Verkauf erst im Frühling Ist die Apple Watch schon gescheitert?
03.11.2014, 14:52 Uhr
Die Apple Watch soll erst im Frühling 2015 auf den Markt kommen.
(Foto: Apple)
Die im Spätsommer vorgestellte Apple Watch kommt offenbar nicht vor April 2015 auf den Markt. Bei anderen Herstellern wäre eine so große Verzögerung ein Desaster. Ticken bei Apple die Uhren anders?
Bei der Präsentation der Apple Watch am 10. September wurde sie für "Anfang 2015" angekündigt, auf der Produktseite heißt es sogar noch schwammiger "Erhältlich 2015". Verkaufschefin Angela Ahrendt hat dies jetzt in einer Videobotschaft, die "9to5Mac" als Abschrift zugespielt wurde, etwas präzisiert. Sie bereitet ihre Mitarbeiter auf einen Starttermin im Frühling vor. Apples erste Smartwatch wird also frühestens Ende März in den Handel kommen, es könnte aber auch erst im Juni so weit sein. Auf jeden Fall liegt damit zwischen Vorstellung und Verkaufsstart der Apple Watch mehr als ein halbes Jahr. Andere Hersteller, die sich nach einer Produktpräsentation ähnlich lange Zeit gelassen haben, wurden dafür vom Markt böse abgestraft. Zu schnell gerieten ihre Geräte in Vergessenheit oder wurden von der Konkurrenz überholt.

Die goldene Apple Watch kostet ein paar Tausend Euro, gehört aber vielleicht schon bald zum alten Eisen.
(Foto: Apple)
Die Apple Watch ist bei Weitem nicht die erste Smartwatch auf dem Markt. Sony, Samsung oder LG gehen mit neuen Geräten ins Weihnachtsgeschäft und bei der Consumer Electronic Show in Las Vegas und dem Mobile World Congress in Barcelona könnten im Januar und Februar weitere Smartwatches vorgestellt werden. Ganz zu schweigen von den vielen Fitness-Armbändern auf dem Markt, die ähnliche Funktionen in einem schlankeren und günstigeren Design bieten. Das jüngste Mitglied in diesem Segment, das Microsoft Band, ist auch mit iPhones kompatibel.
Très chic
Warum also sollten Konsumenten auf die Apple Watch warten? Viel mehr als die Konkurrenz kann die Uhr nicht und ihr Akku hält auch nicht länger als bis zum Abend durch - rein technisch ist die Apple Watch nicht wirklich außergewöhnlich. Apple vermarktet das Gerät daher auch als Schmuckstück oder modisches Accessoire und nicht als ordinäre Smartwatch - das Wort sucht man auf der Produktseite vergeblich. Tim Cook hat erst kürzlich bei der Präsentation des iPad Air 2 stolz das aktuelle Titelbild der chinesischen Vogue gezeigt, auf dem ein Model die mit 18-karätigem Gold veredelte Version der Smartwatch trägt. Zuvor veranstaltete Apple am 30. September eine Modenschau bei Colette in Paris, zu der sogar der öffentlichkeitsscheue Chefdesigner Jonathan Ive kam. Auf einem Instagram-Foto der Vogue-Modekritikerin Suzy Menkes ist er unter anderem mit Karl Lagerfeld zu sehen.

Modezar Karl Lagerfeld, Jonathan Ive und Designer Marc Newson bei Colette in Paris.
(Foto: Instagram/Suzy Menkes)
Was man für die "Bling-Bling-Watch" hinblättern muss, hat Apple noch nicht verraten. Das Basismodell mit Aluminiumgehäuse, Standard-Glas und Kunststoffarmband soll schon 349 Dollar kosten, für die "Apple Watch Edition" wird ein Vielfaches fällig sein. Apple-Kenner John Gruber rechnet mit 5000 Dollar, mindestens aber 2000 Dollar für die goldene Apple Watch. Für das Modell mit einem Gehäuse aus Edelstahl, Saphirglas und Leder oder Metallarmband veranschlagt er 1000 Dollar.
Zeitlos sind andere
Auch wenn sie selbstständig die Zeit anzeigen, navigieren oder Musik abspielen können, sind Smartwatches immer noch nur Geräte, die zusätzlich zu einem Smartphone getragen werden. Die Frage ist, ob sie dies durch entsprechend viel zusätzlichen Nutzen rechtfertigen. Benachrichtigungen zu erhalten, ohne das Telefon aus der Tasche zu holen, ist sicher praktisch. Doch die Möglichkeiten, darauf zu reagieren, sind auch bei der Apple Watch sehr beschränkt. Antworten auf den kleinen Displays zu tippen, kommt kaum infrage, sie zu diktieren, nur selten.
Der Zusatznutzen der Gesundheitsfunktionen hält sich ebenfalls in Grenzen. Schritte zählt auch das iPhone und beim Joggen ist ein leichtes Fitnessband praktischer. So ähnlich verhält es sich mit den meisten Funktionen der Apple Watch. Alles ganz nett, aber dafür muss man kein zweites Gerät kaufen und tragen. Auch der Ansatz, mit der Apple Watch modebewusste Menschen zu erreichen, die sich gerne mit teuren Armbanduhren schmücken, hat keine Erfolgsgarantie. Denn so gut die Apple Watch Jony Ive auch gelungen sein mag, es gibt viel schönere klassische Uhren. Und: Eine Rolex, Breitling oder Omega ist zeitlos und behält ihren Wert. Eine Apple Watch dagegen gehört in fünf Jahren wahrscheinlich schon zum alten Eisen - selbst wenn ihr Gehäuse aus Gold ist.
Konkurrenz schläft nicht
Apple muss sich also so oder so besonders anstrengen, Menschen vom Kauf einer teuren Smartwatch zu überzeugen. Dass sich das Unternehmen dafür alle Zeit der Welt lässt, macht es nicht einfacher. Denn vor allem die Android-Konkurrenz schläft nicht. Ihre ersten Geräte waren zwar noch sehr plump und langweilig. Doch inzwischen gibt es mit Android Wear ein angepasstes Betriebssystem, das ständig neue Funktionen erhält und Uhren wie die LG G Watch R oder Asus ZenWatch sehen gut aus und sind trotzdem preiswert.
Abschreiben darf man die Apple Watch aber noch lange nicht. Im Gegensatz zu anderen Spätzündern bleibt sie im Gespräch und eine von Apples großen Stärken war es in den vergangenen Jahren immer, bei Menschen ein Bedürfnis nach einer Produktkategorie zu wecken, die sie bisher völlig kalt ließ. Zweifel, dass dies Tim Cook & Co auch mit ihrer Smartwatch gelingt, sind aber sehr berechtigt. Selbst wenn bei Apple die Uhren anders ticken.
Quelle: ntv.de