Silbermond glauben ans Glück"Da kann ich auch zickig werden"
Den "Himmel auf"-Moment, so etwas können nur Silbermond erklären: Es gibt wohl kaum eine authentischere, natürlichere Band in Deutschland. Das beweisen ihre Texte, ihr Auftreten. Und die Bescheidenheit, mit der sie noch immer wirken, wie "the band next door".
Andreas Nowak, Thomas und Johannes Stolle - und natürlich Stefanie Kloß. Das sind sie, die vier Bautzener, die mit ihrer Musik ein breites Publikum ansprechen, ohne sich dem Mainstream oder einer Mode hinzugeben. Vielmehr haben sie sich aus ihrer Heimatstadt Bautzen in die große weite Welt aufgemacht, um mit Überzeugung, Lust und Idealismus ihre Lieder unters Volk zu bringen. Das klappt seit Jahren sehr gut und ihr neues Album "Himmel auf", von den Fans heiß erwartet, wird seinen Teil dazu beitragen. n-tv.de trifft die vier Musketiere in Berlin, wo sie vom Echo, dem Himmel und ihren Plänen erzählen.
n-tv.de: "Himmel auf" war die erste Auskopplung aus dem Album und das ist kein leichter Tobak, alles ein bisschen nachdenklicher, melancholischer als sonst. Ihr reitet doch aber auf einer Woge des Erfolgs, woher nehmt ihr dann die Ideen für solche Texte?
Stefanie: Für mich erzählt "Himmel auf" eigentlich mehr von Zuversicht. Ich versteh' schon, wenn Leute das auch negativ sehen, aber für mich bedeutet der Song etwas Positives. Wir alle kennen doch den Moment, wo wir lange auf etwas hinarbeiten. Das ist dann dieser "Himmel auf"-Moment, wenn man etwas mit Leidenschaft macht, sich Sachen ausdenkt und plant und sich dann fragt: Wann geht für eigentlich dieser Plan, den ich für mein Leben oder den ich für irgendetwas im Kopf hab' endlich auf? Ich glaube, da ist es egal, ob du arm oder reich bist, ob du Bäcker oder Bänker bist, ich glaube, diesen Moment kennt doch jeder. Glaub' ich.
Ich meinte jetzt gar nicht arm oder reich oder erfolglos oder erfolgreich, sondern eher den Gefühlszustand. Ihr seid ja auch emotional total auf der Sonnenseite: Preise, Konzerte, Fans ... da ist man doch eigentlich die ganze Zeit ganz oben, oder?
Johannes: Nein, ich glaube, uns geht es genau so wie allen anderen Menschen auch. Wir erleben verschiedene Gefühlszustände und die Musik, die wir machen, also genauer gesagt, so ein Album zu machen, hat auch etwas sehr Aufreibendes. Es ist immer ein Kampf, ein Album zu machen. Musik an sich ist ein Kampf (lacht). Das ist mit vielen Zweifeln verbunden, mit viel Wegschmeißen, mit vielen Fragen, aber natürlich auch mit vielen Momenten des Glücklichseins. Wenn man dann einen Schlüssel findet für einen Song oder für einen Text und dann das Gefühl hat, wow, das ist genau das, was ich sagen wollte, dann ist das der Moment, wo der Himmel aufgeht. Musik ist ein Auf und Ab, genau wie das Leben.
Habt ihr euch deswegen so viel Zeit gelassen mit dem neuen Album?
Stefanie: Na, zwischen dem zweiten und dem dritten hatten wir ungefähr genau so viel Zeit verstreichen lassen, aber ich denke, wir nehmen uns genau die Zeit, die wir brauchen, um festzustellen: Jetzt sind wir so weit. Wenn es uns jetzt nicht gefallen hätte, dann hätten wir uns auch noch ein halbes Jahr mehr Zeit gelassen, Aber jetzt hat sich alles ganz gut ergeben. Uns kommt das übrigens auch nicht so lang vor, wie den Leuten, die das von außen betrachten. Für uns ist ja auch zwischen den Alben immer viel zu tun. Da sind wir auf Tournee und wenn wir dann durch sind, dann setzen wir uns wieder hin und schreiben. Das ist dann gar nicht so viel Zeit und die brauchen wir auch. Es fällt einem ja nicht immer sofort etwas Gutes ein und so ein Album lässt sich nicht am Reißbrett entwerfen. Wir können auch nicht gut schreiben oder komponieren, wenn wir unterwegs sind. Wir brauchen einen Rückzugspunkt und Zeit, um uns zu sammeln. Wir sind total gerne in unserem Studio, um zu schreiben, das fällt uns dann leichter, als wenn wir unterwegs sind.
Ihr habt 14 Songs auf dem Album, gebt euch Mut machend, optimistisch, auch wenn euch bewusst ist, dass es alles nicht einfach ist. Warum ist "Himmel auf" eure erste Single-Auskopplung, nach welchen Kriterien geht ihr da vor, welche Bedeutung hat der Song für euch?
Andreas: Was den Song sehr interessant für uns gemacht hat, ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass es einer der ersten ist, der für das neue Album entstanden ist. Er hat uns quasi einen Weg eröffnet. Man merkt ja als Band, wenn man alles zusammen hat, an welchen Songs man hängen bleibt und an welchen sich die Gemeinsamkeiten finden und dann muss man sich entscheiden. Wir sprechen dann immer alle gemeinsam darüber, und dann findet sich das.
Der Song ging euch also am leichtesten von der Hand?
Thomas: Nö, das gar nicht mal so. "Himmel auf" steht im Kontext des gesamten Albums für das Freidenken. Sich selbst keine Grenzen zu setzen, sowohl textlich nicht als auch musikalisch. Wir würden uns ja auch total viel vergeben, wenn wir uns eingrenzen würden und sagen, wir müssten jetzt auch mal so oder so klingen. Ich glaube, es ist für eine Band immer gut, wenn so was organisch entsteht. Es war auch einfach die erste Idee, die wir hatten. Aber es ist zugegeben schwer, sich zu entscheiden.
In "Du fehlst hier" fällt der Begriff "Goldene Freunde" - was bedeutet der Begriff denn für euch?
Stefanie: Das ist der oder das sind die, mit denen du alles machen kannst. Den größten Quatsch, aber auch die Zeiten, die nicht leicht sind. Auch in einer Freundschaft ist es ja nicht immer leicht. Die Pflege der Freunde ist auch nicht zu unterschätzen (lacht), ich glaube, das kennt ja jeder. Umso schöner ist es doch, wenn eine Freundschaft dann über Jahre Bestand hat. In unserem Alter haben wir ja schon einige Phasen hinter uns: In der Schulzeit kennen gelernt, Abi gemacht, dann gehen alle in unterschiedliche Städte, jeder will etwas anderes, wenn man sich dann noch nach vielen Jahren versteht, dann ist das doch großartig. Wenn man alles mit den anderen teilen kann und den anderen nachvollziehen kann, dann ist es einfach Gold wert!
Dann seid ihr ja wohl Goldene Freunde ...
Stefanie: Wir? auf jeden Fall!
Andreas: Na klar.
Thomas: Sicher doch!
Ihr habt aber noch mehr dieser Freunde, nehme ich an?
Thomas: Ja, wir haben einige Freunde aus der Heimat, die jetzt auch in Berlin wohnen.
Stefanie: Aber wir halten sowieso Kontakt.
Wir geht ihr eigentlich damit um, dass Stefanie immer die Angehimmelte ist?
Stefanie: Och, das finde ich gar nicht, die Jungs werden auch angehimmelt.
Thomas: Am Anfang war es jedenfalls komisch, so im Mittelpunkt zu stehen. Aber man wächst da natürlich rein. Und es wär ja blöd, wenn wir hinter dem Vorhang stehen. Aber Stefanie ist schon die geborene Frontfrau!!! Ich kann das als erster nachvollziehen! Sie sieht gut aus und hat eine wunderschöne Stimme, also von daher ....
Stefanie: Ja, danke, aber ich mag es immer lieber, wenn wir als Band gesehen werden. Ich mag es auch nicht, irgendwo allein zu sein. Da kann ich auch ein bisschen zickig werden, weil ich immer darauf bestehe, dass wir alles zusammen machen. Es wäre falsch zu denken, dass ich die Hauptperson bin. Ein Sänger oder eine Sängerin ist natürlich am ehesten die Verbindung zwischen dem Hörer und der Musik, aber ich fühle mich in der Rolle einfach nicht so wohl und will immer meine Jungs dabei haben.
Wie harmonisch geht ihr denn bei der Zusammenstellung des Albums vor? Ihr habt ja wohl sehr viele Songs zu Auswahl gehabt. Seid ihr euch meist einig oder gibt es auch mal Streit?
Andreas: Bei dem Album waren tatsächlich so 60 Ideen da, Ansätze, Fetzen. Unser musikalischer Kopf Thomas hat die schön auf eine CD gebrannt und wir alle haben uns das dann angehört, ausgesiebt, und uns gegenseitig gefragt, was so hängen bleibt. Aber komischerweise haben wir alles das gleiche gewollt und empfunden, es gab keine wirklichen Meinungsverschiedenheiten.
Thomas: Der Prozess ist schon aufreibend, aber es gibt eben nur "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht", es ist ein Gefühlsding. Wir geraten schon ab und zu kreativ aneinander, aber wichtig ist immer, dass wir am Ende des Tages 'ne Pizza zusammen essen gehen können und man sich nichts übel nimmt.
Dann fällt die nächste Frage aus: Was ist, wenn ihr nicht einer Meinung seid?
Gelächter
Bald geht ihr auf Tour, aber die deutschen Fans müssen noch eine Weile warten. Wie könnt ihr die denn in der Zwischenzeit trösten?
Stefanie: Ach, wir geben ein paar kleine Clubkonzerte, sind bei Radiosendern zu Gast und haben ja auch Auftritte bei Open-Air-Festivals, das muss man sich tatsächlich ein bisschen raussuchen. Aber wir haben vier Gigs im Ausland, weil wir mitbekommen haben, dass es Leute gibt, die zum Beispiel in London leben und uns gerne mal hören würden. Und da haben wir auch Lust drauf. Das ist was ganz Neues für uns. Wir werden aber trotzdem nur deutsch singen, in ganz kleinen Clubs, das wird bestimmt interessant.
Habt ihr das schon einmal gemacht?
Stefanie: Wir waren schon mal in Skandinavien mit dem Goethe-Institut auf einer Tour. Wir waren auch in der Türkei. Aber wir sind mehr in unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz unterwegs. Wir sehen das jetzt aber so wie eine kleine Klassenfahrt an.
Das heißt, Silbermond geht auf die Wünsche seiner Fans direkt ein? Die sagen: "Hey, wir sind gerade ganz woanders, kommt mal dahin." Toll!
Stefanie: Ja, wir lieben diese Art von Feedback. Aber wir spielen auch gerne vor den jeweiligen Einheimischen (lacht).
Thomas: Wir freuen uns schon sehr drauf. Das wird ein bisschen ein Abenteuer. Einige Fans fliegen sogar extra dahin, weil sie es spannend finden, uns woanders zu sehen. Wir lieben es einfach live zu spielen. Das sollen immer Abende werden, für die Fans und auch für uns, die ganz besonders sind.
Stefanie: Das wird schon wegen der Sprachen ein kleines Chaos, aber ich mag das.
Auf der Echo-Verleihung präsentierten die vier Bautzener ihre Single-Auskopplung "Himmel auf" zum ersten Mal live. Für Stefanie Kloß ist das immer eine Art Klassentreffen, sie waren ja schon oft dabei. Im Vorfeld haben sie erzählt, wie sehr sie sich darauf freuen, aufzutreten. Aber auch, wie aufregend es ist, vor den Kollegen in der ersten Reihe aufzutreten.
Stefanie ist immer noch aufgeregt, wenn sie Stars wie Herbert Grönemeyer hinter der Bühne begegnet oder deren Texte singt, aber sie gewöhnt sich dran und findet es toll, die Kollegen im Backstage-Bereich zu sehen. Stefanie Kloß wäre aber nicht Stefanie Kloß, wenn sie nicht gleich dazu bemerken würde, dass es hinter der Bühne, selbst beim Echo, ja nun auch nicht soooo toll ist,wie man sich das als Außenstehender vielleicht vorstellt.
Stefanie: Man hat da so mit seinem eigenen Auftritt zu tun und hockt nervös in der Garderobe, bis man dran ist.
Also lauter Vollprofis, die nervös sind?
Thomas: Ja, aber das ist auch toll. Man kann sich bei solchen Gelegenheiten schon Mal fragen, was mach ich hier eigentlich, man, ist das anstrengend, aber sobald man auf die Bühne geht, ist alles okay, die Anspannung lässt nach und man genießt es nur noch.
Andreas: Ja, das hört gleich nach dem ersten Ton auf.
Thomas: Bei technischen Pannen ist man natürlich immer aufgeregt.
Was haltet ihr als "solide Band" denn von Internetphänomenen wie Lana del Rey, die momentan ja einen unglaublichen Hype erfährt?
Andreas: Ich find' die super.
Stefanie: Also das ist doch jedem selbst überlassen, wie man nach vorne kommt. Es wird ja immer schwerer, Plattformen zu finden. Wir haben es so gemacht, wie wir es konnten, anders wäre es gar nicht gegangen, wir hatten aber auch Glück, wir haben immer wieder total liebe Leute kennen gelernt, die uns geholfen haben. Aber das Internet ist inzwischen doch ein Medium, das Künstlern und Bands unheimlich nutzen kann, warum also nicht? Und jetzt gerade bei Lana del Rey, das ist doch ne großartige Nummer. "Video Games", das kann ja auch singen wer will, das ist ein Klassesong an sich. Ich krieg' da immer Gänsehaut.
Was, denkt ihr, ist eure größte Errungenschaft in den letzten Jahren?
Thomas: Wenn man als kreativer Mensch das Gefühl hätte, irgendwo angekommen zu sein, also falls du das mit Errungenschaft meinst, dann sollte man sich hinterfragen. Das ist nämlich gar nicht gut (lacht). Im Kopf sollte man besser immer rastlos sein. Auf zu neuen Horizonten, das sollte man sich bewahren. Musik ist keine Arbeit im üblichen Sinne. Man hat diese Motivation, oder man hat sie nicht. Ich hoffe, bei uns bleibt das so!
Habt ihr Vorbilder?
Stefanie: Erfolgreich ist man in Deutschland ja nicht ohne Grund. Da gehört ganz viel Spaß dazu, und dann muss man sich auch immer wieder neu erfinden. Sowas gelingt zum Beispiel den "Ärzten" immer wieder, die habe eine tolle Philosophie, und die haben eine großartige Fan-Base, ebenso bei den Toten Hosen oder Rosenstolz, Grönemeyer. Die sind alle super, die wissen worauf es ankommt. Sich treu zu bleiben ist wichtig, auf sein Herz zu hören ist wichtig und sich trotzdem immer wider ein bisschen neu zu erfinden.
Wie sehr sorgt ihr euch denn um Deutschland? Das Album ist ja recht sozialkritisch, soll aber auch Mut machen. Wie sehr werdet ihr von aktuellen Problemen berührt?
Thomas: Wenn wir ein Album machen gehen wir auf jeden Fall nicht so da ran, dass wir jetzt krampfhaft sagen, wir müssen da und dazu Stellung beziehen und dies und das unbedingt thematisieren. Es kommt eigentlich immer aus einer persönlichen Intention bei uns. Letztendlich ist ein Lied auch nur ein Lied, es dauert durchschnittlich drei bis vier Minuten - da jetzt politische Zusammenhänge transportieren zu wollen, ist vielleicht auch übertrieben. Ein Lied kann ein Anstoß sein, oder um etwas zu Verarbeiten, oder um Aggressionen auszuleben. Ich glaube, das ist die Aufgabe von Musik, bestimmte Strömungen aufzugreifen. Das passiert aber, glaube ich, automatisch.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr was verändern könnt mit eurer Musik?
Stefanie: Es wäre wohl naiv zu denken, dass Musik die Welt ändern wird. Die Menschen ändern die Welt, nicht die Musik. Wir sind ja aber auch keine Band, die mit dem Zeigefinger rausgeht und sagt: "Hey, Du musst das und das jetzt anders machen!" Ich kann schon verstehen, wenn sich die Menschen nicht jeden Tag Gedanken über Kindersoldaten machen. Wir haben das aufeschrieben, weil wir mal einen Fotografen kennen gelernt haben, der im Kriegsgebiet gearbeitet hat, und dort eine Erfahrung gemacht hat, die man keinem wünscht. Dem stand nämlich eine Jungen mit einem Gewehr gegenüber. Und das ist so eine perverse Situation, dass man darüber schonmal ein Lied machen kann. Wir sehen unser Album auch eher wie ein Gespräch unter Freunden. Als ob man in einer Runde zusammen sitzt. Und in unserem Alter - wir gehen stramm auf die 30 zu - (lacht), macht man sich ganz andere Gedanken als mit Anfang zwanzig.
Euren Fans gebt ihr da aber schon einen Halt, die singen ja alle Texte mit.
Thomas: Ja, Musik kann ein Anstoß sein, aber am Ende muss der Mensch es ja machen. Wir transportieren Emotionen, Gedanken.
Was habt ihr euch für die nächste Zeit vorgenommen?
Andreas: Wir wollen jetzt einfach alles genießen. Wir haben total viel Herzblut in das Album gesteckt, und wollen uns ...
Stefanie: Ja, wir haben so viel Energie in das Album gesteckt, ....
Andreas: ... dass wir jetzt mal unsere Batterien aufladen wollen.
Stefanie: Wir freuen uns auf die Live-Zeit, bei den Konzerten.
Mit Silbermond sprach Sabine Oelmann
"Himmel auf" ist am 23. März bei Sony Music erschienen