Der verpuffte Schulz-Effekt "SPD braucht ein besseres Wahlkampfteam"
24.05.2017, 06:03 Uhr
Fehlt ihm die große Bühne? Schulz besichtigt bei einem Wahlkampftermin eine Fischräucherei in Eckernförde.
(Foto: dpa)
Drei verlorene Wahlen, eine verpatzte Präsentation, schlechte Umfragewerte: Die Lage der SPD ist dramatisch und die Partei nervös, sagt Politikwissenschaftler Niedermayer im Gespräch mit n-tv.de. Was kann sie jetzt tun?
n-tv.de: Die SPD hat die letzten drei Landtagswahlen verloren und sackt in den Umfragen immer weiter ab. Wie ernst ist die Lage der Sozialdemokraten?
Oskar Niedermayer: Die Lage ist sehr dramatisch für die SPD. Gerade die letzte Landtagsniederlage war ja nicht irgendeine, sondern fand in Nordrhein-Westfalen statt, in der Herzkammer der Sozialdemokratie. Das hat die Partei sehr stark getroffen. Bei der Bundestagswahl im Herbst wird es nun darum gehen, ob die SPD eine der großen Parteien bleiben kann. Oder ob das, was bei der letzten Wahl passiert ist, zum Dauerzustand wird: dass sie im 25-Prozent-Turm verharrt.
Kurzzeitig sah es so aus, als könnte die SPD aus dem Turm ausbrechen. Wieso konnte der Schulz-Effekt so schnell verpuffen?
Schulz wurde als jemand, der von außen kommt, inszeniert. Er konnte deswegen sagen: "In der Agenda 2010 hat die SPD Fehler gemacht und die will ich korrigieren." Damit hat er die Traditionskompanien der SPD, den linken Flügel, hinter sich geschart. Das war am Anfang gut. Dann hat sich aber immer mehr gezeigt: Das Von-außen-Kommen hat auch dramatische Nachteile. Da Schulz kein bundespolitisches Amt hatte, war er immer weniger sichtbar, während Frau Merkel doch jeden Tag in der Tagesschau ist.
Gibt es noch andere Gründe für Schulz' Entzauberung?
Bis auf die Agenda-2010-Kritik ist er in allen wichtigen Politikbereichen zu lange zu unbestimmt geblieben. Am Anfang hatte das den Vorteil, dass die Leute alles Mögliche in ihn hineininterpretieren konnten. Doch dann haben sie sich gefragt: Was bekomme ich eigentlich, wenn ich Schulz wähle? Wo steht er in der Flüchtlingspolitik, in der Inneren Sicherheit?
Das heißt, das Wahlprogramm, das die SPD am Montag vorgestellt hat, kam zu spät?
Bei der Vorstellung des Programmentwurfs musste die SPD zugeben: Für die ganzen Finanzierungsfragen braucht sie immer noch vier, fünf Wochen. Das ist für einen Herausforderer keine gute Position. Die SPD hatte nur wenig Zeit, um den Kandidaten aufzubauen und gleichzeitig die Inhalte zu klären, mit denen er in den Wahlkampf zieht. Gerade bei der wichtigen Frage, wie die ganzen sozialen Versprechungen überhaupt finanziert werden sollen, herrscht immer noch keine Klarheit.
Auch bei der Vorstellung des Wahlprogramms kam es ja zu einigen Pannen.
Sie zeigen, wie nervös man in der Partei ist. Die drei Wahlschlappen hintereinander haben die SPD tief getroffen und deshalb ist auch die Kampagnenplanung ziemlich durcheinandergekommen.
Ist die Bundestagswahl am 24. September jetzt schon gelaufen?

Oskar Niedermayer ist Politikwissenschaftler und leitet das Otto-Stammer-Zentrum an der FU Berlin.
(Foto: dpa)
Das lässt sich noch nicht sagen. Wir haben eine ziemlich flexible Wählerschaft, die sich noch umorientieren kann. Einiges spricht aber gegen die SPD: Erstens sind langfristig noch viel mehr Wähler an die Union gebunden als an die SPD. Zweitens sind die Werte von Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich besser. Drittens messen die Menschen in allen Politikbereichen außer der sozialen Gerechtigkeit - in der Wirtschaft, der Inneren Sicherheit und sogar in der Flüchtlingspolitik - der Union größere Kompetenzen zu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SPD die Union schlagen kann.
Gibt es keine Möglichkeit, wie Schulz das Ruder rumreißen könnte?
Die SPD braucht ein besseres Wahlkampfteam. Man kann so eine wichtige Wahl nicht mit Leuten wie dem Schulz-Vertrauten Markus Engels und der Generalsekretärin Katarina Barley machen, die noch keinen Wahlkampf bestritten haben. Dann hätte die SPD mindestens einen erfahrenen Wahlkampfmanager wie Matthias Machnig von Anfang an einbinden müssen. Jetzt bemüht sie sich zwar, etwas zu ändern, aber es ist ein bisschen spät.
Muss sich die Partei inhaltlich anders positionieren?
Die SPD hat erkennen müssen, dass die Art und Weise, wie sie das Thema soziale Gerechtigkeit angegangen ist, nicht zieht - nämlich zu sagen: "Bei uns geht es ganz furchtbar ungerecht zu." Das hat sie jetzt gedreht, indem sie betont, dass es eigentlich vielen gut gehe, aber sie manches noch besser machen wolle. Und es kommt hinzu: Mit sozialer Gerechtigkeit allein lassen sich keine Wahlen gewinnen. Die SPD muss sich in anderen Bereichen ganz klar positionieren. Aber auch da gibt es Fallstricke. Ich bin mir nicht sicher, wie ein Teil der sozialdemokratischen Klientel auf die Ankündigung von Außenminister Sigmar Gabriel reagiert, dass man Griechenland die Schulden erlassen und Frankreich unterstützen müsse.
Schulz erklärte gestern: "Bei uns herrscht keine Panik." Wie glaubwürdig ist das?
(Lacht) Wenn man sich die Art und Weise, wie der Montag gelaufen ist, verdeutlicht, dann kann man dem nicht so richtig zustimmen.
Welche Fallstricke warten auf die Union?
Eine Gefahr für die Union ist natürlich nicht gebannt: Was passiert im Sommer und Herbst mit der Flüchtlingskrise? Wenn es erneut zu einer starken Diskussion kommt, weil die Flüchtlingszahlen dramatisch ansteigen und die Türkei möglicherweise das EU-Abkommen aufkündigt, kann alles Mögliche passieren. Die Hälfte der Deutschen hält die Flüchtlingsfrage noch immer für das wichtigste Problem. Und wenn die wieder hochkocht, dann kann das auch der AfD dramatisch nützen und es stellt sich die Frage: Wie weit hält denn die demonstrative Einigkeit von CDU und CSU?
Mit Oskar Niedermayer sprach Gudula Hörr
Quelle: ntv.de