren wurden. Das wiederum hat Fahrer und Fahrzeug auf eine ganz neue Art und Weise zusammengeschmiedet. Vielleicht sogar mehr als auf einer Rennstrecke.
Spratzen wie ein Großer

Den Lamborghini im Rückspiegel konnte der Mini John Cooper Works in den Alpen nicht abhängen.
(Foto: Günter Schmied)
Doch noch etwas zeichnete den Winzling im Vergleich zu seinen großen Spielkameraden aus: der Sound. Das Schub-Blubbern ist bereits im Serienmodell nicht von schlechten Eltern. Der Alpenrenner hatte aber eine extra Sportauspuffanlage, was ihn tonal ganz weit nach vorne brachte. Über einen Extra-Knopf unterhalb der Mittelkonsole konnte mit zwei kurz aufeinanderfolgenden Fingerdrücken noch mal ein ganz anderer Sound erzeugt werden. Während der Zwischengasphasen knattert der Mini wie ein ganz Großer aus den mittig platzierten Endrohren, die zudem mit Carbon-Blenden versehen sind. Der Klang war so gut, dass selbst ein Maserati Gran Cabrio mit 4.0 Liter V8 etwas angestrengt dagegen wirkte.
Der war zwar laut, brachte aber mehr oder weniger nur eine Klangfarbe ins Spiel, während der Mini von kurzen Salven bis zum lauten Husten eine ganze Klaviatur aus dem Diffusor rotzte. Nein, auch hier muss man sich eingestehen, dass das mit dem im AMG GT S arbeitenden V8, der seine Potenz ebenfalls über doppelte Drosselklappen entäußert, nicht zu vergleichen ist. Dennoch war dem Kleinen die Aufmerksamkeit gewiss. Die Zuschauer am Rande der Bergstraßen konnten kaum fassen, mit welcher Wucht sich ein solcher "Winzling" neben den dicken Dingern in die Ohren der Umstehenden hämmert.
Im Vergleich ein Mini-Preis
Winzig wirkt im Übrigen auch der Preis des Mini im Vergleich mit seinen Rallye-Begleitern. Schlanke 44.214 Euro stehen hier bis zu 350.000 Euro entgegen. Und so teuer wird der Brite auch nur, weil er eine Reihe an Assistenzsystemen hat, die es in der Grundausstattung nicht gibt, und er sich mit dem schon erwähnten sportlichen Zubehör schmückt. Dazu gehört eben auch das JCW Pro Sportfahrwerk für 1330 Euro, die Sportauspuffanlage mit Klappenschalldämpfer für 1534 Euro, Außenspiegelblenden in Karbonoptik, eine Hutze auf der Motorhaube oder die Aerodynamikkomponenten am Heck. Ebenfalls an Board sind Rückfahrkamera, Sitzheizung, Park Distance Control, Lautsprechersystem von harman/kardon und ein Head-Up Display.
Doch was der Wagen kostet, mit dem man die Allgäu-Rallye fährt, ist eigentlich egal. Für den Organisator Hans Peter Gaukler heißt das Motto "Fahren, Feiern, Freunde treffen". Dazu gehört das gemeinsame Cruisen der Sportwagen-Fans ebenso, wie der Spaß abseits der Straße. Ob man dafür für zwei Tage - für ein Fahrzeug und zwei Personen - über 2000 Euro bezahlt, muss jeder selbst wissen. Denn fahren kann man auch ohne zusätzliche Bespaßung durch diese atemberaubende Alpenpass-Landschaft. Nimmt man sich dann noch zwei, drei Freunde mit, dürften die Eindrücke nicht minder nachhaltig sein. Sollte aber Wert darauf gelegt werden neue Leute kennenzulernen, Gleichgesinnte abseits des eigenen inneren Zirkels zu treffen, vielleicht sogar Netzwerke zu knüpfen, kann eine geführte Fahrt wie die "Allgäu Classic Sportscar Experience" schon ganz hilfreich sein.
Quelle: ntv.de