Henry Dunant erschüttert von BrutalitätDRK gründet sich auf Blutbad in Solferino
Die Schlacht von Solferino gilt als eine der blutigsten der Weltgeschichte. Zehntausende Soldaten lassen ihr Leben oder werden zu Krüppeln. Aber das Kriegsdrama ist auch Ursprung einer wichtigen Hilfsorganisation, des Roten Kreuzes.
Der Schweizer Henry Dunant wird im Jahr 1859 in Italien Zeuge der Schlacht von Solferino. Erschüttert von der Hilflosigkeit der tausenden Verwundeten und Sterbenden beginnt er, Freiwillige zur Versorgung der Opfer zu bewegen – egal, ob Freund oder Feind. Der Kampf ist ungemein blutig und hält fast 24 Stunden an. 130.000 Österreicher stehen 150.000 Franzosen unter der Führung von Napoleon III gegenüber. Am Ende gewinnt Frankreich die Schlacht und damit den Sardinischen Krieg.
Tausende Soldaten lassen während des Kampfes ihr Leben – mindestens 30.000 sollen es gewesen sein. 10.000 geraten in Gefangenschaft, weitere 40.000 erkranken kurz nachher an Auszehrung und Überanstrengung. Die Lage ist dramatisch: Das Schlachtfeld ist ein riesiges Krankenlager, überall stöhnen und leiden die Verletzten, Verwesungsgeruch macht sich breit, es drohen Seuchen. Die Schlacht von Solferino geht damit als blutigste Schlacht nach Waterloo in die Geschichtsbücher ein.
Doch bei all dem Übel entwickelt sich auch etwas Gutes: Es ist die Geburtsstunde des Deutschen Roten Kreuzes. Mit vier gleichgesinnten Humanisten schafft Dunant später eine Organisation für freiwillige und neutrale Kriegssanitäter. 1863 geben die Gründer ihr den Namen "Internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege". Wenig später wird ein schlichtes rotes Kreuz zum Symbol bestimmt. In Deutschland entsteht der erste Verein dieser Art noch im selben Jahr 1863 in Württemberg. Das 150. Jubiläum dieser Gründung wird an diesem Donnerstag gefeiert.
Der Festakt steigt in Stuttgart, wo Henry Dunant in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für rund zehn Jahre lebte - von der Welt vergessen und mittellos. 1901 erhielt er den allerersten Friedensnobelpreis. Heute, im 150. Jahr seines Bestehens, zählt das Rote Kreuz in Deutschland 3,3 Millionen Mitglieder - darunter 400.000 ehrenamtliche und 142.700 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die oberste Grundsätze lauten: strikte Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und Neutralität. Wer zwischen allen Fronten helfen will, muss sich aus der Politik heraushalten. Sonst wäre es kaum möglich, Sanitäter und Ärzte in Kriegsgebiete zu schicken, in denen die jeweiligen Machthaber eigentlich keine ausländischen Helfer dulden. "Deswegen stehen wir nicht an der Spitze derer, die Kritik üben", sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters.
Weltweit im Einsatz
Im Ersten Weltkrieg ist das Deutsche Rote Kreuz dann in vielen den Lazaretten und Spitälern präsent. Später wird es von den Nazis schrittweise gleichgeschaltet. Per Gesetz wird das DRK dem NS-Staat vollständig einverleibt. Nach dem Zweiten Weltkrieg steht der Suchdienst im Fokus: Nach eigenen Angaben gelingt es dem DRK in den Folgejahren, die Familien von 16 Millionen ausgebombten, vermissten, verschleppten und vertriebenen Menschen wiederzufinden.
Weitere Bewährungsproben für die Helfer sind das Hochwasser in Hamburg 1962, aber auch der Vietnamkrieg. 1966 entsendet das DRK das Hospitalschiff "Helgoland", um vietnamesischen Kriegsopfern zu helfen. 2002 verwüstet die Jahrtausendflut der Elbe ganze Landstriche in Sachsen. Beim größten Katastropheneinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik sind mehr als 12.000 DRK-Helfer aktiv. Nach dem Tsunami Ende 2004 an der Küste Thailands mit 230.000 Todesopfern schickt das DRK ein mobiles Krankenhaus, eine Gesundheitsstation, drei Trinkwasseranlagen und sammelt 124,6 Millionen Euro Spenden.
Das Deutsche Rote Kreuz arbeitet in mehr als 50 Ländern - in Afrika, Asien, Nahost, Lateinamerika und Europa. Eine besondere Herausforderung dürfte aber daheim liegen: der demografische Wandel. Die Entwicklung sei absehbar, sagt Seiters. "Einer dramatisch steigenden Zahl von Kranken und Hilfsbedürftigen steht eine sinkende Zahl von potenziellen Helfern gegenüber." Migranten wolle man gewinnen, verstärkt auch Senioren, die im Ruhestand sinnvolle Beschäftigung suchen. Die Jugend wolle man mit spontanem Engagement ködern. "Die jungen Leute binden sich nicht so gerne ein Leben lang an eine Organisation."