ZwischenrufDoppelbestrafung darf es nicht geben
Kaum einer ist begeistert, wenn ein freigelassener Kinderschänder in die Nachbarschaft zieht. Doch lebenslanges Wegsperren ist auch keine Lösung. Noch immer gilt der Grundsatz: "Keine Strafe ohne Gesetz".
Der Verfassungsgrundsatz "Die Würde des Menschen" ist unantastbar und gilt auch für jene, welche die Würde, in vielen Fällen auch das Leben ihrer Mitmenschen angetastet, häufig genug vernichtet haben. In vielen Fällen müsste man hinzufügen … leider. Doch ein demokratisch verfasster Staat muss sich an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen. Dazu gehört auch, dass es keine Doppelbestrafung geben kann. Sicherheitsverwahrung, übrigens 1934 in Nazideutschland (!) eingeführt, bedeutet, jemanden für eine Tat zu bestrafen, die er/sie noch gar nicht begangen hat. Immer noch gilt der juristische Grundsatz "nulla puena sine lege" – "keine Strafe ohne Gesetz".
Es wäre sinnvoller, wenn sich Bund und Länder in weitaus stärkerem Maße als bisher um die Resozialisierung und – nötigenfalls auch – die medizinische Behandlung während des regulären Strafvollzugs kümmerten. Dazu gehört auch, freigekommenen Strafgefangenen Wohnung samt Arbeit nachzuweisen und sie ständig durch Sozialarbeiter zu betreuen. Ein probates (Zusatz-) Mittel wären auch elektronische Fußfesseln, wenngleich der Aufwand bei der Überwachung sehr hoch ist.
Hätten sich die rot-grüne respektive die schwarz-gelbe Bundesregierung früher die Mühe gemacht, in diesen Richtungen aktiv zu werden, stünde sie jetzt nicht unter Druck. So hätte der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg monierten rückwirkend verhängten Sicherungsverwahrung dadurch Genüge getan werden können, dass die Gerichte a priori härtere Urteile fällen, die zu längeren Haftstrafen führen. Denn es war ein Fehler, auch noch die zunächst gültige Verwahrungsobergrenze von zehn Jahren aufzuheben. Gesagt sei abschließend, dass die Rückfallquote – unterschiedlichen Angaben zufolge – sehr gering ist. Deshalb sollte man das Problem eines neuerlichen Verbrechens keinesfalls weniger ernst nehmen. Nur eben mit verfassungsmäßigen Mitteln.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.