Notorischer Doper? Nationalheld! USA verklären Armstrong
21.05.2010, 13:48 UhrDie Dopinganschuldigungen von Floyd Landis gegen Lance Armstrong sind nichts Neues, die Reaktion darauf in den USA auch nicht. Anstatt gesunde Skepsis walten zu lassen, wird Landis als Betrüger abgestempelt und Armstrong ein Persilschein ausgestellt. Überraschend ist das nicht: Der Hauptsponsor der größten amerikanischen Rad-Rundfahrt ist ein führender Epo-Hersteller.
Sein linkes Auge blutete, die Schürfwunden schmerzten, und vor seinem verletzungsbedingten Aus bei der Kalifornien-Rundfahrt musste sich Lance Armstrong auch noch mit erneuten Doping-Anschuldigungen rumplagen. Gelassen spielte der 38 Jahre alte Texaner in gewohnter Manier die Vorwürfe seines ehemaligen Teamkollegen Floyd Landis (USA) herunter, der ihn schwer belastet hatte. "Er ist ein zerbrochener Mann ohne Glaubwürdigkeit", meinte Armstrong, "er hat keinen Beweis. Es ist Aussage gegen Aussage, und mir gefällt unsere Aussage."
Der Sturz auf der fünften Etappe kam dem siebenmaligen Tour-de-France-Sieger deshalb sicher nicht ungelegen, die mit acht Stichen genähte Platzwunde unterhalb des linken Auges ließ sich öffentlichkeitswirksam ins Bild setzen. Die Kalifornien-Rundfahrt ist für Armstrong nun beendet. Er kann sich damit aus der Öffentlichkeit und vor Journalistenfragen zurückziehen und über Twitter wieder selbst bestimmen, wann er sich wozu wie äußern mag. Sein Start bei der Tour de France ist natürlich nicht gefährdet - und sein immer noch verblüffend guter Ruf in den USA auch durch die neuerliche Doping-Anklage, dieses Mal durch Landis, nicht. Armstrongs ehemaliger Edelhelfer hatte in E-Mails an den Radsport-Weltverband UCI und die nationale Vereinigung US Cycling zugegeben, von Juni 2002 an exzessiv gedopt zu haben und zugleich seinen einstigen Kapitän und weitere ehemalige Fahrer des US-Postal-Teams an den Pranger gestellt.
Vorwurf der Erpressung
Landis habe ihm, so Armstrong, bereits seit zwei Jahren regelmäßig Droh-Mails geschickt, in denen er angekündigt hatte, mit Beweisen an die Öffentlichkeit zu gehen. Als der Superstar im kalifornischen Visalia zusammen mit seinen ebenfalls von Landis beschuldigten Teamchef Johan Bruyneel vom Team Radio Shack zum Start der fünften Etappe aus dem Mannschaftsbus stieg, wurden beide von einer jubelnden Menge empfangen. Einige Fans hielten gar Plakate mit der Aufschrift "Lance for President. Floyd Landis betrügt" hoch. Armstrong hat Doping stets bestritten, obwohl es von seinem ersten Tour-Sieg 1999 mehrere Proben gibt, in denen nachträglich Epo gefunden wurde.
Landis behauptete in seinen Rundmails, Bruyneel soll ihm unter anderem Blut-Doping und den Gebrauch von Wachstumshormonen erklärt haben. Mit Armstrong habe er über die Notwendigkeit von Blut-Transfusionen gesprochen, wurde Landis im "Wall Street Journal" zitiert. Zudem habe sich der gestürzte Tour-Sieger von 2006 in Armstrongs Apartment in Spanien Blut entnehmen lassen. Dort seien nach Angaben der Zeitung auch Blut-Behälter von Armstrong und George Hincapie in einem versteckten Kühlschrank aufbewahrt worden. Hincapie wies die Behauptungen zurück, und Bruyneel bezichtigte Landis sogar der "Erpressung": Der entlarvte Radprofi habe "sehr viel Geld" für sein Schweigen in dieser Angelegenheit gefordert.
Epo-Hersteller als Hauptsponsor
"Geständnis und Anschuldigungen eines in Ungnade gefallenen Radprofis", titelte die Tageszeitung "New York Times". Der TV-Sender "Versus", der die Kalifornien- Rundfahrt überträgt, stellte sich auf Armstrongs Seite. Während der zweistündigen Tages-Zusammenfassung wurde die Causa Armstrong in 43 Sekunden abgehakt. Anschließend wurden reichlich Werbespots mit dem Superstar gezeigt. Der unkritische Umgang ist kaum überraschend. Mit dem Biotechnologie-Unternehmen Amgen ist eine Firma Hauptsponsor der Kalifornien-Rundfahrt, die als Spezialist für die Produktion von Epo gilt.
Die US-Amerikaner David Zabriskie (Garmin Transitions) und Levi Leipheimer (RadioShack), Zweiter und Dritter der Gesamtwertung und von Landis des Epo-Dopings beschuldigt, zogen es vor, erstmal zu schweigen. Leipheimer ignorierte Fragen zu den Vorwürfen komplett, Zabriskie äußerte sich nur zum Rennen. Sein Team-Manager Jonathan Vaugthers verwies indes auf die "üble Vergangenheit" von Landis, der nach seinem Tour-Sieg 2006 des Testosteron-Dopings überführt wurde.
Aussitzen und verleugnen
Floyd Landis ist einer von zahlreichen Armstrong-Helfern, die des Dopings überführt wurden. Zu nennen wären noch Roberto Heras, Tyler Hamilton und Manuel Beltran. Nur Armstrong blieb immer unbehelligt.
(Foto: REUTERS)
Der mittlerweile 34-Jährige verlor seinen Titel und wurde zwei Jahre gesperrt. Er hatte jahrelang vehement betont, unschuldig zu sein, ein Buch dazu geschrieben und vor mehreren Gerichten - unter anderem dem Internationalen Sportgerichtshof CAS - prozessiert. Sämtliche Klagen scheiterten, kosteten ihn rund zwei Millionen Dollar, sein Ansehen und seine Ehe. Landis benötige dringend Geld, so Bruyneel, um Rechnungen zu bezahlen, die nach seinem positiven Doping-Test angefallen seien.
In die gleiche Kerbe schlägt auch der Radsport-Weltverband UCI. Statt die Landis-Vorwürfe ernst zu nehmen, wird dieser geächtet. Aus Sicht der UCI ist dies freilich die logische Reaktion, schließlich hat sich Landis des im Radsport schlimmstmöglichen Vergehens schuldig gemacht: Er hat die "Omerta", das Schweigekartell der dopenden Radsportfamilie, gebrochen.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa