Unterhaltung

"Wetten, dass..?" am Abgrund Deutsche Wohnzimmer im Schnarch-Modus

Toni Garrn, Hugh Grant, Conchita Wurst - die Gäste waren gut, die Sendung eher weniger.

Toni Garrn, Hugh Grant, Conchita Wurst - die Gäste waren gut, die Sendung eher weniger.

(Foto: AP)

"Wetten, dass..?" liegt auf dem Sterbebett. Es wird zwar noch gezuckt, gequält gelächelt und ein echter Arzt gerufen, aber der hat auch keine Medizin gegen kollektives Versagen. Für die vorletzte Ausgabe gibt es nur "One Direction": Abmarsch.

Es ist schon erstaunlich, wie verschnarcht und schonungslos langweilig das ZDF seinen einstigen Samstagabend-Quoten-Garanten in seinen letzten Atemzügen präsentiert. Da wird ein Sendeformat, mit dem fast ein ganzes Land groß geworden ist, sang und klanglos zu Grabe getragen. Wieder einmal scheint die eingestaubte Parole festzustehen: Augen zu und durch. Warum gönnt man dem Moderator, seinen Gästen und den Zuschauern nicht mehr Spaß? Warum dieses starre Abarbeiten eines Unterhaltungsplans, der so flexibel ist, wie ein leckgeschlagener Öltanker auf stürmischer See?

"Wetten, dass..?", die Vorletzte, war Monotonie pur. Ermüdende Gespräche, nervtötende oder irritierte Promis, garniert mit faden Variationen altbekannter Wetten. Graz darf zum Einläuten des Abgesangs als Austragungsort herhalten und das Trachten liebende Publikum erfreut sich an einem Lanz in Steirer Tracht, der damit seine verlorene Saalwette aus Erfurt einlöst.

Der "österreichische Nationalheld" Andreas Gabalier eröffnet das dreistündige Leiden mit einer Gesangseinlage. Und Lanz unterstützt seinen Gast, indem er sichtlich erheitert in die Klaviertasten haut. Für einen Moment blitzt die aberwitzige Idee auf: Hey, vielleicht wird's ja ganz okay! Die Gehälter sind bezahlt, die Quote spielt keine Rolle und Lanz muss niemandem mehr etwas beweisen. Als Macho-Andy dann aber irgendwas von acht Lederhosen und einer Kollektion faselt, ist man schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Lanz sieht in Trachten-Hosen ein "schönes Ding" und findet, dass der Österreicher eine "tolle Energie" hat. Als Saalwette sollen sich die Grazer auf dem Hauptplatz tummeln und den Andy Stagediving-mäßig auf Händen tragen. Spätestens hier zuckt der Finger erstmals Richtung Fernbedienung.

Chlamydien und österreichische "Hunger Games"

Hollywood wird dieses Mal durch die "Hunger Games"-Stars Jennifer Lawrence und Liam Hemsworth vertreten, für die "Wetten, dass..?" auch ein notwendiges Übel auf ihrer globalen Werbetour ist. Lanz, in Sachen Konversation bekanntlich ein Fuchs, schlägt sofort eine Brücke zum heiß erwarteten Show-Act des Abends, der Boygroup "One Direction": "Miss Lawrence, sind Sie ein Fan?" "Ich nicht, aber mein Hund“, antwortet die Schauspielerin, "der singt, ich meine, der jault die Songs der Jungs immer mit".

Lanz-Bashing verkommt ja oft zum Eigennutz. Umso erfreulicher ist es, dass der Moderator diese Aufgabe gleich selbst übernimmt. Zuerst fragt der gewiefte Entertainer seine Hollywood-Gäste, weil diese leicht erkältet sind, ob sie sich vielleicht gegenseitig angesteckt haben könnten und ob da mehr im Busch ist. Zwinker, zwinker.

Schauspieler Hemsworth wird als "gut aussehender Australier" bezeichnet, ergänzt durch eine unbeholfene Fragestellung in Bezug auf seine Mutter, die ist nämlich Lehrerin. Lanz zieht jetzt alle Register: "Hat sie dir auch das mit den Bienen und den Blümchen erklärt?" Als Hemsworth daraufhin vollkommen relaxed das Thema Chlamydien auf den Tisch packt, wird es Lanz zu heiß: "Das ist kein gutes Thema". Mehr Selbst-Demontage kann man in diesem Moment kaum ertragen. Ein Glück hüpft jetzt ein junger Mann per Salto auf Bierkästen herum und Jennifer und Liam garnieren eine Wiener Sachertorte, "toll, was für ein Spaß, sehr, sehr schön".

"Zum Glück hab ich zehn Flaschen Wein getrunken"

Herbert Grönemeyer (M.) war auch mal wieder da: Der Sänger im Gespräch mit Lanz. Das Modell Toni Garrn schaut zu.

Herbert Grönemeyer (M.) war auch mal wieder da: Der Sänger im Gespräch mit Lanz. Das Modell Toni Garrn schaut zu.

(Foto: dpa)

Eckart von Hirschhausen tritt auf den Plan und ist bemüht, komisch zu sein. Der Mediziner redet viel. Seine Mutter hat immer gesagt: "Das Aua fliegt aus dem Fenster". Blöd nur, wenn es dem Zuschauer anschließend direkt auf die Stirn klatscht. Lanz und der Komiker sind sich einig: Humor kann heilen. Stimmt, denn anders wäre die Sendung kaum zu ertragen.

Für Hollywood wird es Zeit. Das Anstandswarten ist am Limit, der Flieger betankt, was Lanz elegant mit: "Jennifer Lawrence wird jetzt ins Bett geschickt" kommentiert.

"Zum Glück hab ich zehn Flaschen Wein getrunken", wirft die Oscar-Preisträgerin aus dem Kontext gerissen in den Saal. "Aus Wein machen wir Wasser“, ergänzt daraufhin der witzige Eckart, der, das nur nebenbei, auch Philosoph ist. Lanz kommentiert in gewohnter Manier: "Schöne Geschichte".

Hugh Grant, "der Mann mit dem schönsten Dackelblick der Welt", erhält einen sinnfreien Deutschkurs und Wettkandidat Zivo köpft Gurken mit Karten. Model Toni Garrn erzählt ihre kurze Lebensgeschichte und One Direction trällern verspätet einen ihrer Hits. Iris Berben und Herbert Grönemeyer stellen neue Projekte vor und zwei, laut Berben "sensible Kerle" ziehen mit einem Bagger Decken von Tischen. Herbert redet übers Komponieren und meint: "Auch wenn ich immer eine ganze Wand von Wörtern abarbeite, muss ich ja irgendwann zum Ende kommen ". Ein Rat, den das ZDF endlich auch befolgt.

"Das Gehirn ist ein Muskel, aber kein Schließmuskel"

Conchita Wurst singt "We could be Heroes, tonight". Heldenhaftes Durchhalten ist im weiteren Verlauf der vorletzten "Wetten, dass..?"-Sendung auch dringend erforderlich. Lanz erwähnt in Bezug auf Wursts Optik irgendetwas mit "Toleranz auf die Probe stellen".

Ein Gedächtniskünstler kann sich Karten in einem Wassertank merken und sein weibliches Pendant QR-Codes. Komik-Eckart dazu: "Das Gehirn ist ein Muskel. Man sollte aber kein Schließmuskel daraus machen". Ob das die Verantwortlichen in der ZDF-Zentrale schon wissen?

Zum Schluss wird Gabalier von den Grazern über den Hauptplatz getragen. Lanz' Gäste auf der Couch tauchen da gerade in die Tiefschlafphase ein. Andy schreit: "Wo sind  meine Grazer Mädels, wollt ihr Graz tanzen sehen?" Nach gefühlten zehn Stunden in der TV-Folterkammer des ZDF kann die Antwort nur "Nein" lauten. Saalwette beendet: Graz hat gewonnen, der Moderator und das Publikum verloren. Aber Lanz sieht wieder einmal nur "wunderbare Bilder".

Ein Mal darf Deutschland das Überbleibsel einer vergangenen TV-Ära noch über sich ergehen lassen. Der kanadische Jazz-Sänger Michael Bublé ließ nach seiner Teilnahme bei "Wetten, dass..?" einmal durchblicken, dass das Ganze besser mit einer Portion "Pot" zu ertragen gewesen wäre. Wer will ihm da widersprechen?

Quelle: ntv.de

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