
So ein Jahr 2020 hätte in der Silvesternacht wohl kaum jemand erwartet.
Denn während Silvesterraketen den Himmel erleuchten und sich Menschen sektseelig in den Armen liegen, macht sich ein Virus daran, das Leben der Menschen kräftig auf den Kopf zu stellen.
Nicht nur bei Masken und Abstand wirkt sich die Pandemielage aus, aber was war 2020 angesagt und was beeinflusste das Lebensgefühl sonst noch?
Totgeglaubte Orte werden plötzlich wieder relevant - zum Beispiel abstandsregelkonforme Autokinos für Konzerte und andere Kulturveranstaltungen.
Spätestens 2020 wird die quer über der Brust getragene Gürteltasche/Bauchtasche zum Trend - praktisch, weil man neben dem sonstigen Kleinkram auch die Corona-Alltagsmaske unterbringen kann.
In der Pandemie wird das Lüften zum Gebot, ...
... Engländer staunen über deutsche Fachbegriffe wie "Stoßlüften" (auf Englisch: impact ventilation) und "Querlüften" (cross ventilation).
Dalgona Coffee wird das Trendgetränk des Jahres, eine Art Cappuccino auf dem Kopf - (kalte) Milch unten, Kaffeeschaum aus aufgeschlagenem Instantpulver-Zucker-Wasser-Mix oben. Das fotogene Getränk wurde von Südkorea aus via TikTok und Instagram populär.
Kommt das verruchte Berlin je wieder? Das für Techno, Schweiß und Sex berühmte und wegen Corona geschlossene Berghain wird zur harmlosen Kunsthalle. "Ein hundert Nanometer großes Virus hat die härteste Tür Berlins gebrochen", ...
... schreibt die "Welt". Das Motto in der Clubkultur lautet Distanz statt Tanz.
Plötzlich erlebt auch die längst vergessene Sperrstunde ein Comeback.
Gemeinsam im Fitnessstudio schwitzen und ächzen ist in Corona-Zeiten hingegen out.
Dafür boomen Online-Training, Home-Workout, Fitness-Apps und Freiluftsport.
Goldene Milch ist der Hype. Die ayurvedische Kurkuma Latte ...
... wird auch zum Trend-Eis. Der Verband Uniteis kürt die Sorte "Goldene Milch" aus Milcheis (Fior di Latte) mit den gelben Gewürzen Ingwer und Kurkuma zum Eis des Jahres.
Ich wollt, ich wär ein Huhn - das neue Trendtier bei Promis und Normalos mit Garten scheinen Hennen zu sein, ...
... deren Haltung sich nicht zuletzt für die frischen Eier lohnt.
Das Inland ist das neue Ausland. In der Pandemie entdecken viele die deutschen Mittelgebirge oder Küsten wieder.
Auslandsreisen werden zum Wagnis, auch wenn es an sonst überlaufenen Orten wie Paris, Rom, Venedig plötzlich leer ist.
Irgendwie fühlt sich 2020 wie das Ende des Easyjetsets an - des Einfachmalwegfliegens.
Den Ohrwurm des Sommers liefern Jawsh 685 & Jason Derulo mit"Savage Love (Laxed - Siren Beat)" - Reggae-Sound, Falsettstimme und Ooh-la-la-la.
Ein anderer Hit des Jahres ist der nach 80er-Jahre-Pop klingende Song "Blinding Lights" von The Weeknd.
Das Männerkettchen ist plötzlich nicht nur wegen Serien wie "Normal People" angesagt, ...
... sondern verliert auch seine Ablehnung durch Snobs von wegen prollig - ebenso wie Männer nun schon länger stolz Muskeln pumpen, Tattoos tragen und im Barbershop den Bart frisieren lassen.
Das Leben fernab gefährlicher (und teurer) Großstädte wird in Pandemiezeiten zur Sehnsucht.
Die Bundesregierung startet eine Kampagne für ländliche Regionen: Hashtag #Dorfkinder.
Die Alltagsmaske, Mund-Nase-Bedeckung oder eben einfach Maske wird wegen der Coronavirus-Pandemie gezwungenermaßen zum Accessoire des Jahres.
Bei den Ernährungstrends wird Nicecream die neue Eiscreme. Mit der Grundzutat gefrorene Bananen handelt es sich um "gesundes Eis", ...
... das alle Trends in sich zu vereinen scheint - je nach Zubereitung: fettfrei, zuckerfrei, vegan und ohne künstliche Aromen.
Was bei Instagram und Co verboten ist, ist bei Onlyfans Prinzip. Die Social-Media-Plattform für Porno und unzensierte Erotik boomt.
Pizza war im Corona-Jahr angesagt, jeder in Deutschland isst 13 Tiefkühlpizzen im Jahr, 1990 waren es erst drei. Pinsa ist eine verträglichere Variante mit einem Mehlmix aus Weizen/Reis/Soja und Sauerteig.
Spätestens seit der Netflix-Serie "The Crown" hat die britische Queen Elizabeth II. für Millionen weltweit Kultstatus.
Unvergessen bleibt die Corona-Ansprache der 94-Jährigen mit dem Satz: "We will meet again" (Wir werden uns wiedersehen).
Rassismus ist 2020 ein Riesenthema von der Umbenennung der Berliner Mohrenstraße bis hin zur Zigeunersoße oder dem Vorsatz mancher Komiker, aufs Blackfacing verzichten zu wollen.
In der "Black Lives Matter"-Debatte wird auch in Deutschland deutlich, dass Rassismus ein strukturelles Problem von Weißen ist, die sich mit Critical Whiteness (kritischem Weißsein) ihrer Privilegien bewusst werden sollen.
Im Corona-Jahr wird das Stehpaddeln zum Massenphänomen in Deutschland.
Mit Hilfe eines langen Paddels durchkreuzen Stand-up-Paddler auf einer Art Surfbrett Kanäle, Seen und Flüsse.
Die Ärzte landen mit "True Romance" ihren fünften Nummer-eins-Hit: "Hey Siri! Erzähl mir über Sex mit Alexa ...".
Eine Sensation hat 2020 auch: Die deutsche Serie "Unorthodox" über eine junge Frau, die ihre orthodoxe Familie hinter sich lässt, wird zum Welthit beim Streamingdienst Netflix.
Maria Schrader gewinnt für die vierteilige Miniserie den Emmy als beste Regisseurin.
Die Pandemie zeigt sich auch im Vokabular: Von "Neuer Normalität" oder "Corona-Kilos" ist die Rede, von "Social distancing", "Covidioten", "Öffnungsdiskussionsorgien", "Superspreader", "Teil-Lockdown", "Wellenbrecher-Lockdown" und "Zoom".
Verschwörungsgedanken und Schuldzuweisungen blühen in der Pandemie - vieles ist geschmacklos, etwa wenn sich Protestler gegen Corona-Maßnahmen als Widerstandskämpfer (Sophie Scholl) gerieren oder andere jeden Corona-Protest "hochhitlern".
Anfangs sind wegen übertriebener Vorratseinkäufe Nudel- und Klopapier-Gags angesagt, sie werden aber rasch unlustig.
Das Netflix-Dokudrama "Das Dilemma mit den sozialen Medien" (The Social Dilemma) macht bewusst, wie gefährlich inzwischen die Auswirkungen sozialer Medien auf die Gesellschaft sind.
H.P. Baxxter, Frontmann von Scooter, bringt die Stimmung gegenüber dem "worst year ever" im Song "FCK 2020" auf den Punkt: "I don't give a penny. Fuck 2020!"
Eine Kuchengarnitur schickt sich an, zum Snack zu werden, zumindest eröffnen in Frankfurt und Berlin Streuselbars.
"Forever at home" (Für immer zu Haus) singt Helge Schneider angesichts der Corona-Beschränkungen.
Millionen lassen öfter den Lieferservice kommen, sehen mehr fern, ...
... netflixen, lesen, hören Podcasts und entdecken die eigenen vier Wände neu.
Gartencenter und Baumärkte boomen. Manche sehen schon eine Neobiedermeier-Epoche.
Die Bundesregierung initiiert unter dem Schlagwort "#besonderehelden" Clips im Internet, in denen fiktive ältere Menschen aus der Zukunft rückblickend erzählten, wie sie als junge Leute die zweite Welle "damals in diesem Corona-Winter 2020" zu Hause erlebten.
Die meisten hoffen einfach darauf, dass 2020 einfach zu Ende geht und 2021 vieles besser kann. (sba/dpa)