"Sing meinen Song"Jah, Patois und Spirit deluxe
Wer hätte das gedacht? Gentleman ist entzückt! Statt mit skurrilen Ausbrüchen aus den Komfortzonen baden zu gehen, servieren Lena, Mark und Co eine Sound-Perle nach der anderen auf dem Silbertablett.
Wer auf Reggae abfährt, der chillt den ganzen Tag in der Sonne, träumt von einem Zweitwohnsitz in Kingston und kifft sich im 24-7-Modus die Welt schön. Mit diesen, oder zumindest ähnlich gestrickten Klischees sehen sich Millionen Offbeat-Anhänger, die fernab von Jamaika ihren Alltag bewältigen, tagein, tagaus konfrontiert.
Tilmann Otto alias Gentleman möchte an SEINEM "Sing meinen Song"-Abend die Gunst der Stunde nutzen, um der Welt das wahre Gesicht des Reggae zu präsentieren. Kiffen und Dauerschleife-Chillen seien nämlich nur Fassade, so der Weltenbummler aus dem Rheinland. Der echte Reggae gehe viel tiefer. Die ultimative Freiheit, der Einklang mit sich selbst, der "Spirit", der "Vibe", die "Mood": Der wahre Reggae packt einen bei den Lenden und lässt nicht mehr los. So sieht’s nämlich aus!
Am Ende zählt nur eins: der "Spirit"
Während sich der Gentleman immer weiter in spirituelle Rastafari-Welten verabschiedet, bekommen seine genrefremden Kollegen auf der "Tauschkonzert"-Couch immer größere Augen. Der liebe Gott heißt plötzlich "Jah", gesungen wird auf "Patois" und am Ende zählt nur eins: der "Spirit".
Bei so viel sphärischem Tiefgang kann einem als Standard-Pop-Sternchen schon mal die Muffe gehen. Aber Lena wehrt sich mit Händen und Füßen gegen aufkeimende Angstzustände. Das Staffel-Küken hat heute nämlich "Großes" vor. Als Teenager hampelte sie mit Gentlemans "Superior" in den Ohren vor dem Spiegel auf und ab. Heute will sie zeigen, dass aus der quirligen Party-Maus eine reife Frau mit künstlerischer Attitüde geworden ist. Und siehe da: Lena hält Wort. Mit viel Scat-Tralala und unzähligen "Ohs" und "Ahs" im Gepäck säuselt sich Frau Meyer-Landrut gekonnt durch Gentlemans Breakthrough-Hit aus dem Jahr 2004.
Mit dem aufreizenden Hüftgewackel von Lena kann Moses Pelham natürlich nicht mithalten. Der setzt sich auf der Bühne lieber auf einen Barhocker und serviert den Anwesenden eine Rödelheim-Eckbar-Hip-Hop-Version von "You Remember". Alles klar, Motherfucker? Auf jeden!
Weiter geht’s mit den Jungs von The BossHoss. Und auch Sascha und Alec beeindrucken mit songwriterischer Finesse. Statt sich wie sonst mit aufgesetzter Distortion-Opulenz ins Langeweile-Nirgendwo zu katapultieren, treffen die beiden Spree-Cowboys heute unter dem Weniger-ist-mehr-Banner groovend voll ins Schwarze ("Heart Of Rub-A-Dub"). Da hüpft sogar der sonst eher sitzfeste Big Daddy Mo auf dem Sofa von einer Pobacke auf die andere.
Stadion-Paddy hat jetzt auch "richtig Bock". Den Mikroständer über dem Kopf wirbelnd, macht sich der geborene Entertainer Gentlemans persönlichsten Track zu Eigen ("Memories"). Lena heult. Gentleman heult. Und Werner, der "echte Dude", um den es in dem Song geht, schickt vom Himmel aus berührende Dankesgrüße nach Südafrika.
Kann das "Hitmonster" noch einen draufsetzen?
Kann das "Hitmonster" da noch einen draufsetzen? Nicht wirklich. Mark Forster wirft zwar alles in die Waagschale ("Dem Gone"). Aber an Paddys Aufwühl-Highlight kommt der Wahl-Berliner nicht vorbei.
Stefanie Kloß will man als TV-Zuschauer jetzt am liebsten mal eine Pause gönnen. Zu einfältig präsentierten sich die Darbietungen der Silbermond-Frontfrau in den vergangenen Wochen. Aber natürlich darf auch die letzte im Bunde noch einmal auf die Bühne und ihre Interpretation von "It No Pretty" zum Besten geben.
Vier Minuten später ist man jedoch froh, dass man die TV-Fernbedienung noch unangetastet neben sich liegen hat; denn Stefanie erwacht endlich aus ihrem musikalischen Dornröschenschlaf. Mit einer wohldosierten Melange aus deutschsprachigem Sprechgesang und international konkurrenzfähiger Refrain-Opulenz markiert sie das perfekte Ausrufezeichen hinter einen Abend, den nicht nur ein gewisser Tilmann Otto in guter Erinnerung behalten wird.