Zehn Jahre HomoeheAmsterdam sendet "rosa Signale"
Als erste trauten sich die toleranten Niederländer: Vor zehn Jahren öffneten sie die Institution Ehe ohne jede Einschränkung für Lesben und Schwule. Soweit sind bisher nur wenige Staaten gegangen - Deutschland nicht.
Verfechter der heiligen Ehe zwischen Mann und Frau hatten bis zuletzt auf einen Aprilscherz gehofft. Doch was sich am frühen Morgen des 1. April 2001 in Amsterdam vor laufenden Kameras abspielte, war bei aller Heiterkeit ernst gemeint: Im Rathaussaal traten drei männliche Paare und ein weibliches vor Bürgermeister Job Cohen und ließen sich trauen. Es waren die ersten regulären Eheschließungen für Schwule und Lesben. Amsterdam sende ein Signal um den Globus, freute sich das Oberhaupt der selbsternannten "Homo-Hauptstadt der Welt". Ein Signal für Gleichberechtigung und gegen die Diskriminierung von Homosexuellen.
Zehn Jahre danach gelten Homoehen weithin als selbstverständlich. Prominente Schwule haben mit schillernden Hochzeitspartys dazu beigetragen. Popstar Elton John und sein Partner David Furnish feierten den Bund fürs Leben 2005 in Windsor mit großem Staraufgebot. Starfriseur Udo Walz und Carsten Thamm ließen 2008 in Berlin stilvoll rote Rosen auf sich herabregnen. Selbst für politische Karrieren sind Homosexualität und Homoehe in vielen Ländern kein Hinderungsgrund mehr, wie Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle mit seinem Lebensgefährten Michael Mronz zeigt.
Homoehe nur in neun Staaten
Dennoch beruht die weit verbreitete Annahme, ein Jahrzehnt nach dem "Signal von Amsterdam" könnten Schwule und Lesben zumindest in der westlichen Welt fast überall problemlos Ehen schließen, auf einem Missverständnis: Wenn überhaupt zugelassen, führen Homohochzeiten bis heute meist lediglich zu rechtlich mehr oder weniger weitgehenden eingetragenen Partnerschaften. Lediglich neun der mehr als 190 Staaten der Welt sind dem Beispiel der Holländer gefolgt und erlauben Homosexuellen genau dieselben Ehen zu schließen wie das Gesetz sie zwischen Frau und Mann vorsieht.
Zwei Jahre nach dem denkwürdigen 1. April 2001 öffnete Belgien die Institution Ehe für gleichgeschlechtliche Partner. Es folgten Spanien, Kanada, Südafrika, einige wenige Bundesstaaten der USA, Norwegen, Schweden, Portugal und 2010 schließlich Argentinien sowie Island. Dort waren Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir und ihre Gefährtin Jónina Leósdóttir die ersten Bürgerinnen, die ihre eingetragene Partnerschaft in eine echte Ehe umwandelten.
Von einer solchen Möglichkeit sei die Bundesrepublik noch ein ganzes Stück entfernt, sagt Renate Rampf, Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD). Obwohl die Mehrheit der Deutschen Homoehen akzeptiere, seien diese Partnerschaften gesetzlich immer noch schlechter gestellt als Ehen. So beim Steuer- und Erbrecht, bei einer Adoption oder wenn in einer Partnerschaft von Lesben Kinder geboren werden. "Gegen die vollkommene Gleichstellung sperrt sich die schwarz-gelbe Bundesregierung mit allen Mitteln", beklagt Rampf.
Jubiläum mit Déjà-vu
Zu den Vorkämpfern der "echten" Ehe für Homosexuelle gehört die Landesregierung von Berlin, das viele Niederländer wegen seiner toleranten Atmosphäre als "Deutschlands Amsterdam" sehen. Im Sommer 2010 scheiterte Berlin allerdings mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative an der Ländermehrheit. "Wir kämpfen weiter", sagt Berlins Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Carola Bluhm (Die Linke). "Was die Niederlande vor zehn Jahren geschafft haben, werden wir in Deutschland auch erreichen." Soweit das Berliner Landesrecht gelte, seien Homo-Partnerschaften der Ehe inzwischen gleichgestellt.
Auch um solche Entwicklungen international zu fördern, begehen die Amsterdamer das Jubiläum mit einem medienwirksamen Déjà-vu von "Rosa Hochzeiten": Der heutige Bürgermeister Eberhard van der Laan wird homosexuelle Paare öffentlich trauen - und zwar eigens an jenem prunkvollen Tisch, der 2002 für die Hochzeit des niederländischen Thronfolgers Willem-Alexander mit Prinzessin Máxima gebaut wurde. Fast 15 000 lesbische und schwule Ehepaare wurden seit dem 1. April 2001 in den Niederlanden amtlich getraut. Was Homoehen im Oranje-Königreich von "normalen" unterscheidet, ist laut jüngster Statistik übrigens, dass sie viel seltener geschieden werden.