Politik

Lungenentzündung und Skandale Was passiert, wenn Clinton ausfällt?

"Ich fühle mich großartig", war Clintons Kommentar, nachdem sie sich in der Wohnung ihrer Tochter erholt hatte.

"Ich fühle mich großartig", war Clintons Kommentar, nachdem sie sich in der Wohnung ihrer Tochter erholt hatte.

(Foto: AP)

Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat nicht nur eine Lungenentzündung, sie hat auch versucht, die Krankheit zu verheimlichen. Jetzt wird in den USA munter spekuliert.

Eine Lungenentzündung ist eine unangenehme Sache, doch für Hillary Clinton, die Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, ist sie eine Katastrophe. Ihr eigener Umgang mit der Erkrankung sowie Vorwürfe aus dem Lager ihres republikanischen Konkurrenten Donald Trump führen dazu, dass die Krankheit ihre Kandidatur nicht nur überschattet, sondern sogar infrage stellt.

Schon seit Monaten unterstellen Trump und mit ihm verbündete Politiker Clinton, sie wäre der Präsidentschaft gesundheitlich nicht gewachsen. Zu den Ferndiagnosen gehören eine angebliche Schilddrüsenerkrankung sowie angebliche Sprachstörungen infolge eines angeblichen Schlaganfalls. Der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, der Trump im Wahlkampf unterstützt, sagte im August, Clinton sei müde und "sie sieht krank aus". Die Unterstellungen waren frei erfunden, führten aber dazu, dass einschlägige Medien berichteten, über Clintons Krankheit werde der Mantel des Schweigens gebreitet.

Genau das hat Clinton am Wochenende gemacht. Am Sonntag verließ sie überstürzt eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001. Ihr Sprecher teilte anderthalb Stunden später mit, sie habe sich "überhitzt" gefühlt und sei deshalb zur Wohnung ihrer Tochter Chelsea gefahren, um sich dort zu erholen. US-Medien wiesen allerdings darauf hin, dass es bei der Feierstunde nur rund 27 Grad Celsius warm war. Erst später teilte ihr Wahlkampfteam mit, bei Clinton sei am Freitag eine Lungenentzündung diagnostiziert worden.

Lüge wird wahr, Wahrheit wird Lüge

Vor einer Woche hatte Clinton bei einem Auftritt in Cleveland einen Hustenanfall bekommen und damit eine breite Diskussion über ihren Gesundheitszustand ausgelöst. Mit ihrer Heimlichtuerei hat sie die Verschwörungstheorien nachträglich bestätigt. Dazu kommen Videobilder, die zeigen, wie Clinton am Sonntag in New York gestützt werden muss und zusammenbricht, als sie in einen schwarzen Wagen ihrer Fahrzeugkolonne einsteigt.

Trump sagte bislang nichts zu dem Vorfall; laut "Washington Post" will er nicht davon ablenken, dass Clinton die Hälfte seiner Wähler "erbärmlich" genannt hatte.

Das späte Eingeständnis ihrer Krankheit sorgt selbst im linksliberalen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit für Stirnrunzeln. Es sei kein Wunder, dass die "Verrückten" Aufwind bekämen, wenn eine so schwerwiegende Erkrankung drei Tage lang geheim gehalten werde, twitterte der Filmemacher Michael Moore, der im Vorwahlkampf den linken Senator Bernie Sanders unterstützt hatte, jetzt aber auf Clinton hofft. Sein Fazit: Die Demokraten seien Profis darin, Wahlen zu verlieren. Zwei Stunden später hatte er eine Botschaft für Clinton: "Du musst dich ausruhen. Nimm dir die Woche frei. Nimm zwei Wochen frei. Lasst uns andere die Last ziehen."

Wenn Clinton ausfällt, wird es kompliziert

Moore meinte die Last des Wahlkampfes. Aber längst wird spekuliert, ob Clinton aus dem Rennen aussteigen muss. Passiert ist so etwas noch nie – dennoch haben US-Medien den Fall der Fälle für beide Parteien bereits durchgespielt. Dafür gibt es mehrere Gründe: Beide Kandidaten sind ungewöhnlich alt (der 70-jährige Trump wäre zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung so alt wie kein US-Präsident vor ihm, die 69-jährige Clinton würde in diesem Ranking immerhin Platz zwei einnehmen). Und beide Kandidaten sind ungewöhnlich unbeliebt. Clinton ist in eine E-Mail-Affäre verstrickt, die ihrer Glaubwürdigkeit extrem schadet. Trump schafft es immer wieder, Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit zu säen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass nur 45 Prozent der Wähler Clinton als "ehrlich und glaubwürdig" bezeichnen. Bei Trump sind es 43 Prozent.

Mit Blick auf Trump wurde gelegentlich spekuliert, er wolle eigentlich gar nicht Präsident werden oder im Fall einer sicheren Niederlage vorher hinschmeißen. Doch theoretisch ist natürlich auch denkbar, dass Clinton ausfällt – entweder weil ihre Gesundheit nicht mitspielt oder weil Wikileaks-Gründer Julian Assange seine Ankündigung wahrmacht und in dieser Woche kompromittierende Enthüllungen über Clinton veröffentlicht. Was also würde dann passieren?

Innerhalb der Demokraten ist die Regelung einfach: Wenn der Präsidentschaftskandidat oder die Präsidentschaftskandidatin ausfällt, wird er oder sie ersetzt. Paragraph 2, Absatz 7 der Satzung der Demokraten (pdf) sieht vor, dass der oder die Parteivorsitzende ein außerordentliches Treffen des Democratic National Committee (DNC) einberuft. Dieses Gremium, das aus mehr als 300 Personen besteht und eine Art kleiner Parteitag darstellt, würde dann einen neuen Kandidaten wählen.

Clinton müsste freiwillig gehen

Allerdings kann das DNC Clinton nicht absetzen. "Wir können Notfallpläne machen, wir können uns mit Hillary Clinton streiten und versuchen, sie zu überreden", sagte ein namentlich nicht genannter hochrangiger Demokrat dem US-Journalisten David Shuster, "aber die DNC-Regeln sind eindeutig: Ihr Status als Kandidatin ist allein ihre Sache." Ähnliche, etwas kompliziertere Regeln haben auch die Republikaner.

Das heißt: Clinton kann nur ersetzt werden, wenn sie von sich aus zurücktritt oder stirbt – oder wenn sie so stark erkrankt, dass sie nicht mehr entscheiden kann, ob sie an ihrer Kandidatur festhält. Shuster zufolge will die Parteispitze der Demokraten ein Krisentreffen einberufen, um über einen Ersatz für Clinton nachzudenken.

Wer Clinton ersetzen könnte, ist pure Spekulation. Weder ihr Vize-Kandidat Tim Kaine noch Bernie Sanders hätten einen automatischen Anspruch auf die Kandidatur. Die größten Chancen hätte vermutlich Vizepräsident Joe Biden, der in der Partei sehr beliebt ist und ursprünglich auch überlegt hatte, ins Rennen um die Kandidatur einzusteigen.

Die Zeit drängt

Eigentlich ist es für einen Wechsel zu spät. In North Carolina ist die Briefwahl bereits am Freitag angelaufen, in Nevada, Virginia, Florida, Iowa und Michigan beginnt "early voting" (entweder per Brief oder durch persönliches Erscheinen) in der kommenden Woche. Theoretisch kann der Kongress den Wahltermin verschieben, wenn ein Kandidat ausfällt, um dessen Partei Zeit zu geben, einen neuen Kandidaten aufzustellen. Aktuell haben die Republikaner die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses.

Bis wann ein Kandidat für die Präsidentschaftswahl angemeldet sein muss, legen die Bundesstaaten in jeweils eigenen Regeln fest. Dem Online-Lexikon Ballotpedia zufolge war Mitte August der Zeitpunkt, bis zu dem die Parteien ihre Kandidaten noch sinnvollerweise hätten auswechseln können. Bis dahin wäre es möglich gewesen, den Ersatzkandidaten in ausreichend vielen Staaten auf den Stimmzettel zu bringen, um bei der Präsidentschaftswahl im November eine Chance zu haben. Schon Ende August wäre dies schwieriger gewesen: In ungefähr zwanzig Bundesstaaten wäre in jedem Fall Clintons oder Trumps Name auf den Stimmzetteln gewesen. Bis Ende September wird diese Zahl auf 40 Bundesstaaten ansteigen. Sollte es jetzt nötig werden, Clinton oder Trump zu ersetzen, müssten die Demokraten oder die Republikaner spätere Zulassungstermine gerichtlich erstreiten.

Noch komplizierter wird es, wenn der Präsidentschaftskandidat ausfällt, nachdem die Wahl stattgefunden hat, aber bevor das Gremium der Wahlmänner und -frauen zusammengekommen ist. Im "electoral college" findet die eigentliche Präsidentschaftswahl statt. Sollte Clinton in dieser Zeitspanne ausfallen, dürften die Wahlmänner und -frauen, die auf sie festgelegt waren, ihre Stimmen frei vergeben. Die US-Verfassung sagt nichts darüber, wie diese Elektoren abstimmen müssen. Allerdings legen 29 Bundesstaaten die Wahlmänner und -frauen auf ihren jeweiligen Kandidaten fest. Ob die Stimmen der Elektoren aus diesen Staaten dann auch zählen, müsste jeweils in den einzelnen Bundesstaaten geklärt werden.

Wenn Clinton ausfallen sollte, nachdem die Elektoren sie gewählt haben, aber bevor sie vereidigt wurde, sieht der zwanzigste Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten vor, dass der gewählte Vizepräsident die Präsidentschaft übernimmt, bis der Kongress einen neuen Präsidenten bestimmt.

Quelle: ntv.de

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