Erste Raffinerien sollen schließen Tankstellen bleiben auf E10 sitzen
02.03.2011, 17:28 Uhr
Tanke ich es oder nicht? Das neue Super-Benzin sorgt für Ärger an der Zapfsäule.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wut und Verwirrung an den Tankstellen wachsen angesichts des neu eingeführten Kraftstoffs E10. Die überwiegende Mehrheit der Verbraucher tankt sicherheitshalber das alte Super-Benzin und zahlt dabei kräftig drauf. Am Freitag könnten deshalb erste Raffinerien für das neue E10 zeitweise stillgelegt werden.
Die Kaufzurückhaltung der Verbraucher beim neuen "Biokraftstoff" E10 stellt die Mineralöl-Wirtschaft zunehmend vor Probleme. Die Skepsis der Autofahrer sorge für ein Überangebot an E10, sodass möglicherweise bald die erste Raffinerie ihre Produktion herunterfahre, warnte der Mineralöl-Wirtschaftsverbandes (MWV) in Berlin. Der ADAC machte die Branche selbst verantwortlich für die Verunsicherung der Kunden.
Seit Anfang Februar wird an den deutschen Tankstellen schrittweise der Kraftstoff E10 mit zehnprozentiger Beimischung von Bioethanol angeboten. Die Tankstellen wollen damit eine gesetzliche Quote zum Biosprit erfüllen. Unterschreiten sie diese, drohen ihnen Strafen.
Die meisten tanken Super Plus
An den umgestellten Tankstellen gibt es neben dem neuen Sprit in der Regel nicht mehr das traditionelle Superbenzin, sondern nur noch das teurere Super Plus. Auf dieses sind die rund zehn Prozent der Autofahrer angewiesen, deren Fahrzeuge nicht für E10 geeignet sind. Tatsächlich werde Super Plus aber zur Zeit von rund 70 Prozent der Autofahrer getankt. Dies führe zu Lieferengpässen bei Super Plus, während die Tanks mit E10-Kraftstoff voll blieben.
MWV-Hauptgeschäftsführer Klaus Picard rief daher die Autofahrer auf, wenn immer möglich, E10 zu tanken. Der Verband werde die Informationsarbeit dazu verstärken. "Wir müssen den Markt drehen", sagte Picard. Wegen des Überangebots könnte bereits am Freitag die erste Raffinerie ihre Produktion herunterfahren.
Umweltminister windet sich
Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) und der Verband der Automobilindustrie (VDA) warben ebenfalls für E10. Laut VDA vertragen allein 99 Prozent der Fahrzeuge deutscher Hersteller den neuen Sprit.
Für deren Halter gebe es "keinen vernünftigen Grund, den vergleichsweise preiswerteren Bio-Sprit nicht zu tanken und stattdessen auf die teureren Bestandsschutzsorten auszuweichen", erklärte Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Noch in der vergangenen Woche hatte Röttgen andere Töne angeschlagen und die Mineralölindustrie für ihre Preispolitik bei eben den Bestandsschutzsorten kritisiert. Es solle weiterhin herkömmliches Super geben, hatte der Minister in der "ADAC-Motorwelt" (März-Ausgabe) gefordert, "das im Schnitt fünf bis sieben Cent billiger ist als Super Plus".
Umstellung stockt
Die Preispolitik an den Tankstellen sei weiterhin "völlig inakzeptabel", kritisierte der ADAC. Die vom MWV angekündigte verbesserte Information zu E10 sei längst überfällig. "Schließlich ist die unzureichende Information und Aufklärung der Autofahrer (... ) mitverantwortlich für den Ärger an den Zapfsäulen", erklärte der Verband.
Der "Biokraftstoff" E10 ist derweil auch aus ökologischen Gründen umstritten. Umweltverbände und der umweltorientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnen vor einer ungünstigen Klimabilanz, weil gefährdete Ökosysteme stärker unter Druck geraten, wenn die Nachfrage nach Agrarland für den Anbau von Energiepflanzen steigt. Ein weiterer Nachteil von E10 ist ein im Vergleich zu traditionellem Super höherer Benzinverbrauch.
Alternativen haben Autofahrer vor allem noch in Norddeutschland. Dort wird außer im Raum Berlin E10 bislang kaum angeboten. Insgesamt wurden bundesweit laut Picard rund 45 Prozent der Tankstellen bereits umgestellt. Die weitere Umstellung stockt derzeit wegen der Absatzprobleme.
Quelle: ntv.de, mme/AFP