Klavier versteckt Alice Sara Ott trumpft auf
18.10.2010, 11:56 Uhr
Für sie ist es die Sprache des Herzens - umso unverständlicher eigentlich, dass ihre Mutter das Klavier früher hinter einem Bücherregal versteckt hat.
Alice Sara Ott sollte keine Pianistin werden. Das Klavier versteckte ihre Mutter hinter einer Mauer aus Büchern. Sie hat betteln müssen, um mit vier Jahren erstmals die Tasten eines Klaviers berühren zu dürfen.
"Für mich war das damals sehr bedeutend, Musik hat mir eine neue Ausdruckskraft gegeben", sagt die 22-Jährige. Als beste "Nachwuchskünstlerin des Jahres" ist sie am Sonntagabend in Essen - gemeinsam mit der Pianistin Olga Scheps - mit dem Echo Klassik ausgezeichnet worden. "Bislang habe ich den Echo immer nur im Fernsehen mitverfolgen können. Den Preis zu bekommen, ist eine große Freude", sagt sie.
Alice Sara Ott wurde 1988 als Tochter einer japanischen Mutter und eines deutschen Vaters in München geboren. Heute schätzt sie besonders die japanische Kultur. Eine Heimat aber hat sie erst in der Musik gefunden. "Mit Musik kann ich in einer Sprache kommunizieren, in der Nationalität keine Rolle spielt und die mit dem Herzen gesprochen wird", sagt Ott. Dies sei auch bei ihrem größten Vorbild ähnlich gewesen Frédéric Chopin.
Seine Walzer zeigten seine gespaltene Persönlichkeit, denn er sei zwischen Polen und Frankreich hin und hergerissen gewesen. Zeitlebens war er auf der Suche nach seiner Identität: Sein Körper wurde in Frankreich begraben, das Herz in Polen. Die 22 Jahre alte Münchnerin hat dem Komponisten ihr aktuelles Album gewidmet: "Chopin Complete Waltzes". Ott nähert sich den Stücken Chopins mit großer Virtuosität und veränderter Spielhaltung.
Chopin habe seine Gefühle niemals offen zur Schau gestellt und dabei immer seine Würde bewahrt. Alice Sara Ott mag Chopins zurückhaltende, melancholische Grundhaltung. Sie könne sich mit dem Komponisten identifizieren. "Vielleicht auch, weil uns der Zwiespalt eint, mit zwei Kulturen im Blut aufgewachsen zu sein", erzählt die 22-Jährige. Zur Musik hat sie eine ganz besondere Verbindung. Am liebsten spielt sie im Dämmerlicht, um vollkommen mit der Musik zu verschmelzen. "Musik macht die Seele nackt. In der Musik kann man nicht lügen. Musik kennt keinen Hass, keinen Neid, keine Gier. Sie gibt Liebe, Trost und lässt und alle eins werden", sagt sie.
Die junge Pianistin hat sich längst einen Namen in Europa und Japan gemacht. Im Alter von 13 Jahren erhielt sie die Auszeichnung "Most Promising Artist" beim Internationalen Klavierwettbewerb in Hamamatsu in Japan. 2004 errang sie als jüngste Teilnehmerin den ersten Platz beim Internationalen Klavierwettbewerb Silvio Bengalli in Italien. Noch im selben Jahr trat sie erstmalig in Japan auf. Seitdem absolviert sie regelmäßig Auftritte mit dem Sapporo Symphony Orchestra. Zu ihren Engagements in Europa zählten Konzerte mit dem Tonhalle-Orchester Zürich, den Düsseldorfer Symphonikern und mit dem St. Petersburg Symphony Orchestra. Ihr erstes Album "2 Etudes d'Execution Transcendente" widmete sie dem Komponisten Franz Liszt.
Quelle: ntv.de, dpa