Panorama

"Bartkrieg" gegen UnfolgsameAmisch-People vor Gericht

26.08.2012, 05:48 Uhr
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Im "Bartkrieg" stehen 16 Mitglieder der Amisch-Gemeinde in den USA vor Gericht. (Foto: dpa)

Sie terrorisierten ihre Glaubensbrüder mit Scheren und Rasierern - als Strafe, weil sie nicht folgsam waren. Im "Bartkrieg" stehen 16 Mitglieder der christlichen Amisch-Gemeinde in den USA vor Gericht.

Lange Bärte, dunkle Hüte,

Pferdekutschen: Zwischen Korn- und Maisfeldern im Osten von Ohio leben sie, als

hätte jemand die Zeit zurückgedreht. Ohne Strom. Ohne Gewalt. Doch der Frieden der

Religionsgemeinschaft der Amischen in den USA ist gestört: Gewaltsame "Bartrasierer"

versetzten die größte amerikanische Amisch-Gemeinde in Angst und Schrecken. Ab diesem

Montag stehen 16 Mitglieder der bibeltreuen Gemeinde vor einem Gericht in Cleveland.

Wegen religiös motivierter "Hassverbrechen" droht ihnen lebenslange Haft.

Die "Racheengel"

weckten Myron Miller und seine Frau Arlene aus dem Tiefschlaf. Fünf bis sechs Männer

mit langen Bärten und Hüten standen im Schein der Petroleumlampe vor der Tür. So

beschreibt es das Paar zumindest in der "New York Times". Bewaffnet mit

Scheren und batteriebetriebenen Rasierern. Sie rissen Miller hinaus in die Dunkelheit

und kappten seinen langem schwarzen Bart. "Normalerweise hält mein Mann eher

die zweite Wange hin, wenn ihm jemand etwas tut", sagte seine Frau der Zeitung.

"Doch instinktiv wehrte ich mich", gestand Miller. Denn der Bart ist so

ziemlich das Heiligste, was ein Amisch am Leibe trägt. Seine Zwangsrasur ist die größte

Demütigung. Miller und ein Leidensgenosse brachten einen Prozess ins Rollen, der

Seinesgleichen sucht.

Zwangsrasur als Strafe

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Der Bart ist ein "Schlüsselsymbol der männlichen Amisch-Identität". (Foto: dpa)

Vor Gericht stehen 16 Mitglieder

eines Amisch-Clans, der von der eisernen Faust von Bischof Sam Mullet regiert wird.

Der 67-jährige soll seine Gefolgsleute - unter ihnen auch seine Söhne - angestiftet

haben, im Herbst vergangenen Jahres mindestens fünf Glaubensbrüder und -schwestern

wegen mangelnder Folgsamkeit mit Zwangsrasuren von Bärten und Kopfhaar abzustrafen.

Der Bischof soll die 120-köpfige

Bergholz-Gemeinde in Ost-Ohio nach Angaben der Bundespolizei FBI wie ein Sektenführer

im Griff haben. Mullet habe auch Sex mit verheirateten Frauen gehabt, um sie "vom

Teufel zu reinigen", zitierte die "New York Times" aus einer eidesstattlichen

Zeugen-Erklärung. Unfolgsame habe er geschlagen oder gezwungen, in einem Hühnerkäfig

zu schlafen. Wer ihm widersprach, wurde exkommuniziert.

"Scherenopfer" wehrten sich gegen Exkommunikation

Bei den "Scherenopfern"

handelt es sich um Amisch-Geistliche, die sich gegen diese Exkommunikation aufbegehrt

hatten - aber auch Glaubensbrüder, die Familien halfen, der Knute Mullets zu entkommen.

"Der Bart ist das Schlüsselsymbol der männlichen Amisch-Identität", so

der Soziologe Donald B. Kraybill vom Elizabethtown College in Pennsylvania. In der

christlichen Religionsbewegung, die ihre Wurzeln in der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts

hat, stehen die Haare auch für den Familienstand. Mit dem Zeitpunkt der Heirat dürfen

Männer ihre Bärte - ausgenommen davon ist der Oberlippenbart - und Frauen ihr Kopfhaar

nicht mehr schneiden.

Die Amischen (englisch:

Amish) spalteten sich im Jahre 1693 unter Führung des Schweizer Bischofs Jakob Ammann

von den Mennoniten ab. In Europa waren sie immer wieder religiös motivierter Verfolgung

ausgesetzt. Ihre Mitglieder emigrierten seit Anfang des 18. Jahrhunderts - meist

aus dem Südwestdeutschen oder der Schweiz - in die USA. Heute leben nach Medienberichten

etwa 250 000 Amische in den USA, davon der Großteil in Ohio und Pennsylvania.

Die Öffentlichkeit meiden

sie, soweit es geht. Streitigkeiten regeln sie lieber unter sich. Doch diesmal riefen

die Amischen um Hilfe: "Wir wollen diese Täter hinter Gittern sehen",

erklärte Miller der "New York Times". Plädiert haben alle 16 auf "nicht

schuldig". Sie befinden sich gegen Kaution auf freiem Fuß.

Quelle: ntv.de, Antje Passenheim, dpa