"Blutzbrüdaz" für Auge und Ohr Sido auf den kanadischen Inseln
29.12.2011, 07:24 Uhr
Auch ein Rapper will kuscheln: Otis gefällt die Frau, die Ansagen macht.
(Foto: dapd)
Sido zu interviewen ist voll schwul, äh, cool. Mit den Begriffen muss man vorsichtig sein, aber in der Rapper-Szene gelten schließlich andere Regeln als in der restlichen Spießer-Welt, lernen wir. Wir lernen aber noch viel mehr, zum Beispiel, dass es eigentlich immer um die Ehre geht, Alter. Und, dass es von wahrer Freundschaft nie zu viel geben kann.
Sido ist Otis und Otis ist Sido? Ganz so einfach ist das nicht, wenn Sido uns seinen neuen Kinofilm präsentiert. Der übrigens sehr witzig ist. Erstaunt uns das? Ja, ehrlich gesagt schon, denn auch wenn Rapper immer so wirken, als würden sie gerne über andere lachen und Witze reißen, heißt das ja noch lange nicht, dass sie sich selbst auf die Schippe nehmen können. Zum Glück gelingt das in "Blutzbrüdaz", und deswegen sehen wir auch gern mal über das eine oder andere Kraftwort zu viel hinweg.
Und wer über Witze wie: "Deine Mutter sitzt auf'm Fernseher und sieht Couch" lachen kann oder sich darüber beömmelt, wenn seine kodderschnäuzige Freundin in einem Eifersuchtsanfall schreit: "Dann penn' doch bei GESA" (Anm.d.Red.: GEfangenenSAmmelstelle), der ist hier richtig in dem Film von Özgür Yildirim ("Chico"). Und lernen kann man noch viel mehr, zum Beispiel, dass Sido/Otis niemals ein Schnitzel wegwerfen würde, bloß weil es kalt ist, oder dass man als Rapper mit Fug und Recht behaupten darf: "Ey, Alter, krieg' dich mal wieder ein, wir können eben nicht singen!". Otis lernt auch, dass es "Kanarische Inseln" und nicht "kanadische Inseln" heißt. Dass die Anfänge des Deutsch-Raps nicht einfach waren, ist klar, und dass Freundschaft über alles geht, wird im Laufe des Films mehr als deutlich. Sido ist im Interview mit n-tv.de übrigens eher handzahm als hardcore, eher kuschelig als Kotzbrocken. Im angesagten Michelberger Hotel steht er Rede und Antwort zum Film inklusive neuem Album - und hat selbst ein paar Fragen.
n-tv.de: Du oder Sie, Sido?
Sido: Na, in Sido steckt ja schon genug Sie, deswegen natürlich du.
Gut. Dein neuer Film, "Blutzbrüdaz", startet in den Kinos, und die Leute werden sich fragen: Wie viel von Sido ist da wohl drin?
Otis ist Otis, und nicht Sido, aber natürlich stecken da meine eigenen Erfahrungen drin, aber eben auch die von anderen Leuten. Der Anfang - ich nehme Musik auf einem Vierspur-Gerät auf, wir verpacken und beschriften den ganzen Kram eigenhändig - das war tatsächlich so. Aber vieles vom Film-Otis hat nichts mit dem echten Sido zu tun, denn dann würde ich mich ja vollkommen offenbaren.
Und darauf hast du keine Lust?
Nee, natürlich nicht. Die Leute müssen ja nicht alles wissen. (Anm.d.Red.: Wie zum Beispiel, wann er endlich seine Verlobte Doreen heiraten wird.)
Ganz kurzer Exkurs zu deinen letzten Auftritten: Da wurde die Freundschaft zwischen Sido und Bushido und obendrein noch Peter Maffay gefeiert, der inzwischen vom gemeinsamen Projekt "Erwachsen sein" wieder zurück getreten ist. Stört dich das oder geht's dir am Allerwertesten vorbei?
Das geht ehrlich gesagt an mir vorbei. Das war 'ne schöne Sache, die wir da angedacht haben, generationenübergreifend, musikübergreifend, aber es hat eben nicht so ganz geklappt. Eigentlich möchte ich dazu gar nicht mehr so viel sagen, außer, dass ich Bushido seinen Bambi von Herzen gönne, auch, wenn mir selbst Preise nicht so wichtig sind, und dass ich es albern finde, wenn andere ihre Trophäen wieder zurückgeben deswegen. (Anm.d.Red.: Heino protestierte auf diese Weise gegen den Integrations-Bambi für Bushido, er soll versteigert werden, und Sido hat Interesse angekündigt, das güldene Reh zu erobern.)
Aber zwischen dir und Bushido stimmt noch alles?
Ja, da ist alles klar. Wir haben uns wieder vertragen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Aber so aufeinander losgehen wie früher werden wir nicht mehr. Man wird ja auch älter.
Aber mal ehrlich, apropos älter werden: Nervt diese Schimpfwörter-Debatte nicht langsam? Also schwul ist nicht gleich homosexuell, cool bedeutet nicht kühl und so weiter. Aber der Song "Mund auf, Schwanz rein" ist ja auch eher negativ besetzt - dabei steht ihr Typen doch drauf. Ist das nicht irreführend?
Ja, ob das jetzt irreführend ist oder nicht, ist mir eigentlich egal. Überhaupt geht mir die Debatte tatsächlich auf den Geist. So ist die Sprache nunmal in Rapperkreisen, und es wird ja auch nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Aber dass da jetzt immer diese Nummer kommt: "Ihr müsst doch auch Rücksicht auf die Kinder nehmen", die nervt echt. Entweder sind die Kinder alt genug, das zu hören, oder ihre Eltern müssen eben aufpassen, dass sie sowas nicht zu hören bekommen. Ist nicht mein Problem, hab' ich schon oft gesagt. Und ich erzähl' den Kids auch nichts Neues - die Welt ist nunmal so schlecht oder so versaut, ich sag' bloß, wie es ist. Oder?
Über dieses Thema könnte man mit Sido wohl ewig diskutieren - da das aber keinen Sinn hat und tatsächlich auch nichts ändert, kommen wir lieber zur nächsten Frage.
Bei Markus Lanz hast du gesagt, dass dir egal ist, wie andere über dich denken. Stimmt das? Ich hatte eher den Eindruck, dass "Blutzbrüdaz" das Gegenteil erreichen soll, nämlich Sympathie erwecken für einen, der es nicht einfach hatte.
Ja, ist ja auch so. Aber ich will jetzt nicht um Fans buhlen. Heute sowieso nicht mehr, heute kennt mich ja jeder (lacht). Aber die Geschichte soll anderen eben Mut machen, dass man aus einer beschissenen Situation durchaus was machen kann. Und wenn man immer wieder auf die Fresse fliegt, heißt das nix anderes als: wieder aufstehen. Und dass man mit einem Freund an der Seite immer weiterkommt, wird in dem Film auch klar. Genauso klar, wie, dass es dich umhauen kann, wenn der Freund dich bescheißt. (Anm.d.Red.: Im Film spielt B-Tight an seiner Seite - auch im wahren Leben sein bester Freund)
Was willst du denn bei deinem Kind anders machen? Das wächst ja in durchaus wohlhabenderen Verhältnissen auf als du.
Ich will gar nicht andauernd irgendwas anders machen - und so viel schief gelaufen ist bei mir ja auch nicht. Meine Mama war ja da für mich, das will ich auch für mein Kind, das ist das Wichtigste. Wenn der seine Erfahrungen machen will, dann wird der die machen, gut ist, wenn wir drüber reden können.
Und was ist die Botschaft deines Films? Gab es einen Auslöser (außer, dass Produzent Oliver Berben bereits, noch zusammen mit Bernd Eichinger, den Film über Bushido, "Zeiten ändern dich", gemacht hat)?
Eine Botschaft ist, sich treu zu bleiben, sich nicht verbiegen zu lassen. Wir werden in dem Film ja in echt schlimme Klamotten gesteckt, fühlen uns total albern, und kommen vom Weg ab. Dass der kurzfristig zum Erfolg führen kann, ist eine Message. Dass das aber langfristig in die Hose geht, ist nach dem Film wohl allen klar.
Ist das auch die Botschaft, die du den Casting-Kandidaten in Österreich mit auf den Weg gibst, Authentizität? (Anm.d.Red.: Sido sitzt in der Jury von "Die große Chance", ORF.)
Ja, unter anderem. Ich will gerne sozial benachteiligten, jungen Menschen helfen, ihren Weg in die Musik zu finden.
Apropos sozial benachteiligt: Was machen deine Pläne, mit Cousin Menowin etwas zusammen zu unternehmen? Kann ich ihm was ausrichten, ich treffe ihn nachher zum Interview?
Ach echt, der ist in der Stadt?
Ja, er hat Knasturlaub.
Ah, dann soll er mich doch bitte anrufen, damit wir essen gehen können.
Was hältst du von seinem Song?
Dieses Weihnachtslied? Na super. Ja, Menowin hat momentan die geilste Stimme in Deutschland. Und sicher könnte ich was mit ihm zusammen machen. Er singt, ich rappe, da könnte man vielleicht ein bisschen das Image der bösen Hip-Hop-Jungs aufpolieren.
Glaubst du denn nicht viel eher an das Gesetz der Straße als an diesen ganzen Casting-Show-Wahnsinn?
Das kann sich doch echt jeder selbst überlegen. Erfolg hast du nur, wenn du dich längerfristig behaupten kannst.
Mit Sido sprach Sabine Oelmann
Der Film "Blutzbrüdaz" startet am 29. Dezember, den Soundtrack gibt es seit 2. Dezember.
Quelle: ntv.de